Britisches Referendum

 

erstellt am
04. 02. 16
11:00 MEZ

EU-Abgeordnete debattieren über Reformvorschläge
Brüssel (europarl) - Wie sieht Großbritanniens Zukunft in Europa aus? Einen Tag nachdem EU-Ratschef Tusk ein Kompromisspapier zu den britischen Reformforderungen präsentiert hatte, widmete sich das Plenum in einer Debatte über den EU-Gipfel vom 18. und 19.02., der auch im Zeichen der Migrationskrise stehen wird, am 03.02. dieser Frage. Die meisten Abgeordneten sagten, Großbritannien und die restlichen Mitgliedstaaten würden von einem Verbleib des Landes in der EU profitieren. Sie hinterfragten jedoch manche Reformvorschläge.

Großbritannien entscheidet über seine EU-Mitgliedschaft in einem Referendum
Großbritannien trat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1973 bei, stand der Gemeinschaft jedoch seit Anfang an ambivalent gegenüber. Während die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Binnenmarktes geschätzt wurden, zeigte sich das Land gegenüber der Integration in anderen Bereichen oft zurückhaltend.

Die britische Regierung hat beschlossen, verschiedene Aspekte der EU-Mitgliedschaft des Landes neu auszuverhandeln und über den Verbleib in beziehungsweise den Austritt aus der Union in einem Referendum abstimmen zu lassen.

Plenum debattiert über Reformvorschläge
Der niederländische Außenminister Bert Koenders sprach für den Ministerrat. Er sagte: "Es ist außerordentlich wichtig, dass wir unseren konstruktiven Dialog fortführen können, um die Europäische Union zu verbessern - sowohl für Großbritannien als auch die anderen Mitgliedstaaten."

Koenders betonte, die nationalen Regierungen seien dabei zu evaluieren, wie sie den britischen Forderungen entgegenkommen könnten. "Letztlich wird jedoch das britische Volk entscheiden, ob das Vereinigte Königreich in der Union verbleiben soll."

Der EKR-Vorsitzende Syed Kamall aus Großbritannien begrüßte die Entscheidung, ein Referendum abzuhalten. “Wir sollten nie davor Angst haben, die Bürger zu fragen, was sie wollen." Während die EU-Institutionen auf weitere Integrationsschritte drängten, sei das britische Volk davon überzeugt, Großbritannien sei einem gemeinsamen Markt beigetreten, so Kamall. “Wenn diese Differenz in den Auffassungen nicht behoben wird, dann wird die Beziehung Großbritanniens zur EU weiter ambivalent sein”.

Was fordert Großbritannien?
In einem Brief an EU-Ratschef Donald Tusk im November forderte der britische Premierminister David Cameron Reformen der Europäischen Union; und zwar in den Bereichen der wirtschaftspolitischen Steuerung, der Wettbewerbsfähigkeit, der Souveränität und der Immigration. Zum Beispiel solle die in den Verträgen festgelegte Zielbestimmung einer "immer engeren Union" künftig für Großbritannien nicht mehr gelten und zugewanderte EU-Ausländer nicht von Beginn an Lohnzuschüsse und Wohnungshilfen erhalten. Gleichzeitig sollten Nicht-Euro-Länder nicht für die gemeinsame Währung aufkommen müssen.

Als Antwort auf Camerons Forderungen präsentierte EU-Ratschef Donald Tusk am 2. Februar einen Kompromissvorschlag.

Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, begrüßte die Vorschläge von Tusk: "Der vorgeschlagene Kompromiss ist ein fairer Kompromiss; für Großbritannien, die restlichen 27 Mitgliedstaaten und auch das Europäische Parlament.” Juncker fügte hinzu: "Großbritannien verfügt über mehr Protokolle und Opt-outs als irgendein anderer Mitgliedstaat."

Der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber aus Deutschland bezeichnete Tusks Vorschlag als "solide Basis" für eine Einigung mit Großbritannien. "Wir wollen, dass Großbritannien an Bord bleibt. Wir wollen die Menschen in Großbritannien überzeugen, dass es besser ist, in der Familie zusammenzustehen”, sagte Weber. Er warnte jedoch: "Wir wollen kein britisches Europa. Wir wollen einen Vorschlag, der dann Europa für alle besser macht.”

Manche EU-Abgeordneten hinterfragten die vorgeschlagenen Reformen. Andere wiederum lehnten diese grundsätzlich ab.

Die Vorsitzende der GUE/NGL Gabriele Zimmer aus Deutschland lehnte ein Opt-out für die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU ab. Sie sagte, "die Idee der sozialen Union werde begraben".

Der Ko-Vorsitzende der EFDD, Nigel Farage, kritisierte die Kompromissvorschläge. Cameron habe die Verhandlungen mit ehrgeizigen Absichten begonnen, wie einer Vertragsänderung, der Kontrolle der Freizügigkeit und grundsätzlichen Änderungen in den Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU. "Nun haben wir einen Brief von Herrn Tusk erhalten, in dem weder von einer Vertragsänderung, noch einer Rückgabe von Kompetenzen an Großbritannien oder der Kontrolle über unsere Grenzen die Rede ist. Das ist ziemlich erbärmlich."

Auch die fraktionslose britische EU-Abgeordnete Diane Dodds kritisierte das Verhandlungsergebnis. Der britische Premierminister "sei daran gescheitert, sich für das Vereinigte Königreich einzusetzen".

Welche Konsequenzen für Europa?
Viele EU-Abgeordneten hoben hervor, dass die Europäische Union und Großbritannien von der EU-Mitgliedschaft des Landes profitierten. Der S&D-Vorsitzende Gianni Pittella aus Italien führte an: “Es ist für Großbritannien wichtig, in der Europäischen Union zu verbleiben. Außerhalb der EU ist Großbritannien schwächer. Wir müssen die Vorteile, die den Briten durch eine Mitgliedschaft in der EU entstehen, klar hervorheben."

Der ALDE-Vorsitzende Guy Verhofstadt aus Belgien unterstrich, Europa werde durch einen Austritt Großbritanniens an Einfluss verlieren: “Ohne Großbritannien zählt Europa nicht. Es ist dann kein Gegengewicht zu China, Russland, den USA, Amerika. Am Ende gewinnt Putin das Spiel, denn Putin möchte ein gespaltenes Europa."

Die Ko-Vorsitzende der Grünen/EFA Rebecca Harms aus Deutschland sagte: "Für mich ist das einer dieser Momente, wo wir über Europa sprechen müssen, und uns zum Beispiel fragen, woher wir kommen. Und das ist sehr einfach zu beantworten, denn wir haben Krieg geführt und wir haben Frieden erreicht."

Eine Europäische Union ohne Großbritannien?
Nicht alle EU-Abgeordneten sagten, Großbritannien müsse in der EU verbleiben. Die Ko-Vorsitzende der ENF Marine Le Pen aus Frankreich argumentierte: "Die Briten haben genug von der Europäischen Union und deshalb möchten sie aus der EU austreten. Sie vermissen ihre Souveränität und ihre Fähigkeit, Probleme auf nationaler Ebene zu lösen. Sie haben ihre eigenen Ansichten und ihre eigene Kultur."

Die Rolle des EU-Parlaments
Das EU-Parlament spielt als Mitgesetzgeber eine entscheidende Rolle für etwaige Reformen, die sich aus den laufenden Verhandlungen ergeben.

 

 

 

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