EU-Unterausschuss diskutiert EU-Handelsabkommen mit den USA und Kanada
Wien (pk) – Bei der Beurteilung der transatlantischen Handelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP)
einerseits und Kanada (CETA) andererseits bleiben die Fronten verhärtet – auch innerhalb der Koalition. Zankapfel
ist und bleibt der Investitionsschutz, wobei FPÖ und Grüne auch grundsätzliche Bedenken hinsichtlich
der Notwendigkeit und der positiven Auswirkungen derartiger Verträge für die heimische Wirtschaft hegen.
Das wurde am 14.12. im EU-Unterausschuss des Nationalrates einmal mehr deutlich.
Zwei Anträge der FPÖ, dem vorliegenden CETA-Vertragsentwurf eine klare Absage zu erteilen und sich für
einen umgehenden Stopp der Verhandlungen zu TTIP einzusetzen, erhielten nicht die erforderliche Mehrheit. Die FPÖ
wurde lediglich seitens der Grünen unterstützt.
Trotz Investitionsschutz neu – SPÖ, FPÖ und Grüne bleiben ablehnend
Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner unterstrich, die EU-Kommission habe die Einwendungen
der Bürgerinnen und Bürger im Hinblick auf das Investitionsschutzkapitel berücksichtigt und in ihre
Verhandlungsposition miteinbezogen. So soll das bisherige System der Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) – ein
privates Schiedsgericht - durch ein Investitionsgerichtssystem mit einer Berufungsinstanz ersetzt werden. Die dort
tätigen professionellen RichterInnen sollen laut nunmehrigem Stand durch die Vertragsparteien für fixe
Perioden ernannt werden und müssen höchsten fachlichen und ethischen Anforderungen genügen. Als
längerfristige Perspektive ist die Etablierung eines multilateralen Investitionsgerichts explizit im Entwurf
verankert. Damit sei das staatliche Regulierungsrecht wesentlich deutlicher verankert und ein klarer Fortschritt
gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erzielt worden, unterstrich Mitterlehner.
Das Abkommen mit Kanada liege zwar bereits vor, CETA enthalte den neuen Investitionsschutz aber nicht. Mitterlehner
informierte den Ausschuss aber über Verhandlungen, auch noch in dieses Abkommen den Investitionsschutz nach
dem Modell für TTIP einzubauen.
SPÖ, FPÖ und Grüne zeigten sich damit jedoch nicht zufrieden und wiesen auf die Entschließung
des Nationalrates vom September 2014 hin, wonach man aus damaliger Sicht keinen Sinn in einer Investitionsschutzklausel
sieht, wenn Staaten mit hoch entwickelten Rechtssystemen ein Handelsabkommen schließen. Der Vizekanzler bekräftigte
jedoch aus seiner Sicht, insbesondere gegenüber Wendelin Mölzer (F), es liege nun ein anderer Sachverhalt
vor. Er sehe den Sinn eines solchen Investitionsschutzes gegeben, zumal die Rechtssysteme in Europa und in den
USA zwar hoch entwickelt, aber dennoch unterschiedlich seien. Wie das Parlament dies beurteilt, liege an den Abgeordneten.
Dem schloss sich auch Woflgang Gerstl (V) an.
Mit dieser Sicht der Dinge vertrat der Vizekanzler eine völlig andere Auffassung als der Koalitionspartner.
So kritisierte Kai Jan Krainer (S) scharf, beim geplanten Investitionsschutz handle es sich um Sonderklagsrechte
für Investoren und somit um eine Sonderbehandlung für jene, die Geld haben. Wenn daher der Rechtsrahmen
von hochentwickelten Systemen für Investoren nicht ausreiche, dann reiche dieser auch für alle anderen
nicht aus, so seine Schlussfolgerung. Die Sonderrechte müssten daher nach Ansicht Krainers auch für alle
anderen gelten, etwa für ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen oder auch für Umweltfragen. Ins gleiche Horn
stieß sein Klubkollege Hannes Weninger, der die Frage stellte, warum sich die Politik nur über den Schutz
von Investoren den Kopf zerbricht. Für Wolfgang Pirklhuber (G) werden die Macht der Konzerne weiter ausgebaut
und demokratische parlamentarische Rechte weiter ausgehöhlt. Werner Kogler (G) zeigte sich zudem skeptisch,
dass es gelingen könne, den Investitionsschutz neu in CETA hinein zu verhandeln.
Anders bewerteten ÖVP und NEOS den Investitionsschutz. Georg Vetter (V), selbst einmal Schiedsrichter, gab
zu bedenken, dass auch bei hoch entwickelten Rechtssystemen es oft an gegenseitigem Vertrauen mangle. Deshalb sei
eine neutrale Stelle zur Klärung von Streitfragen von Vorteil. Christoph Vavrik von den NEOS rief dazu auf,
die Sachlage auch einmal vom Standpunkt der österreichischen Investoren zu sehen. Ein Verfahren vor einem
amerikanischem Gericht könne enorme finanzielle Belastungen nach sich ziehen, meinte er. Vavrik räumte
ein, seine Fraktion sei dem Schiedsgericht ursprünglich sehr skeptisch gegenübergestanden, was nun vorliege,
stelle aber einen großen Fortschritt und eine gute Verhandlungsgrundlage dar.
