Nationalrat diskutiert über Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers zur
Regierungsumbildung
Wien (pk) - Auch wenn die kommende Bundespräsidentenwahl am 24. April Ursache für die Rochade
in der Bundesregierung ist, war diese in der Plenardebatte vom 27.01. kein Thema. Vielmehr nützten die Abgeordneten
die Erklärung von Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner im Zuge der Regierungsumbildung
dazu, Bilanz über die bisherige Regierungspolitik aus der jeweiligen parteipolitischen Sicht zu ziehen bzw.
über aktuelle Herausforderungen du diskutieren.
Die Regierungsumbildung war notwendig geworden, weil der SPÖ-Kandidat für die Hofburg, Rudolf Hundstorfer,
sein Amt als Sozialminister zur Verfügung gestellt hat. Ihm folgt der bisherige Verkehrs- und Infrastrukturminister
und ehemalige Gesundheitsminister Alois Stöger nach. Dessen Ressort hat Gerald Klug, vor kurzem noch Verteidigungsminister,
übernommen. Das Bundesheer hat mit Hans Peter Doskozil, Landespolizeidirektor des Burgenlands, seit gestern
einen neuen Chef.
Die SPÖ, allen voran Bundeskanzler Faymann, streute dem ausgeschiedenen Sozialminister Rudolf Hundstorfer
Rosen. Er habe sieben Jahre lang das Ressort mit ruhiger Hand, Engagement und Sachverstand geführt und sei
immer um den sozialen Ausgleich bemüht gewesen, betonte Faymann. Vizekanzler Mitterlehner hob insbesondere
als Wirtschaftsminister die gute Zusammenarbeit mit Hundstorfer hervor. Seinen Worten war aber eine leise Kritik
zu entnehmen, die später von ÖVP-Klubobmann Lopatka verstärkt wurde. Wesentliche Strukturprobleme,
wie Pensionen, Arbeitsmarkt und Kostenexplosion bei der Mindestsicherung, seien hinausgeschoben worden, so Lopatka.
Andreas Schieder (S) und viele seiner KlubkollegInnen strichen hingegen hervor, Hundstorfer habe aktiv den Problemen
gegengesteuert.
Unterschiedliche Bilanz der bisherigen Regierungspolitik
Während SPÖ und ÖVP den neuen Minister, bzw. die alten Minister in neuer Funktion begrüßten
und deren bisherige Tätigkeiten positiv herausstrichen, sah dies die Opposition naturgemäß anders.
FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache meinte, die beste Regierungsumbildung wären ein Rücktritt
der Regierung und Neuwahlen gewesen. Peter Pilz von den Grünen stellte aus seiner Sicht fest, Bundeskanzler
Faymann habe seine letzte Chance verspielt. Er habe einen politischen Ausgleich geschafft, dem der Konkurs folgen
werde, prognostizierte er. Matthias Strolz (N) wiederum hält den willkürlich scheinenden Wechsel von
einem Ministerium zum anderen als einen höchst fragwürdigen Vorgang und vermisste allgemein Reformbereitschaft
in der Bundesregierung. Auch Christoph Hagen kritisierte seitens des Team Stronach die bisherige Arbeit der Regierung
scharf.
Dem neuen Verteidigungsminister brachte die Opposition weitgehend einen Vertrauensvorschuss entgegen, die Grünen
jedoch halten seine ersten Aussagen, Präsenzdiener in den Flüchtlingsdienst an die Grenze zu schicken,
für einen Fehlstart.
Regierungsumbildung betrifft Schwerpunkte der Regierungsarbeit
Bundeskanzler Werner Faymann strich besonders die Sachkompetenz und Kooperationsbereitschaft von Bundesminister
Alois Stöger hervor - Eigenschaften, die im Sozialressorts eine wesentliche Voraussetzung darstellen. Auf
die Herausforderungen des Sozialministers machte insbesondere Vizekanzler Reinhold Mitterlehner aufmerksam, wobei
er explizit die negative Entwicklung am Arbeitsmarkt und die Sicherung der Daseinsvorsorge nannte.
