11.000 nicht besetzbare Arbeitsplätze in MINT-Berufen entstehen bis 2020
Wels (academia superior) - Es gehört heute zum Lebensalltag, von High-Tech Produkten umgeben zu sein.
Es gibt kaum noch jemanden, der kein Smartphone in der Tasche trägt oder dessen neues Auto nicht moderne Technologien
in sich versammelt. Die voranschreitende Digitalisierung und das Schlagwort Industrie 4.0 zeigen uns bereits heute,
wo die Arbeitsplätze der Zukunft liegen werden: in den sogenannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften
und Technik). Genau in diesen Feldern werden wir, wenn unsere Betriebe bei den Zukunftstechnologien mitmischen
sollen, gut ausgebildete Frauen und Männer brauchen.
Und hier entsteht auch der Engpass, denn es gibt nicht ausreichend junge Menschen, die sich in der Ausbildung und
im Beruf in diesen Bereichen qualifizieren. Der oberösterreichische Fachkräftemonitor prognostiziert,
dass wir in nur fünf Jahren einen Mangel von 11.000 MINT-Fachkräften mit tertiärer Ausbildung in
Oberösterreich haben werden. Anders gesagt: 11.000 vorhandene Arbeitsplätze werden von den Betrieben
nicht besetzt werden können, weil es nicht genügend Technikerinnen und Techniker geben wird. Nimmt man
noch die duale Ausbildung und die HTL-Absolventen dazu, erhöht sich diese Zahl noch einmal deutlich.
Die ACADEMIA SUPERIOR – Gesellschaft für Zukunftsforschung und die Industriellen- vereinigung Oberösterreich
haben sich zusammengetan, um nach Lösungen für diese Problematik zu suchen. Gestern fand dazu eine Veranstaltung
im Welios Science Center in Wels statt.
Woher rührt eine generell vorherrschende Technikskepsis? Wie schaffen mehr Menschen den Schritt vom Technik-User
zum Technik-Erschaffer? Was muss getan werden, um die Bevölkerung allgemein mehr für Technik begeistern
zu können? So lautete dabei die Fragestellung. Denn wie Dr. Axel Greiner, Präsident der IV OÖ, betonte:
„Wir brauchen in allen Ausbildungsbereichen mehr Technikerinnen und Techniker. Von der Lehre über die HTL
bis zur Hochschule. Für jede und jeden Jugendlichen bieten sich in Zukunft in MINT-Berufen enorme Chancen.
Unser bester Hebel dafür ist, wenn wir bereits bei der frühkindlichen Bildung ansetzen und möglichst
früh das Interesse an der Technik wecken.“
Wirtschafts-Landesrat Dr. Michael Strugl, gleichzeitig Obmann von ACADEMIA SUPERIOR, bemerkte dazu, dass sich in
den letzten Jahren zwar erste positive Entwicklungen zeigen – so belegen mehr Studierende an Oberösterreichs
Hochschulen MINT-Fächer als früher –, aber dass dies immer noch nicht ausreiche. Strugl empfiehlt an
drei Punkten anzusetzen: „Erstens müssen wir unser eigenes Potenzial besser ausschöpfen und z.B. Frauen
mehr für Technikberufe begeistern. Zweitens sollten wir dringend in den Lehrplänen – von der Volksschule
bis zur Universität – einiges neu denken. Und drittens sollten wir versuchen, mehr Talente aus dem Ausland
nach Oberösterreich zu holen“.
Ebenfalls in diese Richtung ging die Empfehlung des Physikers em. o.Univ.-Prof. Dr. Erich Gornik, Mitglied des
wissenschaftlichen Beirats der ACADEMIA SUPERIOR. Auch er sah einen wesentlichen Schlüssel für mehr Technikinteresse
bei Kindern und Jugendlichen in einer Umstellung der Lehrkräfte-Ausbildung von MINT-Fächern, um die Qualität
des Unterrichts zu verbessern, und in der gesellschaftlichen Offenheit für ausländische Fachkräfte:
„Wenn die Guten aus dem Ausland zu uns kommen, dann werden auch unsere Leute automatisch mehr Interesse an diesen
Berufen entwickeln“, zeigte sich Gornik überzeugt.
Catharina Paukner, PhD., eine junge Chemikerin aus Oberösterreich, die in Cambridge mit ihrer neu gegründeten
Firma Cambridge Nanosystems an der Produktion von Graphen, einer der Werkstoffe der Zukunft, arbeitet und die in
England als eine der „Bosse, auf die man achten muss“ gilt, betonte: „Junge Leute brauchen vor allem einen begeisternden
Unterricht und positives Feedback. Außerdem muss man sie mit inspirierenden Leuten zusammenbringen. Dann
wird ihr Interesse an Naturwissenschaft und Technik automatisch geweckt“.
Dipl.-Kfm. Curt Michael Stoll, stv. Aufsichtsratsvorsitzender der weltweit im Automatisierungsbereich tätigen
Festo AG, nimmt auch die Betriebe selbst nicht aus der Verantwortung und geht mit gutem Beispiel voran: „Wir nehmen
bei uns im Unternehmen unsere ‚Corporate Educational Responsibility‘ sehr ernst und initiieren Projekte, in denen
unsere Technikerinnen und Techniker mit Jugendlichen zusammenarbeiten. Das bringt die Jugendlichen zum Thema Technik
und gleichzeitig wecken wir ihr Interesse an einer Mitarbeit in unserem Unternehmen“.
Ähnlich auch der oberösterreichische Landesschulinspektor HR Mag. Günther Vormayr: „Die Industrie
und die Wissenschaft sollten nicht immer nur betonen, was alles technisch schon möglich ist, sondern noch
viel mehr sagen, was wir noch nicht können und woran gerade geforscht wird. Die Kinder müssen hören,
dass wir sie dazu brauchen, um genau diese Visionen der Zukunft zu realisieren. Ihr Interesse wecken wir nur, wenn
ihnen die Möglichkeit geboten wird, das zu schaffen, was wir heute noch nicht können“.
Bei der Veranstaltung in Wels konnten zahlreiche namhafte Gäste aus der Wissenschaft und Wirtschaft begrüßt
werden. Unter ihnen Univ.-Prof. Mag Dr. Alois Ferscha (Dekan der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät
an der der JKU), FH-Prof. Mag. Dr. Günther Hendorfer (Dekan der Fakultät für Technik und Umweltwissenschaften
an der FH OÖ), DI Günter Rübig (Vorsitzender des Rats für Forschung und Technologie für
OÖ), Univ.-Prof. Dr. Erich Peter Klement (ehem. Dekan der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät
der JKU und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Academia Superior), FH-Prof. DI Dr. Johann Kastner (Rat
für Forschung und Technologie für OÖ), DI (FH) Stephan Kubinger (Vorstand der IFN Holding), Dr.
Ludwig Andorfer (Aufsichtsrat der Oberbank) und viele mehr.
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