Uneinigkeit auch über Vorteile für die österreichische Wirtschaft
Auch hinsichtlich der Frage ob derartige Handelsabkommen der heimischen Wirtschaft etwas bringen, schieden
sich die Geister. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner setzt aus seiner Sicht große Hoffnung in den
Abbau von Handelsschranken, gerade für eine exportorientierte Volkswirtschaft wie Österreich. Im Hinblick
auf die Sorge um die Qualität, wies er darauf hin, dass jede Partei das Recht habe, seine Standards festzulegen
("right to regulate"). Die Verpflichtungen für ein hohes Umsetzungsniveau international anerkannter
Sozial- und Umweltstandards sei ein wesentlicher Bestandteil des Nachhaltigkeitskapitels, sagte er.
Der Vizekanzler wurde in dieser Auffassung von den Abgeordneten der ÖVP bestärkt. Angelika Winzig erwartet
sich vor allem für die Klein- und Mittelbetriebe große Chancen und sah keinen Anlass, sich zu fürchten.
In den USA seien sogar manche Standards höher als in Europa, sagte sie und merkte an, dass 60% des Wohlstands
in Österreich im Export erarbeitet werden. Man könne sich in Europa nicht abkoppeln, führte Wolfgang
Gerstl (V) ins Treffen und war überzeugt, dass das Abkommen die Wirtschaft und die Absatzmärkte stärken
und teilweise auch Standards verbessern werde. Gerade im sechsten Jahr der Wirtschaftskrise und eines geringen
Wirtschaftswachstums könne der österreichische Export und damit die dort tätigen ArbeitnehmerInnen
von Handelsabkommen profitieren. Durch TTIP würden österreichische Waren konkurrenzfähiger, sagte
Gerstl und erinnerte zudem an die positiven Auswirkungen des Freihandelsabkommens mit Südkorea. Dem hielt
Hannes Weninger (S) entgegen, nicht jeder freie Handel sei von vornherein sinnvoll. Es gehe vielmehr um einen nachhaltigen
Handel.
Wesentlich kritischer in ihrer Einschätzung waren Johannes Hübner (F) und Wolfgang Pirklhuber (G). Für
Hübner sind die Vorteile "überschaubar", wie er es formulierte. Europa habe einen beträchtlichen
Handelsüberschuss gegenüber den USA zu verzeichnen und den wolle die USA durch Exporte in die EU wettmachen,
war er eines Sinnes mit Pirklhuber. Außerdem sah Hübner insofern ein Problem darin, dass die beiden
Volkswirtschaften nicht komplementär sind, sondern in den meisten Bereichen klassische Konkurrenten. Ferner
liege das geistige Eigentum zu 90% in den USA.
Seine Klubkollegin Barbara Rosenkranz sowie Wolfgang Pirklhuber von den Grünen thematisierten insbesondere
sensible landwirtschaftliche Produkte. Die Reise gehe dahin, dass europäische Normen nicht mehr kontrolliert
werden, befürchtete Pirklhuber, der weder auf der sozialen, noch auf ökonomischer Ebene ein Gleichgewicht
gegeben sah. Er bezweifelte auch, dass Klein- und Mittelbetriebe Profiteure sein werden, denn 50% des transatlantischen
Handels würde von Großkonzernen getätigt. Mitterlehner reagierte auf diese Bedenken mit dem nochmaligen
Hinweis auf das "right to regulate" und betonte, wenn man Exporte erweitern will, dann müsse man
sich auch bei Importen dem Wettbewerb stellen.
Mitterlehner will Abgeordnete stärker miteinbeziehen
Ein Thema im Ausschuss war auch die Transparenz der Verhandlungen zu TTIP. Vieles werde in der Öffentlichkeit
auch deshalb falsch dargestellt, weil es an Transparenz mangle, gab Hannes Weninger zu bedenken. Ebenso unterstrich
Werner Kogler (G) die Notwendigkeit transparenter Verhandlungsführung. Beide drängten vor allem auf eine
bessere Information der Abgeordneten, zumal man davon ausgehen muss, dass es sich sowohl bei TTIP als auch bei
CETA um ein gemischtes Abkommen handelt und beide Verträge daher den nationalen Parlamenten vorgelegt werden
müssen.
Der Vizekanzler räumte ein, dass die Informationspolitik anfangs völlig ungenügend war, und bekräftigte,
nunmehr würden aber sämtliche Informationsverpflichtungen gegenüber dem Parlament erfüllt.
Er erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die Vorstöße der Bundesregierung bei der Kommission sowie
an das Schreiben der Nationalratspräsidentin an die Botschafterin der USA in Österreich. Mitterlehner
wies auf den Leseraum hin, der eingerichtet wurde, damit Abgeordnete in die Dokumente Einsicht nehmen können,
und sagte zu, dass er gerne die ParlamentarierInnen in die Briefings miteinbeziehen werde.
Auch er geht davon aus, dass es sich bei den Abkommen um gemischte Abkommen handelt, die den Parlamenten vorgelegt
werden müssen. Das sei aber eine Rechtsentscheidung, die der EuGH prüfe, bemerkte er gegenüber den
Abgeordneten Barbara Rosenkranz und Reinhard Eugen Bösch (beide F).
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