Laut Mitterlehner betrifft die Regierungsumbildung drei Schwerpunkte der Regierungstätigkeit, denn neben sozialer
Sicherheit gehe es auch um die Konkurrenzfähigkeit. Die Zukunft liege nicht im Lohnwettbewerb, sondern in
der Wissensgesellschaft, und in diesem Zusammenhang komme Forschung und Entwicklung und der Infrastruktur besondere
Bedeutung zu, sagte Mitterlehner. Eine konkurrenzfähige Wirtschaft wiederum sei Voraussetzung, um Sozialsysteme
und Arbeitsplätze abzusichern, unterstrich er in Richtung des neuen Infrastrukturministers Gerald Klug. Diese
Sicht teilte auch der Bundeskanzler, der Klug vor allem attestierte, die Zusammenarbeit in den Vordergrund zu stellen.
SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder meinte, in diesem Arbeitsbereich werde über das wirtschaftliche Rückgrat
Österreichs entschieden.
Einig war sich die Regierungsspitze auch in der positiven Bewertung der bisherigen Tätigkeit und Kompetenz
von Neo-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil. Er sei ein Mann mit Hausverstand, Herz und Menschlichkeit, der
schwierige Situationen in Ruhe und Konsequenz bewältige und Ordnung schaffe, umschrieb der Regierungschef
die Persönlichkeit seines neuen Ministers. Doskozil lasse niemanden im Stich und kenne die Aufgabe der Grenzsicherung
sehr genau. Ähnlich die Worte Mitterlehners, der den neuen Minister als umsichtigen Manager charakterisierte.
Doskozil habe bewiesen, dass er mit ruhiger Hand agiere, und dass sei besonders in der Flüchtlingsfrage eine
wichtige Eigenschaft. In diesem Bereich gehe es nicht nur um das Grenzmanagement, sondern auch darum, dass man
den großen Zustrom an Flüchtlingen nicht ad infinitum fortsetzen könne, denn das sei auch eine
Frage der Kapazität und der inneren Gegebenheiten.
Schieder: Verteidigungsministerium ist Schlüsselfaktor bei der Bewältigung der Migrationswelle
ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka wertete das Verteidigungsressorts als einen Schlüsselfaktor bei der Bewältigung
der Migrationswelle und ortete positive Signale seitens des neuen Ministers, der der Innenministerin Unterstützung
zugesagt habe. "Wir brauchen eine enge Zusammenarbeit, um die Ergebnisse des Asylgipfels umzusetzen",
stellte Lopatka fest. Der 35tausend-erste Asylwerber werde kein Asyl bekommen.
Auch Andreas Schieder (S) setzt darauf, dass Doskozil den bisher an den Tag gelegten pragmatischen, administrativen
und lösungsorientierten Zugang beibehält. Der neue Minister werde auch die Reform des Bundesheeres weiter
abschließen müssen, und im Sportressorts gehe es um einen vernünftigen Mix zwischen Breite und
Spitze. Was die Aufgabe des Sozialministers betrifft so unterstrich Schieder die Notwendigkeit, auch in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten ein Höchstmaß an sozialer Sicherheit zu gewährleisten. Im Hinblick auf die Pensionen
warnte er vor einer Verunsicherung.
Lopatka: Hundstorfers Erbe – "a schware Partie"
Von einer "schwaren Partie" sprach hingegen sein Konterpart im ÖVP-Klub Reinhold Lopatka im Hinblick
auf Hundstorfers Erbe. Wichtige Bereiche des Ressorts befinden sich ihm zufolge in einem schlechten Zustand, -
Lopatka nannte dabei die Kostenexplosion bei der Mindestsicherung, das dringend reformbedürftige Pensionssystem
und den reformbedürftigen Arbeitsmarkt. Die Mindestsicherung müsse gedeckelt werden, sagte Lopatka und
forderte den neuen Sozialminister auf in diesem Zusammenhang mit den Ländern eine Lösung zu finden.
Strache: Neuwahlen wären bessere Regierungsumbildung
Weniger positiv bewertete die Opposition die Regierungsumbildung. FPÖ-Klubobmann Heinz Christian Strache wollte
keinen Optimismus aufkommen lassen und sprach sich angesichts der negativen Entwicklung für Neuwahlen aus.
Strache kritisierte insbesondere die hohe Steuerbelastung, die unbewältigte moderne Völkerwanderung und
unkontrollierte Massenzuwanderung, die zu einer hohen Kostenbelastung und Gefährdung der Sicherheit führe.
