Bürgermeister der Landeshauptstädte in Städtebund-Mediengespräch sehen
Bund gefordert
Wien (rk) - In einem Mediengespräch des Österreichischen Städtebundes in Wien haben Bürgermeisterin
Christine Oppitz-Plörer (Innsbruck), Bürgermeister Heinz Schaden (Salzburg), Bürgermeister Klaus
Luger (Linz) und Bürgermeister Siegfried Nagl (Graz) sowie die zuständige Wiener Sozialstadträtin
Sonja Wehsely am 18.01. ihre Forderungen an den Bund vor dem Asylgipfel am 20.01. formuliert.
Weltweit sind derzeit 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Im Jahr 2015 hat die große Flüchtlingsbewegung
insbesondere aus der Krisenregion Syrien/Irak/Afghanistan verstärkt auch Österreich betroffen: 600.000
Flüchtlinge passierten unsere Grenzen, 90.000 stellten 2015 in Österreich einen Asylantrag. Den Städten
kommt bei der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen eine Schlüsselrolle zu, denn Flüchtlinge
ziehen überwiegend in Städte und städtische Ballungsräume.
Den BürgermeisterInnen ist bewusst, dass eine gute Integrationskultur unerlässlich für den gesellschaftlichen
Zusammenhalt in jeder Gemeinde ist, und unzählige Maßnahmen werden gesetzt, obwohl weder Zuständigkeit
noch Finanzierung durch den Bund und die Bundesländer geklärt sind.
Um auf die Flüchtlingssituation angemessen reagieren zu können, fordern Städte und Gemeinden dringend
Unterstützung von Bundes- und Landesseite. Im Gegensatz zu Deutschland, das der kommunalen Ebene bereits vor
mehreren Monaten budgetäre Mittel für die aktuelle Situation aber auch darüber hinaus zugesagt hat,
fehlen diese in Österreich noch völlig.
Die deutsche Bundesregierung zahlt 670 Euro pro Monat pro Flüchtling an die Städte und Gemeinden, die
durchgehend für die Flüchtlinge zuständig sind. Zusätzliches Geld gibt es für die unbegleiteten
Minderjährigen. Insgesamt will der deutsche Bund den Ländern und Kommunen 1 Mrd. Euro zusätzlich
zur Verfügung stellen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund geht von Langzeitkosten von bis zu 10 Mrd.
Euro aus, wenn der Aufbau der Infrastruktur und Integrationsmaßnahmen finanziell abgedeckt werden sollen.
Folgenden Aufgaben stellen sich Städte und Gemeinden bereits seit Monaten:
Transitflüchtlinge
Flüchtlinge, deren Ziel Deutschland oder ein anderes EU-Land sind, wurden seit September 2015 an den Landesgrenzen
und Bahnhöfen versorgt und in Notquartieren untergebracht. Von insgesamt 600.000 reisten allein 250.000 durch
Wien, 300.000 durch die Stadt Salzburg. Um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, haben Städte, NGOs
und Freiwillige diese Erstversorgung in kurzer Zeit aus dem Boden gestampft, die eigentlich in die Zuständigkeit
des Bundes fällt. Die Notquartiere werden jetzt noch immer für Transitflüchtlinge genützt (in
Salzburg 2.000, Graz 1.500 Plätze, Linz 970 Plätze), andererseits sind Notquartiere durch AsylwerberInnen
belegt, für die es nicht genügend dauerhafte Quartiere von Bund und Ländern gibt (in Wien aktuell
5.100).
Flüchtlinge in Grundversorgung
80.000 Flüchtlinge befinden sich insgesamt im Asylverfahren und erhalten damit Grundversorgung in Österreich.
19.000 davon allein in Wien, 2.100 in Graz, 2.000 in Innsbruck, 1.900 in Linz, 1.800 in der Stadt Salzburg und
1.600 Personen in Klagenfurt, 333 in Bregenz und 255 in Eisenstadt. Dabei sind in Wien rund 44 Prozent der AsylwerberInnen
privat untergebracht, 56 Prozent in organisierten Unterkünften.
