Creditreform Privat-/Firmeninsolvenzstatistik für 2015

 

erstellt am
11. 01. 16
11:00 MEZ

40 Privat- und 22 Firmeninsolvenzen pro Werktag
Wien (creditreform) - Die endgültigen Zahlen der Creditreform Firmeninsolvenzstatistik für das Gesamtjahr 2015 zeigen, dass die Gesamtzahl der Firmeninsolvenzen mit 5.422 Verfahren auf den niedrigsten Stand seit 2002 zurückgegangen ist. Die Zahl der eröffneten Verfahren ist dabei um 3,2% auf 3.218 Fälle, die Zahl der mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesenen Fälle um 4,7% auf 2.204 gesunken. Gab es im 1. Halbjahr 2015 noch einen Gesamtrückgang aller Verfahren um 11% so lässt sich nun eine deutliche Abflachung des Insolvenztrends im Jahresverlauf erkennen.

Die Hauptursachen der Insolvenzen liegen in Managementfehlern, gefolgt vom Kapitalmangel und der angespannten Wirtschaftslage. Betroffen sind vor allem Klein- und Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern. Die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer (rund 20.000) ist aufgrund der Zielpunkt-Insolvenz leicht angestiegen. Die Höhe der Insolvenzpassiva (ca. 2,0 Mrd. Euro) als auch die Zahl der betroffenen Gläubiger (58.000) ist gesunken.

Bundesländervergleich
Der Blick auf die Bundesländer zeigt, dass entgegen dem Bundestrend die Insolvenzen in Wien (+4,2%)und im Burgenland (+0,6%) gestiegen sind. Hingegen sanken die Insolvenzen am stärksten in Tirol (-27,1%), Vorarlberg (-14,7%) und in Oberösterreich (-9,5%). Die höchste Insolvenzbetroffenheit herrschte in Wien mit 17 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen. Österreichweit wurden im Durchschnitt etwas mehr als 11 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen gezählt.

Branchenvergleich
Die wie immer am stärksten betroffene Branche ist die Branche „Bauwesen“ gefolgt vom der Branche „Beherbergungs- und Gaststättenwesen“ mit rund 28 bzw. 18 Insolvenzen je 1.000 Branchenunternehmen. Den stärksten Zuwachs verzeichnete das Transportwesen mit einem Plus von 5,4%, den stärksten Rückgang meldete die Branche „Sachgütererzeugung“ mit einem Minus von 9,2%. Diese für das Industrieland Österreich erfreuliche Entwicklung ist der guten Exportwirtschaft zu verdanken.

Conclusio 2015
Niedrige Zinsen und bei der Kreditvergabe vorsichtig agierende Banken sowie fallende Rohstoffpreise führen entgegen der negativen Stimmungslage unter den Unternehmen zu sinkenden Insolvenzzahlen. Klammert man die Großinsolvenzen kurz vor Jahresende (Zielpunkt, Schirnhofer) aus, zeigt sich, dass überwiegend Klein- und Kleinstunternehmen betroffen sind. Ein Blick in die Insolvenzursachen offenbart hier oft einen gravierenden Mangel an kaufmännischem Know-how in Fragen der Buchhaltung, Rechnungslegung, Liquiditätsplanung u.ä. Hinzu kommt der rauer werdende Wind des Wettbewerbs mit Preiskämpfen und sinkenden Margen. Oftmals findet in den gesättigten westlichen Marktwirtschaften wie in Österreich nur mehr ein Verdrängungswettbewerb statt. Wer hier nicht innovativ und flexibel genug ist und einen etwas längeren Atem als der Mitbewerber hat, fliegt durch den Rost. Erfreulich ist aber, dass sich laut Statistik des WKO-Gründerservice die Zahl der Unternehmensneugründungen in den vergangenen Jahren dennoch erstaunlich stabil hält. Denn Insolvenzen und Unternehmensschließungen sind nur eine Seite einer funktionierenden Marktwirtschaft. Auf der anderen Seite steht Entrepreneurship. Gerade die Förderung von Start-ups und innovativen Unternehmen verbunden mit einer Senkung der Lohnnebenkosten und Entlastung der Unternehmen sollte zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum beitragen. Falls die Steuerreform den privaten Konsum befeuert, wird das zusätzliche positive Effekte haben.

