Jahresvorschau informiert über die außenpolitischen Prioritäten der EU
Wien (pk) - Die aktuelle Flüchtlingskrise findet auch ihren Niederschlag im Bericht von Bundesminister
Sebastian Kurz über die Jahresvorschau der Europäischen Union im Bereich Außenpolitik (III-241
d.B.), der nun dem Parlament vorliegt. Das Papier unterstreicht vor allem die Notwendigkeit der europäischen
Zusammenarbeit bei der Bewältigung des Migrationsdrucks, kündigt aber auch Strategien für die Herkunftsländer
zur Eindämmung der Flüchtlingsströme und zur Rückübernahme an. Unverändert prioritär
auf der Agenda der EU bleiben daneben die Themen Erweiterung und Nachbarschaftspolitik.
EU sucht Kooperation mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge
Die Bewältigung der Flüchtlingskrise und des Migrationsdrucks an den EU-Außengrenzen zählt
im Bereich des Auswärtigen Handelns zu den wichtigsten Herausforderungen im Jahr 2016, stellt der Bericht
klar und erinnert an die Europäische Agenda für Migration und die darauf aufbauenden Umsetzungspakete.
In diesem Zusammenhang plant die Union auch eine verstärkte Fortsetzung der Aktivitäten, die auf den
gezielten Ausbau der Kooperation mit den wesentlichen Herkunfts- und Transitländern der Migrations- und Flüchtlingsströme
ausgerichtet sind. Zentrale Punkte bilden dabei humanitäre Hilfe, der Aufbau von tragfähigen Schutzkapazitäten,
aber auch die Bekämpfung der Ursachen der Flüchtlingsströme sowie ein wirksames Instrumentarium
gegen Schlepperei und Menschenhandel. Nicht ausgespart wird überdies die Sicherung der EU-Außengrenzen.
So soll Frontex zu einer "European Border and Coast Agency" weiterentwickelt werden. Geplant sind auch
Schritte zu einem von den Mitgliedstaaten und der EU geteilten Management des Außengrenzschutzes.
Schwerpunkt Rückübernahmeabkommen
Besonderes Augenmerk will die Union auch der Rückkehr und Reintegration von Flüchtlingen widmen. Im Visier
steht dabei die effektive Umsetzung der insgesamt 17 in Kraft befindlichen Rückübernahmeabkommen (u.a.
mit Pakistan und der Türkei) ebenso wie Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen mit Marokko,
Tunesien, Jordanien und dem Libanon. Grundlage dafür sind zum Teil bereits bestehende Mobilitätspartnerschaften
sowie Verhandlungen über Visaerleichterungen. Offene Verhandlungsmandate für Rückübernahmeabkommen
gibt es zudem mit Algerien, China und Belarus, mit Nigeria und Äthiopien wiederum befindet sich Europa in
einem so genannten Rückübernahmedialog. Die EU geht jedenfalls davon aus, dass die Rückübernahme
eigener Staatsangehöriger eine völkerrechtliche Verpflichtung darstellt, merkt der Bericht zu diesem
Thema an.
Einbindung der Türkei zur Lösung der Flüchtlingsproblematik
Zur Eindämmung irregulärer Migration sucht die Union verstärkte Zusammenarbeit mit der Türkei
und will im Gegenzug Unterstützung für syrische und irakische Flüchtlinge in der Türkei leisten.
Konkrete Maßnahmen umfassen dabei die Forcierung der Überwachungskapazitäten der türkischen
Küstenwache sowie die engere Kooperation mit EU-Mitgliedstaaten und Frontex, aber auch schnellere Verfahren
zur Rückübernahme nicht schutzbedürftiger Flüchtlinge und die Sicherstellung verpflichtender
Registrierung der MigrantInnen. Zur Finanzierung des diesbezüglichen Aktionsplans sollen seitens der EU insgesamt
3 Mrd. € für die Jahre 2016 und 2017 aufgebracht werden, wobei die Umsetzung durch die Türkei einem laufenden
Monitoring unterzogen wird. Aus österreichischer Sicht ist die Kontrolle der Umsetzung wesentlich. Der Aktionsplan
dürfe nicht dazu führen, dass sich die EU in Abhängigkeit begibt. Der Aktionsplan entbinde keinen
EU-Mitgliedstaat von seinen Pflichten, insbesondere nicht vom Schutz der EU-Außengrenzen, heißt es
dazu im Bericht.
Österreich setzt auf europäische Perspektive für Westbalkan
Unverändert aktuell bleibt für die Union der Erweiterungsprozess um die Länder des Westbalkans,
der auch von Österreich ausdrücklich unterstützt wird. Die Erfahrung zeige, dass die europäische
Perspektive nach wie vor der wichtigste Motor für die Stabilisierung und Entwicklung in dieser Region darstellt.
Aufgrund der geografischen Nähe, der Herausforderungen durch die Migration, der engen wirtschaftlichen Verflechtung
und historischen Verbundenheit sei der Westbalkan für Österreich von besonderer Bedeutung und stelle
deshalb auch 2016 eine außen- und europapolitische Priorität der Bundesregierung dar, bekräftigt
der Bericht. Konkret verfolgt die Union die Politik der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, dies etwa mit
Mazedonien, Albanien und Bosnien-Herzegowina, während bei den bereits aufgenommenen Beitrittsverhandlungen
mit Montenegro und Serbien für 2016 die Eröffnung weiterer Verhandlungskapitel vorgesehen ist.
Erweiterungsprozess: Türkei bleibt "Sonderfall"
Als "Sonderfall" bezeichnet der Bericht einmal mehr die Türkei. Hier sollen bereits im Frühjahr
2016 neue Screening-Berichte zu weiteren Verhandlungskapiteln vorgelegt werden. Die Wiederbelebung des Beitrittsprozesses
ist jedenfalls einer der Punkte der gemeinsamen Gipfelerklärung vom 29. November 2015 anlässlich des
Aktionsplanes EU-Türkei zur Lösung der Migrationskrise. Österreich setzt sich für eine maßgeschneiderte
Partnerschaft mit der Türkei ein, unterstreicht der Bericht in diesem Zusammenhang. Einem darüber hinausgehenden
Verhandlungsergebnis könne nur mit Einbindung der österreichischen Bevölkerung zugestimmt werden,
die dabei in einer Volksabstimmung das letzte Wort hat, heißt es weiter.
Russland-Sanktionen: EU pocht auf Umsetzung der Minsker Vereinbarungen
Was die Beziehungen mit Russland im Lichte des Ukraine-Konflikts betrifft, hält der Bericht fest, dass die
Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk vorrangiges Ziel der Union bleibt. Brüssel werde sich für eine
nachhaltige politische Lösung der Krise auf Basis der Achtung der Unabhängigkeit, Souveränität
und territorialen Unversehrtheit der Ukraine einsetzen. Für Sommer 2016 ist eine neuerliche Überprüfung
des Sanktionen-Regimes vorgesehen. Sollten bis dahin Fortschritte erzielt werden, könnte innerhalb der EU
über eine teilweise Aufhebung beraten werden. Die Sanktionen im Zusammenhang mit der Annexion der Halbinsel
Krim werden allerdings aufgrund der Nichtanerkennungspolitik der EU voraussichtlich noch länger Bestand haben,
bremst der Bericht allzu optimistische Erwartungen.
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