Wien (vetmeduni) - Bacillus cereus ist ein Krankheitskeim, der Erbrechen, Durchfall sowie systemische und lokale
Infektionen, wie beispielsweise Blutvergiftungen oder Augeninfektionen verursacht. Ein Team der Vetmeduni Vienna
zeigte nun erstmals, dass dieses Bakterium nach Kontakt mit bestimmten Antibiotika in einen besonderen Ruhezustand
wechseln kann. Es bildet dann sogenannte Small Colony Variants (SVCs), kleine Kolonien, die schwerer zu diagnostizieren
und mit bestimmten Antibiotika kaum mehr zu bekämpfen sind. Der neu entdeckte Mechanismus könnte eine
alternative Erklärung für Antibiotikaresistenzen liefern. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal mBio veröffentlicht.
Das Bakterium B. cereus galt bisher als ausschließlich sporenbildendes Bakterium. Das heißt, es bildet
unter schwierigen Lebensbedingungen Sporen aus und kann in dieser Lebensform lange Zeit ausharren. Verändern
sich die Bedingungen, können sich die Sporen wieder zu aktiven Bakterien rückbilden.
Elrike Frenzel, Markus Kranzler und Monika Ehling-Schulz vom Institut für Mikrobiologie an der Vetmeduni Vienna
haben nun erstmals gezeigt, dass B. cereus eine weitere alternative Lebensform ausbilden kann, sogenannte Small
colony Variants (SCVs). Das passiert, wenn die Bakterien Aminoglykosid-
Antibiotika ausgesetzt werden. Charakteristisch für SCVs sind ein verlangsamtes Wachstum, ein veränderter
Stoffwechsel und eine erhöhte Resistenz gegenüber jenen Antibiotika, die diesen Zustand ausgelöst
haben, den Aminglykosiden.
„Das Bakterium schützt sich vor dem schädlichen Einfluss der Antibiotika, indem es diese Small Colony
Variants bildet. B. cereus wird allerdings üblicherweise mit genau jenen Antibiotika behandelt, die diese
SCVs induzieren. Entstehen bei der Verwendung dieser Antibiotika SCVs, entstehen also auch Resistenzen“, erklärt
die Erstautorin Frenzel.
Therapie und Diagnostik neu überdenken
Für den Klinikalltag ist der von Frenzel, Kranzler und Ehling-Schulz entdeckte Mechanismus von großer
Bedeutung. Herkömmliche Diagnosemethoden weisen nämlich Stoffwechselvorgänge von B. cereus nach.
Da der Stoffwechsel der SCVs verlangsamt und verändert ist, funktionieren diese Tests nicht. Die Folge können
falsche Antibiotika-Therapien oder gar übersehene Infektionen sein. Molekularbiologische Tests erachtet die
Studienautorin Frenzel als einzige Möglichkeit, auch diese Form von B. cereus diagnostizieren zu können.
Eine reine Aminoglykosid-Therapie könnte bei B. cereus-Infektionen auch das Risiko einer dauerhaften Infektion
bergen. SCVs wachsen zwar langsamer, scheiden aber dennoch Toxine aus, die den Körper schädigen. „Eine
Kombinationstherapie mit anderen Antibiotikagruppen wäre in diesem Fall sinnvoll“, empfiehlt Frenzel.
Neuer molekularer Mechanismus der SCV-Entstehung
Ein Keim, der seit einigen Jahren als multiresistenter Krankenhauskeim bekannt ist und vor allem für immunschwache
Personen lebensbedrohlich sein kann, ist Staphylococcus aureus. Auch dieser Keim bildet SCVs. Im Unterschied zu
B. cereus kann sich S. aureus jedoch in seinen Ursprungszustand zurückentwickeln. Für B. cereus scheint
die Kleinkolonie-Form endgültig zu sein. „Wir gehen davon aus, dass die SCV Bildung bei B. cereus anders abläuft
als bei S. aureus“, so die Studienleiterin Ehling-Schulz.
Ökologische Nische zur Stressabwehr
„Die Fähigkeit SCVs zu bilden, scheint für die Bakterien eine ökologische Bedeutung zu haben“, meint
Frenzel. „Mit dieser alternativen Lebensform entgehen die Bakterien Stressfaktoren, wie den für sie gefährlichen
Antibiotika. Auch im Boden, wo B. cereus ebenso vorkommt, gibt es andere Mikroorganismen, die Antibiotika bilden.
Auch hier wäre die Bildung von SCVs für die Bakterien von Vorteil.“
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