WissenschafterInnen der Uni Graz klären, wie Cholera-Erreger zu Nahrung kommt
Graz (universität) - Der Krankheitserreger Vibrio cholerae schnappt im menschlichen Darm den anderen
Bakterien die Nahrung weg, um sich massiv vermehren zu können. Wie ihm das gelingt, hat das Team um Assoz.
Prof. Dr. Stefan Schild vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Uni Graz in Zusammenarbeit mit amerikanischen
WissenschafterInnen entschlüsselt. Die Erkenntnisse beider Arbeitsgruppen wurden als Titelgeschichten in der
Feber-Ausgabe des Journals Molecular Microbiology veröffentlicht.
Infiziert sich ein Mensch mit Cholera, bringt der Krankheitserreger Darmzellen zum Absterben. Diese toten Zellen
entleeren unter anderem ihre DNA in den Darm, wo diese von Vibrio cholerae in ihre Bausteine, so genannte Nukelotide,
zerlegt wird. „Die Nukleotide enthalten Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphate und damit die drei wichtigsten organischen
Nährstoffe“, erklärt Schild. „Damit sind sie ein gefundenes Fressen für Cholera-Bakterien.“ Auch
andere Darmbakterien können sich von den DNA-Bausteinen ernähren, aber nicht so schnell und nicht so
gut.
Viel hilft viel
Die Cholera-Erreger verfügen etwa über gleich drei Enzyme statt nur eines, um die Phosphate aus den Nukleotiden
abspalten zu können, wie das amerikanische Team herausfand. Weiters sind sie der bislang einzige bekannte
Organismus mit drei Aufnahmesystemen für Nukleoside – so nennt man die Nukleotide, wenn die Phosphate bereits
abgespalten sind. Diese Erkenntnisse der ForscherInnengruppe legen den Grundstein für neue Therapiemöglichkeiten
bei Cholera-Infektionen.
Die Krankheitserreger leben in Wasser, wo ihnen wenig Nährstoffe zur Verfügung stehen. Werden sie von
Menschen über Speisen oder Getränke aufgenommen, können sie sich im Darm massiv vermehren. „Die
Bakterien nutzen uns quasi als Supermarkt für den Wocheneinkauf, bis sie über den Stuhl wieder ausgeschieden
werden, damit sie dann im Wasser bis zum nächsten Getrunkenwerden über die Runden kommen“, beschreibt
Schild. Schafft man es, die „Fresssysteme“ zu blockieren, können sich die Krankheitserreger weniger stark
vermehren und sind meist auch nicht mehr fit genug, um im aquatischen Umfeld zu überleben. „Damit haben wir
ein neues Angriffsziel gegen Vibrio cholerae“, betont der Molekularbiologe.
Krebstherapie
Im Gegensatz zu anderen Bakterien haben die Aufnahmesysteme der Cholera-Erreger hohe Ähnlichkeit zu menschlichen
Transportern, die eine wichtige Rolle in der Chemotherapie spielen. Dort werden häufig Nukleosid-ähnliche
Stoffe verwendet, um Krebszellen zu bekämpfen. „Damit haben wir nun möglicherweise ein einfaches bakterielles
System gefunden, mit dem wir die Aufnahme von Chemotherpeutika in Krebszellen simulieren können“, erklärt
Schild.
Publikation: Tanja
Gumpenberger, Dina Vorkapic, Franz G. Zingl, Katharina Pressler, Stefanie Lackner, Andrea Seper, Joachim Reidl
und Stefan Schild: Nucleoside uptake in Vibrio cholerae and ist role in the transition fitness from host to environment,
Molecular Microbiology, DOI: 10.1111/mmi.13143
|