Generell aber gilt in diesen volatilen Zeiten mehr denn je vorausschauendes Kreditrisikomanagement als das Gebot der Stunde.

Privatinsolvenzen
Die endgültigen Zahlen der Creditreform Privatinsolvenzstatistik für das Gesamtjahr 2015 zeigen nach einem kontinuierlichen Rückgang der vergangenen fünf Jahre erstmals wieder einen starken Zuwachs bei den Insolvenzen von Privatpersonen um 4% auf 9.900 Verfahren. Die Anzahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren ist hierbei um 4,9% auf 8.816 Verfahren gestiegen, die mangels Vermögens abgewiesenen Insolvenzanträge sind um 1,5% auf knapp unter 1.100 Fälle zurückgegangen. Die seit ein paar Jahren sinkende Durchschnittsverschuldung beträgt nun knapp 67.000 Euro. Der „typische“ Schuldner ist männlich, in der Hälfte der Fälle arbeitslos, zwischen 30 und 50 Jahre alt, lebt in der Stadt und verfügt nur über eine unterdurchschnittliche (Aus-)Bildung. Die Insolvenzgründe liegen immer in mehreren zusammenfallenden Ereignissen, angeführt von Jobverlust, gescheiterter Selbständigkeit und im sorglosen Umgang mit Geld. Hauptgläubiger sind Banken, Mobilfunk-Unternehmen und Energieversorger.

Bundesländervergleich: 15 von 10.000 Erwachsenen sind zahlungsunfähig/überschuldet
Ein Bundesländer-Vergleich zeigt die stärksten Zuwächse in den Bundesländern Salzburg (+12,3%), Niederösterreich (+11,4%) und Wien (+8,4%). Rückgänge vermelden das Burgenland (-6,9%), die Steiermark (-6,5%) und Oberösterreich (-5,4%). 42% aller Insolvenzverfahrenen finden in Wien statt. Aber auch relativ betrachtet herrscht in der Bundeshauptstadt die größte Insolvenzbetroffenheit: 29 von 10.000 erwachsenen Wienern wurden insolvent. Österreichweit wurden hingegen knapp 15 von 10.000 Erwachsenen zahlungsunfähig.

Conclusio 2015 - Erwartung 2016
Nachdem seit 2010 die Zahl der Privatinsolvenzen kontinuierlich zurückgegangen ist, hat das Jahr 2015 eine Trendwende eingeläutet. Die hohe Arbeitslosigkeit und steigende Lebenshaltungskosten führen zu mehr Insolvenzen. Angesichts der wenig erfreulichen Konjunkturaussichten ist zu noch mehr Vorsicht im Umgang mit Geld geboten. Der allgemeine Konsumdruck und verlockende Werbeaktionen mit „kostenloser“ Finanzierung sollen nicht davon ablenken, dass am Ende des Tages auch gezahlt werden muss.
Einmal mehr fordert Creditreform die Einführung eines Pflichtschulfaches „Finanzbildung“, da das Wissen um Kredit, Zinsen, etc. genauso zur Allgemeinbildung wie Lesen, Schreiben und Rechnen gehört. Nur mündige Bürger sind auch selbstverantwortliche Konsumenten, die sich vor voreiligen Entscheidungen mit finanziellen Folgewirkungen schützen können.

Da keine spürbare Entlastung des Arbeitsmarktes zu erwarten ist, ist auch 2016 mit einem weiteren Zuwachs der Privatinsolvenzen auf erstmals über 10.000 Schuldenregulierungsverfahren zu rechnen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.creditreform.at

 

 

 

 

 

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