Flüchtlingsbewegungen und Terrorgefahr im Zentrum der Jahresprogramme
Wien (pk) - Beherrschende Themen der EU für den Bereich der inneren Sicherheit bleiben im heurigen
Jahr die Flüchtlings- und Asylproblematik sowie die Terrorgefahr. Die Jahresvorschau der EU Vorhaben für
2016 bot dem Bundesrat am 11.02. Gelegenheit, ein weiteres Mal die verschiedenen Standpunkte der Fraktionen zur
Bewältigung der Flüchtlingskrise an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner heranzutragen. Der Bericht wurde
anschließend mehrheitlich zur Kenntnis genommen.
Wie die Ministerin berichtet, plant die Europäische Kommission zahlreiche legislative und nichtlegislative
Maßnahmen zur Umsetzung der europäischen Sicherheitsagenda. Richtlinienvorschläge zur effizienteren
Terrorismusbekämpfung und zu einer Verschärfung des Waffenrechts sind in Diskussion. Zur Bewältigung
der anhaltenden Flüchtlingskrise und des Migrationsdrucks an den Außengrenzen will die Kommission die
Arbeit an der Migrationsagenda, die im Vorjahr vorgestellt wurde, rasch vorantreiben.
Zu den legislativen Maßnahmen der Migrationsagenda gehören die Überprüfung der "Blue-Card"
Richtlinie, die Evaluierung und gegebenenfalls Änderung der Dublin-Verordnung sowie Beratungen über einen
EU-Umsiedlungsmechanismus. Auch die Umsetzung des gemeinsamen europäischen Asylsystems, einschließlich
der Verordnung über den internationalen Schutz unbegleiteter Minderjähriger stellt laut für die
EU eine zentrale Herausforderung dieses Jahres dar. Am 15. Dezember 2015 hat die Kommission ein Maßnahmenpaket
zum Management der EU-Außengrenzen und zum Schutz des Schengen-Raums vorgelegt. In weiterer Perspektive soll
aus der Agentur Frontex eine Europäische Agentur für Grenz- und Küstenschutz hervorgehen. Mehrere
Legislativmaßnahmen sind im Paket zum intelligenten Grenzmanagement zusammengefasst.
Eine ablehnende Haltung zum Bericht über EU-Vorhaben nahm Bundesrat Werner Herbert (F/N) ein. Zum Kernthema,
der aktuellen Flüchtlingssituation, biete der Bericht nur oberflächliche Absichtserklärungen. Das
Verhalten der EU in der Asylfrage sei eine Schande, Österreich werde einfach in Stich gelassen. Die europäischen
Lösungen, die so oft gefordert wurden, seien bisher nicht Wirklichkeit geworden, der Staatenbund EU zeige
sein Scheitern. Monika Mühlwerth (F/W) plädierte dafür, eine klare Unterscheidung zwischen Schutzsuchenden
und Wirtschaftsflüchtlingen zu treffen. Die geplanten Maßnahmen der EU seien jedenfalls unwirksam, befand
sie.
Armin Forstner (V/St) meinte hingegen, die EU-Kommission und die Ratsvorsitze der nächsten 18 Monate würden
in ihren Arbeitsprogrammen sehr wohl die richtigen Prioritäten setzen. Die Innenministerin habe viele der
Lösungsansätze wesentlich vorangetrieben. Die EU-Programme tragen daher seiner Ansicht nach eine klare
österreichische Handschrift.
Die FPÖ-Linie zur EU sei inkonsequent, meinte Stefan Schennach (S/W). Sobald die EU eine notwendige Maßnahme,
wie die geplante Verschärfung des Waffengesetzes, umsetzen wolle, mache die FPÖ sich zur Sprecherin der
Waffenlobby. Schennach kritisierte, dass die Staaten Osteuropas, denen die EU zwanzig Jahre beim Wiederaufbau geholfen
habe, nun ihrerseits in der Flüchtlingsfrage der EU die Solidarität verweigerten. Nach Schennachs Ansicht
muss das Dublin-System abgeschafft werden, um das Schengen-Abkommen zu retten. Die Errichtung von Grenzzäunen
widerspreche dem europäischen Geist. Zudem werde damit nur das Geschäft der Schlepper lukrativer gemacht,
sagte Schennach, der auch für Fairness und solidarische Hilfe für Griechenland und für klare Worte
in den Verhandlungen mit der Türkei plädierte. Die Türkei müsse endlich Flüchtlingen den
ihnen nach der Genfer Konvention zustehenden Status zugestehen.
Ewa Dziedzic (G/W) sah in der geplanten Speicherung von Fluggastdaten eine Form der Vorratsdatenspeicherung, die
sie ablehnt. Insgesamt lese sich der Bericht wie eine lange, unerledigte To Do-Liste der EU, meinte sie, denn viele
der Maßnahmen seien schon seit längerem geplant. Dublin sei gescheitert und müsse endlich durch
ein solidarisches Asylsystem ersetzt werden, forderte Dziedzic. Die geplante europäische Agentur zum Grenz-
und Küstenschutz verfolge einen falschen Ansatz, vielmehr müssten legale Einreisemöglichkeiten in
die EU geschaffen werden. Kritisch sah die Bundesrätin der Grünen auch die von der EU geförderte
Rolle der Türkei als Gatekeeper der Union.
Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner betonte, entscheidend werde die rasche Umsetzung der EU-Vorhaben sein. Solange
diese nicht erfolge, müsse man auf nationale Maßnahmen setzen und den Druck auf andere Staaten erhöhen.
Mikl-Leitner begrüßte den Ausbau von Frontex zu einer gemeinsamen Grenz- und Küstenwache. Nur der
Schutz der Außengrenzen erlaube es, die Binnengrenzen zu beseitigen, argumentierte sie. Das zweite große
Thema des Jahres ist für die Innenministerin der Kampf gegen den Terrorismus, der aus Sicht eine verbesserte
Zusammenarbeit der EU-Staaten erfordert.
|