EU-Ausschuss der Länderkammer beschließt einstimmig Subsidiaritätsrüge
Wien (pk) - Eine "rote Karte" in Form einer Subsidiaritätsrüge gab es am 19.01. im EU-Ausschuss
des Bundesrats für den EU-Vorschlag zur Änderung der Richtlinie über Abfälle. Obwohl die Initiative
der EU-Kommission grundsätzlich von allen begrüßt wurde, befürchten die LändervertreterInnen
einen zu großen Eingriff in die Handlungsfähigkeit der Mitgliedsstaaten. In der einstimmig beschlossenen
begründeten Stellungnahme (Subsidiaritätsrüge) drücken sie ihr Bedauern darüber aus, dass
das Niveau der Ambitionen gegenüber dem Paketvorschlag aus dem Jahr 2014 - insbesondere bei den Deponien -
gesunken ist.
Besonders kritisch bewertet der Ausschuss die vorgenommene Definition des Begriffs "Siedlungsabfall",
der bisher national beziehungsweise regional normiert ist. Gemeinsam mit der Einführung eines "Mengenkriteriums"
besteht nach Ansicht des Ausschusses die Gefahr von Unsicherheiten. Denn laut EU-Vorschlag sollen künftig
Abfälle, die nicht aus Haushalten stammen, nur dann als Siedlungsabfall gelten, wenn sie auch in der Menge
mit Haushaltsabfällen vergleichbar sind. Dadurch entstünden Unsicherheiten bei der Abgrenzung, die zu
einem erhöhten Verwaltungsaufwand führen, befürchten die Bundesrätinnen und Bundesräte.
Sie halten auch das Mengenkriterium für den Bioabfall für ungeeignet und meinen, dass sich die Definition
dafür nur auf die Qualität der anfallenden biogenen Abfälle stützen sollte. Die LändervertreterInnen
stoßen sich einmal mehr an der großen Zahl der geplanten delegierten Rechtsakte.
Die Gefahr eines vermehrten Verwaltungsaufwands sieht man auch durch die geplante Berichtslegung, die, je nach
Bestimmung, für jedes Kalenderjahr bzw. alle zwei Jahre erfolgen soll, sowie durch die sogenannten "Korrespondenztabellen",
in denen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden sollen, Punkt für Punkt anzugeben, welche Richtlinienbestimmungen
in welcher Form national umgesetzt wurden.
Das EU-Abfallpaket
Konkret sieht der Richtlinienentwurf unter anderem die Anhebung der Zielvorgaben für die Vorbereitung zur
Wiederverwendung und für das Recycling von Siedlungsabfällen auf 65% bis 2030 sowie von Verpackungsabfällen
vor. Bis 2030 soll die Deponierung von Siedlungsabfällen schrittweise auf 10% begrenzt werden. Ferner geht
es darin um eine stärkere Harmonisierung und Vereinfachung des Rechtsrahmens für Nebenprodukte und neue
Maßnahmen zur Förderung der Vermeidung von Abfällen, einschließlich Lebensmittelabfällen.
Die genannte Richtlinie ist Teil eines Pakets zur Kreislaufwirtschaft, mit dem Ziel, die beträchtlichen Mengen
potenzieller Sekundärrohstoffe, die sich in den Abfallströmen befinden, wieder zu verwerten. Der Wirtschaft
der Union gehen zurzeit beträchtliche Mengen potenzieller Sekundärrohstoffe verloren, die sich in Abfallströmen
befinden. Im Jahr 2013 fielen in der EU insgesamt rund 2,5 Mrd. Tonnen Abfälle an, von denen 1,6 Mrd. Tonnen
nicht wiederverwendet oder recycelt wurden und somit der europäischen Wirtschaft verloren gingen, heißt
es in der Begründung des Pakets. Nach Schätzungen hätten weitere 600 Mio. Tonnen recycelt oder wiederverwendet
werden können. Von den in der Union angefallenen Siedlungsabfällen sei beispielsweise nur ein begrenzter
Anteil (43%) recycelt, der Rest auf Deponien abgelagert (31%) oder verbrannt (26%) worden. Außerdem seien
bei der Abfallbewirtschaftung in der Union große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zu verzeichnen.
Während im Jahr 2011 in sechs Mitgliedstaaten weniger als 3% des Siedlungsabfalls in Deponien verbracht wurde,
waren es in 18 Mitgliedstaaten mehr als 50%, in einigen sogar über 90%.