Die Verantwortung dafür könne man nicht an die Außengrenzen abschieben, stellte er fest. Es habe
in der Vergangenheit keine ernst zu nehmenden Reformen gegeben, so Strache, der auch dem ausgeschiedenen Sozialminister
Hundstorfer kein gutes Zeugnis ausstellte. Dieser sei ein notorischer Realitätsverweigerer und habe die Verdrängungsprozesse
am Arbeitsmarkt forciert.
Die Regierungsumbildung bezeichnete er als eine Rochade von einem Ministerium zum anderen. Die Minister Stöger
und Klug stehen seiner Ansicht nach für ein systematisches Scheitern. Positive Worte fand Strache lediglich
für Verteidigungsminister Doskozil, der gezeigt habe, auf Basis der politischen Beschlüsse die Herausforderungen
managen zu können. Die Schuld treffe allein Faymann, es sei abzuwarten, ob der neue Minister einen Kurswechsel
in seinem Ressorts vornimmt.
Pilz: Regierung fehlt Gestaltungswille
Als größtes Problem der Bundesregierung ortete Peter Pilz von den Grünen den mangelnden Gestaltungswillen.
Die Betrauung der Minister Stöger und Klug mit neuen Aufgaben kommentierte er deshalb auch mit der Frage an
den Bundeskanzler: "Was haben Sie sich dabei gedacht?". Bundesminister Stöger hält er für
einen ausgezeichneten Verwalter, das sei aber zu wenig für die Aufgabe des Sozialministers, der mit einer
hohen Armutsgefährdung und großen Einkommenseinbußen der unteren Einkommensschichten konfrontiert
sei.
Pilz wollte auch nicht verstehen, dass man einen seiner Meinung nach gescheiterten Verteidigungsminister an die
Spitze des Infrastrukturministeriums setzt. Klug habe weder die Wehrpflicht reformiert, noch die Kasernen saniert,
so Pilz, der auch den Grabenkampf zwischen Generalstab und Kabinett sowie die schlechte Zusammenarbeit mit dem
Innenministerium thematisierte.
Dem neuen Verteidigungsminister Doskozil attestierte Pilz eine ausgezeichnete und hochkompetente Arbeit als Polizeibeamter.
Dessen Aussagen, Präsenzdiener im Rahmen des Flüchtlingsdiensts an die Grenze zu schicken und den Wehrdienst
zu verlängern, kritisierte Pilz jedoch heftig. In einer Reaktion darauf erinnerte Doskozil an den Assistenzeinsatz
an der ungarischen, tschechischen und slowakischen Grenze, wo auch Grundwehrdiener eingesetzt waren. Selbstverständlich
müssen man die Betreffenden entsprechend vorbereiten und ausbilden, sagte er, und er würde nur geeignete
Personen in einen solchen Einsatz schicken.
Strolz erwartet sich echte sicherheitspolitische Diskussion
Matthias Strolz, Klubobmann der NEOS, listete in seinem Redebeitrag vor allem die Herausforderungen an die drei
Minister auf. Vom Verteidigungsminister erwartet er sich eine echte sicherheitspolitische Diskussion. Er warnte
zudem Sozialminister Stöger, das Thema "Pensionen" auszuklammern. "Wir brauchen einen Modellwechsel
und neue Mechanismen", sagte Strolz. Schließlich forderte er vom Infrastrukturminister, mehr für
den Wirtschaftsstandort zu tun.
Hagen: Doskozil tritt schweres Erbe an
Doskozil trete ein schweres Erbe an, diagnostizierte Christoph Hagen (T) die Situation des Bundesheeres. Der Vorgänger
im Amt habe das Bundesheer an die Wand gefahren. Auch konnte er der siebenjährigen Tätigkeit Hundstorfers
als Sozialminister nur wenig Positives abgewinnen. Hagen wies in diesem Zusammenhang auf die hohe Arbeitslosenrate
hin.
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Doskozil: Humanismus und Rechtsstaatlichkeit wichtige Aspekte in Asylpolitik
Für den neuen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil ist die Sicherheit das wichtigste Thema, das innerhalb
der Regierung und auch in der Zusammenarbeit mit dem Parlament angegangen werden muss. Er wiederholte sein Bekenntnis
zu einer bestmöglichen Kooperation mit dem Innenministerium, wobei er in der Asylpolitik nachdrücklich
den Aspekt des Humanismus und der Rechtsstaatlichkeit herausstrich. Die Beschlüsse des Asylgipfels verteidigte
Doskozil mit dem Hinweis, dass drei Staaten nicht die ganze Last der Flüchtlingsströme bewältigen
können. Die Evaluierung der Strukturreform des Heeres ist für den neuen Ressortchef unumgänglich,
da sich auch die Rahmenbedingungen geändert haben.
