Bundesrat erhebt keinen Einspruch gegen Gesetzespaket
Wien (pk) - Das neue Staatsschutzgesetz hat am 11.02. die letzte parlamentarische Hürde genommen. Trotz
anhaltender Bedenken der Opposition sprach sich die Mehrheit im Bundesrat dafür aus, keinen Einspruch gegen
die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
sowie begleitende Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz zu erheben. Auch ergänzende Änderungen
im Telekommunikationsgesetz passierten die Länderkammer unbeeinsprucht. In Kraft treten wird das Gesetzespaket
Anfang Juli, Teile davon werden schon ab 1. März wirksam.
Hauptziel des neuen Polizeilichen Staatsschutzgesetzes und der begleitenden Gesetzesänderungen ist ein effektiver
Schutz vor terroristischen Bedrohungen. Neben der geplanten Neuorganisation des Staatsschutzes und dem Aufbau einer
umfangreichen Analysedatenbank sind vor allem erweiterte Observierungsbefugnisse der Ermittlungsbehörden vorgesehen.
Außerdem wird es künftig möglich sein, Vertrauensleute im Zuge verdeckter Ermittlungen anzuwerben
und im Falle einer konkreten Anschlagsgefahr Handy-Standortdaten zu ermitteln. Probeweise erlaubt wird auch das
Tragen von Körperkameras durch PolizistInnen. Derzeit hätten die Behörden zu wenig Möglichkeiten,
bereits im Vorfeld von Straftaten aktiv zu werden, heißt es in der Begründung der Gesetzesinitiative.
Verhandelt wurde über das Paket mehr als zwei Jahre, zuletzt kam der Nationalrat KritikerInnen noch in einigen
Punkten entgegen (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 45/2016).
Opposition bleibt bei Kritik am Deliktekatalog
In der Debatte sprach Bundesrat Gerhard Schödinger (V/N) von einem modernen Gesetz. Er wertete es unter anderem
positiv, dass künftig nur noch ein eingeschränkter Kreis von PolizistInnen, rund 500, spezielle Befugnisse
im Bereich der erweiterten Gefahrenforschung haben wird. Der Rechtsschutz ist für Schödinger ausreichend
ausgestaltet, alle überwachten Personen würden im Nachhinein informiert. Generell sprach sich Schödinger
dafür aus, über eine Wiederbelebung der Vorratsdatenspeicherung nachzudenken.
Seitens der FPÖ kritisierte der oberösterreichische Bundesrat Michael Raml die vorgesehenen Eingriffe
in Bürgerrechte. Seiner Meinung nach wären die neuen gesetzlichen Bestimmungen gar nicht notwendig, würde
Österreich seine Grenzen effektiv schützen. Schließlich seien importierte Kriminalität und
importierter Terrorismus der Anlass für das neue Staatsschutzgesetz. Raml räumte ein, dass der Nationalrat
noch Verbesserungen am Gesetz vorgenommen hat, er vermisst aber einen ausreichenden Rechtsschutz und hält
den Deliktekatalog für zu weitreichend. Seiner Meinung nach könnten die Behörden ihre neuen Befugnisse
auch dazu nutzen, um V-Leute an Stammtischen einzuschleusen und Regierungskritiker zu verfolgen.
Auch die Grüne Bundesrätin Ewa Dziedzic aus Wien ortet trotz der im Nationalrat vorgenommenen Änderungen
nach wie vor zahlreiche Mängel im Gesetz, etwa was den Rechtsschutz, den Anwendungsbereich des Gesetzes und
die Weitergabe von Daten an ausländische Nachrichtendienste betrifft. Es sei nicht zu erwarten, dass andere
Staaten die gesetzlichen Löschungsverpflichtungen beachten, forderte sie unter anderem klare Regelungen in
diesem Bereich.
Das Argument, wonach ein effektiver Grenzschutz ausreichend ist, um Terroranschläge zu verhindern, überzeugte
Bundesrat Martin Weber (S/St) nicht. Es sei ein Irrglaube, dass man mit sicheren Grenzen Terrorismus verhindern
könne, sagte er mit Hinweis auf die allgemein erhöhte Terrorgefahr in Europa. Für Weber sind die
erweiterten Befugnissen des Staatsschutzes in diesem Sinn ein wichtiges Instrument zur Erhöhung der Sicherheit
in Österreich.
Ähnlich argumentierte auch die niederösterreichische ÖVP-Bundesrätin Sandra Kern. Das Gesetz
sei kein Bürgerbespitzelungsgesetz, wies sie entsprechende Bedenken zurück, vielmehr ermögliche
es den Behörden rasches Eingreifen in konkreten Verdachtsfällen. Was der von der Opposition kritisierte
Rechtsschutz betrifft, gab SPÖ-Bundesrat Rene Pfister aus Niederösterreich zu bedenken, dass durch die
gewählte Konstruktion, anders als bei einer richterlichen Kontrolle, eine nachträgliche parlamentarische
Kontrolle möglich ist. Der Rechtsschutzbeauftragte und seine Stellvertreter müssten dem geheimen Unterausschuss
des Nationalrats auf Wunsch Rede und Antwort stehen.
Der oberösterreichische ÖVP-Bundesrat Klaus Fürlinger sieht das Gesetz als wichtigen Schritt, um
die Behörden auf Augenhöhe mit den Verbrechern zu bringen. Er könne kein einziges echtes Argument
gegen das vorliegende Gesetzespaket erkennen, meinte er.
Die Eile der Beschlussfassung wurde von FPÖ-Bundesrat Werner Herbert kritisiert. Seiner Meinung nach stimmt
es nicht, dass zwei Jahre lang über das Gesetz verhandelt wurde. Niemand bestreite, dass der Staatsschutz
erweiterte Befugnisse brauche, sagte Herbert, man hätte aber noch ein paar Wochen verhandeln sollen, um mit
der Opposition zu einer Einigung zu kommen. Einer der Kritikpunkte ist für Herbert, dass der Staatsschutz
trotz der vom Nationalrat vorgenommenen Überarbeitung des Deliktekatalogs nach wie vor für bestimmte
Meinungsdelikte zuständig ist. Für ihn ist daher die von der FPÖ angedrohte Verfassungsklage nicht
vom Tisch. Sein Fraktionskollege Reinhard Pisec verwahrte sich dagegen, TierschützerInnen verallgemeinernd
ist radikale Eck zu stellen.
Kein Verständnis für die Kritik der Opposition äußerte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.
Die Sicherheit der BürgerInnen müsse im Mittelpunkt stehen, unterstrich sie. Was die vorgebrachten Bedenken
gegen Vertrauensleute betrifft, gab Mikl-Leitner zu bedenken, dass V-Leute im kriminalpolizeilichen Bereich bereits
gang und gäbe seien.
Einen nachträglichen Ordnungsruf von Bundesratspräsident Josef Saller erhielt FPÖ-Bundesrat Hans-Jörg
Jenewein. Er hatte Bundeskanzler Werner Faymann in der Aktuellen Stunde als Faschingskanzler bezeichnet.
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