Das Paket zur Kreislaufwirtschaft umfasst neben jener über Abfälle fünf weitere Richtlinienvorschläge,
die ebenfalls im heutigen EU-Ausschuss zur Diskussion standen. Dazu gehört die Änderung der Richtlinie
über Verpackungen und Verpackungsabfälle, worin es in erster Linie um Recycling geht. Ferner fallen darunter
die geplante Richtlinienänderung über Abfalldeponien und die Richtlinienvorschläge über Altfahrzeuge,
über Batterien und Akkumulatoren sowie Altbatterien und Altakkumulatoren und über Elektro- und Elektronik-Altgeräte.
Die vorliegenden legislativen Änderungen der sechs Abfallrichtlinien beinhalten insbesondere Änderungen
von Begriffsdefinitionen, eine verstärkte Anwendung der Abfallhierarchie und die Anwendung von adäquaten
ökonomischen Instrumenten, wie etwa die Besteuerung der Deponierung und Verbrennung von Abfällen. Vorgeschlagen
werden auch Maßnahmen zur Stärkung der Wiederverwendung von Abfällen, eine grundsätzliche
Verpflichtung zur getrennten Sammlung von Bioabfällen, die Beschränkung der Deponierung von Siedlungsabfällen
auf 10% der erzeugten Abfälle im Jahr 2030 (mit Ausnahmen für einzelne Mitgliedstaaten) und die Anhebung
der Zielvorgaben für die Vorbereitung der Wiederverwendung und für das Recycling von Verpackungsabfällen.
Enthalten sind auch einheitliche Mindestanforderungen für die erweiterte Herstellerverantwortung, die Einführung
eines Frühwarnsystems zur Überwachung der Einhaltung der Recyclingziele sowie Änderung der Berichtspflichten.
Das Ziel stimmt, die Wege dazu sind abzulehnen
Die Subsidiaritätsrüge des Bundesrats wurde nicht nur seitens des Umweltressorts, sondern auch von der
Wirtschaftskammer und dem Vertreter des Salzburger Landtags, Josef Schöchl, begrüßt. Schöchl
und Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) unterzogen vor allem die vorgesehenen delegierten Rechtsakte einer
harschen Kritik. Dies sei demokratiepolitisch bedenklich, sagte Schöchl. Auch der Vertreter der Wirtschaftskammer
warnte vor den angedachten delegierten Rechtsakten, da sie teilweise Kernkompetenzen des Abfallrechts betreffen.
Schöchl betonte zudem, dass Abfälle lokal und regional anfallen und daher auch lokal und regional entsorgt
werden. Der grenzüberschreitende Ansatz geht ihm daher zu weit. Diese Einschätzung teilten auch Heidelinde
Reiter (G/S) und Christoph Längle (F/V). Zielvorgaben der EU seien gut, die Umsetzung sollte im nationalen
Bereich bleiben, meinten sie. Ebenso betonte Stefan Schennach (S/W), dass die Abfallwirtschaft vor allem Kommunen
betreffe.
Die Trennung von Haushaltsabfällen und anderen erachtet er unter anderem auch deshalb für nicht zielführend,
weil dies unter Umständen zu einer Erhöhung der Müllgebühren führen könnte. Schennach
stimmte mit all jenen überein, die meinten, manche Ziele seien nicht ausreichend ambitioniert, weshalb er
sich explizit für die Erhaltung des Ambitionsniveaus insbesondere hinsichtlich der Eindämmung von Deponien
aussprach. Die rasche EU-weite Eindämmung der Deponierung sei eine zentrale Maßnahme für die Steigerung
der Ressourceneffizienz und auch für den Klimaschutz, heißt es seitens des Umwelt-Ressorts. Heidelinde
Reiter (G/S) ortet auch beim Plastikmüll noch viele offene Probleme. Österreich sei nach wie vor schlecht
bei der Müllvermeidung, merkte sie an, ihr fehlen entsprechende Anreize, aber auch entsprechende Rechtsvorschriften.
In der Wirtschaftskammer sieht man manche Quoten hingegen sehr ambitioniert, das vorliegende Paket bewertet die
Wirtschaft positiver als das letzte.
Martin Preineder (V/N) und Ferdinand Tiefnig (V/O) stießen sich besonders an zu vielen Vorschriften. Man
müsste darauf achten, dass die Länder die bereits geltenden Kriterien erfüllen, sagte Tiefnig. Österreich
verfüge über ein gut geordnetes Abfall-Regime, bemerkte Preineder. Was seine Sorgen im Hinblick auf die
Forderung nach der Umsetzung auf den neuesten Stand der Technik betrifft, so meinte die Vertreterin des Umweltressorts,
in Österreich sei der Stand der Technik sehr gut und man müsse ein "Umwelt-Dumping" auf alle
Fälle verhindern.
|