Mit seinen Worten stieß der Minister auf ein breites positives Echo. Doskozil sollte die Humanität noch
höher hinaufhängen, knüpfte Georg Willi (G) an die Aussagen des Ministers an. Bernd Schönegger
(V) meinte, das Heer brauche eine Schubumkehr, damit dessen Leistungsfähigkeit nicht in wenigen Jahren dramatisch
einbricht. Schönegger unterstützte auch die Aussagen Doskozils zur Wehrpflicht. Vieles in der Vergangenheit
ist nicht so gelaufen, wie es notwendig sei, räumte der ÖVP-Mandatar ein.
Auch Reinhard Eugen Bösch (F) und Rainer Hable (N) sprachen davon, dass Doskozil ein schweres Erbe antrete.
Seine Vorgänger hätten das Bundesheer an den Abgrund geführt, sagte Bösch und setzte Erwartungen
in die neuen Ideen des Ministers. Er griff das Sicherheitsthema auf und meinte, was sich in dieser Hinsicht die
Regierung geleistet habe, sei kein Ruhmesblatt. In diesem Sinne forderte er, die Struktur des Bundesheeres zu erhalten,
das Verteidigungsbudget zu erhöhen und das Bundesheer als Arbeitgeber attraktiver zu gestalten, etwa durch
bessere Gehälter.
Obwohl die NEOS den Ministerwechsel im Verteidigungsressort begrüßen, äußerte Rainer Hable
Zweifel, ob sich das Blatt tatsächlich zum Besseren wendet. Das Bundesheer müsste sich auf die militärische
Landesverteidigung konzentrieren, meinte Hable, nicht zu dessen Aufgaben gehöre, Skipisten zu planieren, Gulaschkanonen
zu betreiben, Zelte aufzustellen oder einen Wettbewerb mit dem Innenministerium zu veranstalten, wer die längsten
und schönsten Zäune baue. Hable bezweifelte, dass das Bundesheer für den Assistenzeinsatz über
ausreichend Ressourcen verfügt. Man brauche einen Minister, der hinter dem Heer und zum Heer stehe und der
für eine gemeinsame europäische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik eintritt, fasste Hable seine Erwartungen
zusammen.
Doskozil: Sport als Gesundheitsvorsorge positionieren
Doskozil ist aber nicht nur Verteidigungsminister, sondern auch Sportminister und in diesem Aufgabenbereich unterstrich
er die Notwendigkeit einer ausreichenden Sportförderung und der Unterstützung des Spitzensports. Er will
auch den Breitensport attraktiver gestalten und diesen als Gesundheitsvorsorge positionieren.
Diese Aussage griff Johannes Rauch (V) auf und ersuchte den Minister, sich besser mit dem Gesundheits- und Bildungsressort
zu vernetzen. Rauch strich besonders die Vorbildwirkung des Sports hervor und trat für ein ausreichendes Bewegungsangebot
für Kinder und Jugendliche ein.
Stöger: Arbeit und Soziales sind Herzstück der Politik
Als ein Herzstück der Politik bezeichnete Sozialminister Alois Stöger seinen neuen Aufgabenbereich. Für
Arbeit und Soziales seien aber nicht nur der Sozial- und Wirtschaftsminister zuständig, die bestehenden Probleme
könnten nur gemeinsam gelöst werden, sagte er. Große Sorgen bereitet ihm die hohe Arbeitslosigkeit
und die stockende Konjunktur, welche sozial, wirtschaftlich und gesellschaftlich eine Katastrophe darstellen. In
Richtung der Kritiker des gegenwärtigen Pensionssystems unterstrich Stöger die Notwendigkeit, das Umlageverfahren
beizubehalten. Dieses habe sich in 60 Jahren bewährt, das habe auch die Finanzkrise gezeigt. Stöger rief
dazu auf, sich gemeinsame Ziele zu setzen und warnte davor, blind zu kürzen. Notwendig sei es, von der Arbeit
leben zu können, ferner dass alle Jugendlichen einen Arbeitsplatz haben, dass niemand im Alter an Armut leiden
muss und dass der Sozialstaat von allen getragen wird.
