Die Quanten machen es möglich: An der TU Wien wurde untersucht, warum sich bestimmte Gase
viel weiter abkühlen lassen, als man nach den klassischen Gesetzen der Physik erwarten würde.
Wien (tu) - Wenn man kalte Milch in heißen Kaffee gießt, stellt sich rasch ein Temperaturgleichgewicht
ein. Es kommt zu Wechselwirkungen zwischen Milchtröpfchen und Kaffeepartikel und nach kurzer Zeit haben beide
dieselbe durchschnittliche Energie. Diesen inneren Temperaturausgleich bezeichnet man als „Thermalisierung“. Sie
spielt auch beim Abkühlen ultrakalter Gase eine wichtige Rolle. Erstaunlicherweise lassen sich aber auch Gase
abkühlen, bei denen dieser Effekt eigentlich unterdrückt ist. An der TU Wien untersuchte man das genauer
und stellte fest, dass es sich um eine spezielle, quantenphysikalische Form der Kühlung handelt.
Fort mit den heißen Teilchen!
„Die einzelnen Teilchen in einer Flüssigkeit oder in einem Gas haben unterschiedlich viel Energie“, erklärt
Prof. Jörg Schmiedmayer vom Atominstitut der TU Wien. Wie diese Energien verteilt sind, hängt von der
Temperatur ab. Je heißer das Gas, umso häufiger kommen Teilchen mit höheren Energien vor. Daher
kann man beim Abkühlen von sehr kalten Gasen einen einfachen Trick benutzen: Mit elektromagnetischen Feldern
entfernt man immer wieder die Teilchen mit der höchsten Energie, die anderen mischen sich, und es stellt sich
wieder eine typische Energieverteilung ein – diesmal aber bei etwas niedrigerer Temperatur.
„Das ist so ähnlich, wie beim Kaffee, wenn man sanft in die Tasse bläst, um ihn zu kühlen“, erklärt
Bernhard Rauer, der die Experimente in der Forschungsgruppe von Jörg Schmiedmayer durchgeführt hat. „Die
Teilchen mit der höchsten Energie schaffen es, die Flüssigkeit zu verlassen und werden weggeblasen. Im
restlichen Kaffee stellt sich schnell wieder ein Gleichgewicht bei einer niedrigeren Temperatur ein.“
Newtonpendel und Teilchenstöße
Es gibt allerdings Fälle, in denen sich niemals eine thermische Temperaturverteilung einstellen kann. Beim
sogenannten Newtonpendel hängt man mehrere Metallkugeln in einer geraden Linie auf, sodass sie einander berühren.
Wenn man die erste Kugel auslenkt und auf die anderen prallen lässt, wird die letzte Kugel auf der anderen
Seite der Kugelreihe weggestoßen, die übrigen Kugeln bewegen sich nicht. „In diesem Fall können
die Kugeln also bloß Energien tauschen, es stellt sich keine thermische Verteilung verschiedener Energien
ein“, erklärt Bernhard Rauer.
Bernhard Rauer untersuchte an der TU Wien ein ganz ähnliches System: Ein eindimensionales Gas aus Atomen,
die von einer elektromagnetischen Falle in einer Reihe festgehalten werden. Sie können bloß ihre Energien
tauschen, wie die Kugeln beim Newtonpendel. Man müsste daher erwarten, dass der Kühlmechanismus, bei
dem man einfach einzelne Teilchen aus dem Gas entfernt, dort versagt. Denn sobald die schnellsten Teilchen entfernt
sind, dürfte es in diesem vereinfachten Modell nie wieder schnelle Teilchen geben. Wenn unter den Kugeln im
Newtonpendel eine bestimmte Energie nicht mehr vorkommt, wird auch nie wieder eine Kugel genau diese Energie annehmen.
Erstaunlicherweise verhält es sich mit dem eindimensionalen Gas aber anders. Es lässt sich durch fortdauernde
Entfernung von Teilchen abkühlen – und zwar viel weiter, als man mit dem einfachen Bild langsamer und schnellerer
Teilchen erklären kann.
Wellen statt Teilchen
Das liegt daran, dass man das Temperaturverhalten der Teilchen nur quantenmechanisch verstehen kann. „Es geht nicht
darum, dass wie beim Newtonpendel zwei Teilchen zusammenstoßen, man muss stattdessen kollektive Anregungen
betrachten, die sich auf viele Teilchen verteilen – so wie eine Wasserwelle, an der auch viele Wassermoleküle
gleichzeitig beteiligt sind“, sagt Jörg Schmiedmayer. In diesen Quantenwellen ist die Energie des Systems
gespeichert, und je mehr Teilchen man aus dem System entfernt, umso kleiner werden die Wellen. Somit hat man auf
quantenphysikalische Weise einen Kühlungsmechanismus, den es nach dem bisherigen Verständnis gar nicht
geben dürfte.
„Für uns ist entscheidend, dass sich das Gas mit sinkender Temperatur immer quantenmechanischer verhält“,
sagt Jörg Schmiedmayer. „Das ist spannend, denn genau das wollen wir erreichen: Oft untersucht man im Labor
Quantensysteme, die nur aus wenigen Teilchen bestehen – zum Beispiel ein Atom mit ein paar Elektronen. Wir haben
hier aber ein System, das sich quantenphysikalisch verhält und aus tausenden Atomen besteht.“
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