Unbegleitete Minderjährige
Stark gestiegen ist auch die Anzahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF), deren Unterbringung
und Betreuung für die Städte personell und finanziell intensiv ist. So werden unbegleitete Kinder an
Pflegefamilien vermittelt oder in kleinen betreuten Wohneinheiten durch die Jugendämter vertreten und betreut.
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: 6.306 (Österreich), 862 (Wien), 620 (Graz), 229 (Linz),
55 (St. Pölten), 37 (in Bregenz). Zum Vergleich: Im Jänner 2015 waren in Wien 199 unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge in Betreuung.
Anerkannte Flüchtlinge
Asylberechtigte müssen binnen 4 Monaten nach erfolgter Anerkennung die Grundversorgungsquartiere verlassen.
Die Mehrzahl zieht anschließend in Städte und Ballungsräume, um Arbeit, Ausbildung und Kontakte
zu finden, das zeigen Daten über den Bezug der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS), das Phänomen
ist auch aus der Migrationsforschung hinlänglich bekannt. Allein nach Wien ziehen zwei Drittel aller Personen
mit positivem Asylbescheid.
78 Prozent aller asylberechtigten BMS-BezieherInnen des Bundeslandes Salzburg leben in der Stadt Salzburg. Städte
und Gemeinden finanzieren die Sozialleistungen, insbesondere die Mindestsicherung, über Umlagen zu einem großen
Teil mit.
Integration
Nimmt man an, dass bei 90.000 Asylanträgen (2015) und geschätzten weiteren 120.000 Flüchtlingen
2016 rund die Hälfte einen positiven Asylbescheid erhält, so sind von der kommunalen Ebene zusätzlich
Ressourcen für rund 100.000 Menschen bereitzustellen – noch ohne den zu erwartenden Familiennachzug. Dies
wäre entsprechend der EinwohnerInnenzahl die fünftgrößte Stadt in Österreich. Wohnraum,
Kindergärten, Schulplätze, Hortbetreuung, Deutschkurse und Weiterbildung, die gesamte kommunale Infrastruktur
muss daher zur Verfügung gestellt und finanziert werden.
Integrationsleistungen, Niederlassungsbegleitung, Orientierung und Arbeitsmarktförderung für 100.000
neue BürgerInnen sind eine Herausforderung für alle Städte und Gemeinden. Muttersprachliche Orientierungsgespräche,
Basisinformation, Ämterbegleitung und Ausdehnung der Arbeit der Integrationsdienststellen bedeuten steigenden
Bedarf an Personal, Schulungen, DolmetscherInnen und vieles mehr. Auch die finanzielle und organisatorische Unterstützung
von Integrationsprojekten, Integrationsveranstaltungen, Vermittlung und Mediation, zusätzliches Personal im
Bereich Soziales und Integration, Kinder- und Jugendarbeit, Dolmetsch, verursachen zusätzliche Kosten.
Sprache
Das Thema Deutschunterricht betrifft alle Städte und Gemeinden bereits in der Grundversorgung, während
die AsylwerberInnen noch in der Zuständigkeit des Bundes sind. Städte und Gemeinden behelfen sich entweder
mit Freiwilligenarbeit oder bezahlen professionelle Deutschkurse – auch hier füllen sie eine Lücke, die
weder der Bund, noch die Länder entsprechend der realen Dimension adressieren.
Forderungen an Bund und Länder
- Die Informationen von Seiten des
Bundes sind insgesamt völlig unzureichend. Es fehlt an Zahlen, Daten, Fakten und einer übergeordnete
Strategie, wie mit dem Thema Flüchtlinge auch in den kommenden Monaten umgegangen werden kann. Eine direkte
Kommunikation mit den Städten ist unbedingt erforderlich.
- Klare politische Anerkennung und Unterstützung der Leistungen der Städte
und Gemeinden im Bereich von Integration und Unterbringung von Flüchtlingen
- Einheitliche, transparente Finanzierung dieser Leistungen
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