Die Abgeordneten der SPÖ setzen große Hoffnungen in den neuen Sozialminister. So würdigte Josef
Muchitsch (S) die Arbeit Stögers als Infrastrukturminister, der damals bereits freiwillig das Bestbieter-Prinzip
durchgesetzt habe. Ein effektiver Konsumentenschutz, ein leistbares Leben und Verbesserungen beim Privatkonkurs
waren Anliegen, die Angela Lueger (S) dem neuen Sozialminister vorlegte.
"Wir müssen darauf achten, dass das Sozialsystem nicht aus dem Ruder läuft", betonte August
Wöginger (V) in Richtung des Sozialministers und ortete vor allem bei der Mindestsicherung dringenden Handlungsbedarf.
Angesichts von Protesten aus den Reihen der SPÖ und der Grünen forderte er dazu auf, der Realität
ins Auge zu sehen, um das System weiter finanzieren zu können. Judith Schwentner (G) kritisierte die Forderung
Wögingers besonders scharf und warnte davor, mit solchen Einschnitten die Schere zwischen Arm und Reich weiter
aufzumachen.
Das Pensionsproblem schnitt wie bereits Klubobmann Strolz (N) auch NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker an. OECD, Währungsfond
und EU-Kommission seien zum Schluss gekommen, dass das Pensionssystem schrottreif sei, formulierte Loacker und
rief zu einem Umbau des Systems und zu einem Kulturwandel auf. Der SPÖ und ihrem ehemaligen Sozialminister
Hundstorfer warf er vor, wie VW beim Abgas-Skandal vorzugehen, nämlich Statistiken zu schönen und falsche
Zahlen vorzulegen. Auch ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka sah großen Reformbedarf bei den Pensionen. Ebenso
räumte SPÖ-Sozialsprecher Muchitsch ein, dass bei den Pensionen viel zu reparieren sei. Er ließ
jedoch keinen Zweifel aufkommen, dass die Reformbestrebungen seiner Fraktion in eine andere Richtung gehen, als
jene der ÖVP und der NEOS.
Wenig Vertrauen bringt die FPÖ dem neuen Sozialminister entgegen. Dagmar Belakowitsch-Jenewein kritisierte
dessen Politik als Gesundheitsminister und monierte, dass es unabhängig vom Migrationsstrom große Probleme
am Arbeitsmarkt gebe. Außerdem seien die Menschen mit einem Reallohnverlust konfrontiert. Belakowitsch-Jenewein
thematisierte auch den Plan der Bank Austria kritisch, die Firmenpensionen auf das ASVG übertragen zu wollen
und damit einen Kostenzuwachs für die staatliche Versicherung von sieben Millionen Euro in Kauf zu nehmen.
Nutznießer dabei sei nicht nur die Bank Austria, sondern offensichtlich auch die Stadt Wien, sagte sie unter
Hinweis auf einen möglichen Pensions-Deal zwischen der SPÖ Wien und dem Sozialministerium.
Seitens der Grünen erging an Stöger die Forderung, die neuen Herausforderungen durch Migration, neue
Technologien und niedriges Wirtschaftswachstum in Angriff zu nehmen. Judith Schwentner (G) rief dazu auf, eine
ernsthafte und breite Debatte im Interesse des sozialen Friedens und der Gerechtigkeit zu führen. Ihre Klubkollegin
Birgit Schatz (G) konkretisierte die Vorstellungen ihrer Fraktion und wies auf die Veränderungen in der Arbeitswelt
durch die Digitalisierung und Globalisierung hin. Diese Entwicklung erfordere neue Rahmenbedingungen, denn das
geltende Arbeitsrecht werde ausgehöhlt. Ihr Anliegen ist es auch, die Ausbildungspflicht für Jugendliche
mit Schwierigkeiten zügig voranzutreiben und zu verbessern. Außerdem hält sie es für unumgänglich,
die bezahlte Arbeit anders zu verteilen, sprich die Arbeitszeiten systematisch zu verkürzen. Grundsätzlich
wünschte sie Stöger viel Durchsetzungskraft gegen die ÖVP und die Sozialpartner.
Klug: Infrastrukturministerium maßgeblicher Player für den Industriestandort
Er wolle an die neue Aufgabe mit viel Leidenschaft und Engagement herangehen, versicherte der neue Verkehrs- und
Infrastrukturminister Gerald Klug. Sein Ministerium sei ein maßgeblicher Player für den Industriestandort
und eine Lebensader für das Funktionieren der Wirtschaft. Durch Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur
könne der erreichte Wohlstand abgesichert werden, sagte Klug und nannte konkret den Ausbau der Glasfaserleitungen
mit dem Ziel, allen einen Internetzugang mit hoher Geschwindigkeit zur Verfügung zu stellen.
Dieser Einschätzung schlossen sich Anton Heinzl und Philip Kucher (beide S) an. Der Breitbandausbau trage
zur Chancengleichheit zwischen Stadt und Land bei, Österreich finde sich dabei auf gutem Weg, zeigte sich
Kucher überzeugt. Eva-Maria Himmelbauer von der ÖVP unterstrich die Bedeutung der Digitalisierung für
den Standort, indem sie die Ideen der Jungen ÖVP für ein digitales Österreich präsentierte.
Es bedürfe großer Anstrengungen, um vom "Innovation-Follower" zum "Innovation-Leader"
zu kommen, begründete sie ihren Druck nach umfassenden Antworten in diesem Bereich.
Die Milliardeninvestitionen sorgen für Wachstum und Beschäftigung, unterstrich Anton Heinzl (S) und freute
sich, dass durch die Modernisierung der Schiene Österreich Bahnland Nummer eins geworden ist. Als weitere
wichtige Themen bezeichnete er die Verkehrssicherheit, das Schließen von Lücken im österreichischen
Straßensystem, die Attraktivierung der Wasserstraße und die Luftfahrt. Ähnlich äußerte
sich Andreas Ottenschläger (V), der zudem entsprechende Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung
und die Forcierung der Elektromobilität einforderte. Ottenschläger rief dazu auf, das Ressort, das er
als wichtiges Wirtschafts- und Zukunftsressort bezeichnete, wirtschaftlich zu führen und darüber nachzudenken,
wie man Projekte finanziert, um den nächsten Generationen einen nicht noch größeren Schuldenberg
zu hinterlassen.
Viele Baustellen im Infrastrukturministerium ortete Gerhard Deimek von der FPÖ. So sprach er im Zusammenhang
mit der ÖBB die Probleme des schaffnerlosen Betriebs, die mangelnde Ausbildung der Lokführer und Fälle
schwerer Alkoholisierung im Dienst an. Er forderte eine Abschaffung der Fluggast-Abgabe und bei der ASFINAG straffere
Verfahren und die raschere Rückzahlung von Schulden anstelle der Auszahlung von Dividenden. Auch der Grüne
Verkehrssprecher Georg Willi befasste sich mit der Bahn, die für ihn das wichtigste Elektrofahrzeug ist. Er
begrüßte zwar die Investitionen, doch würden diese Schwerpunktmäßig im Fernverkehr getätigt.
Das Ressort müsse die Situation auch aus der Brille jener sehen, die fast täglich unterwegs sind. Grundsätzlich
machte Willi darauf aufmerksam, dass der Verkehr Umweltsünder Nummer eins ist.
Anträge der Opposition abgelehnt
Carmen Schimanek (F) und Johannes Rauch (V) machten sich schließlich für die Lösung der Verkehrsprobleme
auf der A12 bei Kufstein stark. Der Antrag Schimaneks hinsichtlich einer vorübergehenden Aussetzung der Vignettenpflicht
auf der A12 für den Abschnitt Staatsgrenze bei Kufstein bis Kufstein Süd fand jedoch nicht die erforderliche
Mehrheit. In einer namentlichen Abstimmung votierten von 152 abgegebenen Stimmen 47 MandatarInnen dafür und
105 dagegen.
In der Minderheit blieben auch die anderen Entschließungsanträge der Opposition. So legten Robert Lugar
(T) und Gernot Darmann (F) einen Antrag zum nationalen Schulterschluss zum Schutz Österreichs in der Flüchtlingskrise
vor. Christoph Hagen (T) forderte eine etappenweise Erhöhung des Verteidigungsbudgets und Dagmar Belakowitsch-Jenewein
(F) drängte auf Offenlegung des Bank Austria-Pensionsdeals zwischen SPÖ-Wien und dem Sozialministerium.
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