Bildungsministerin zieht Parallelen zwischen EU-Arbeitsplan und Reformbestrebungen ihres Ressorts
Brüssel/Wien (pk) - Erhöhung des Bildungsniveaus von SchülerInnen und Verbesserung der Chancen-
und Geschlechtergerechtigkeit im Bildungswesen: Aus diesen Empfehlungen der Europäischen Kommission an Österreich
leitet Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek eine Bestätigung aktueller Reformvorhaben im Bildungsbereich
ab. Generell falle dem Bildungssektor eine Schlüsselrolle in der EU-Wachstumsstrategie zu, heißt es
im Bericht des Bundesministeriums für Bildung und Frauen (BMBF) über die heurigen Arbeitsprogramme von
EU-Kommission und Rat ( III-238 d.B.). Nicht nur hinsichtlich der Wissensweitergabe zur Sicherung von Qualifikationen,
die dem modernen Arbeitsmarkt Rechnung tragen, sei das Bildungswesen speziell gefordert. Sondern auch in der Bereitstellung
des allgemeinen Zugangs zu qualitätsvoller Bildung, gerade im Kontext der Flüchtlingsbewegungen nach
Europa. Beim Rat der EU-BildungsministerInnen Ende Februar ist deswegen eine Erklärung geplant, die den bedeutenden
Beitrag von Bildung zur EU-Weiterentwicklung unterstreicht.
Für die Gleichstellungspolitik, einen Bereich, den Heinisch-Hoseks Ressort ebenfalls umfasst, wählt die
Europäische Kommission 2016 einen praxisnahen Zugang. Der Fokus liegt dabei auf der Vereinbarkeit von Beruf
und Familie und auf der stärkeren Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben. Diesen Aspekten der Genderpolitik
sowie dem Thema Frauenarmut widmet sich auch der slowakische Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr. Das derzeitige Vorsitzland
Niederlande wird die Verhandlungen über eine erweiterte Anti-Diskriminierungs-Richtlinie weiterführen.
Zudem will der Ratsvorsitz die Diskussion über den Kommissionsvorschlag zur Quotenregelung für Frauen
in Aufsichtsräten erneut aufgreifen, obwohl nach der ablehnenden Haltung dazu im Rat Beschäftigung und
Soziales eine Mehrheit unter den EU-Mitgliedsländern unwahrscheinlich ist.
Schulabbruch: Österreich will über Ziel hinaus
Die Bildungsziele der Europa 2020-Wachstumsstrategie hat Österreich laut BMBF-Bericht bereits erreicht – die
Schulabbruchsquote hierzulande liege mit 7 Prozent deutlich unter den EU-Vorgaben von weniger als 10% und 2014
entsprach der Anteil von 30- bis 34-Jährigen mit tertiärem Bildungsabschluss dem unionsweiten Richtsatz
von 40%. Ungeachtet dessen betont das Bildungsministerium, die Europa 2020-Strategie finde in der heimischen Bildungspolitik
weiterhin viel Beachtung. In der 2013 erarbeiteten nationalen Strategie zur Senkung des Schulabbruchs werden beispielsweise
Maßnahmen gegen soziale Ausgrenzung und Jugendarbeitslosigkeit gebündelt. Umfasst davon sind strukturelle
und standortspezifische Aspekte wie personenzentrierte Beratung, um Bildungsbenachteiligung zu verhindern.
Wichtige Impulse erwartet Bildungsministerin Heinisch-Hosek auch von der heuer startenden Regierungsinitiative
"AusBildung bis 18". Das Bildungsressort forciert in diesem Zusammenhang auf allen Schulstufen gezielte
pädagogische Maßnahmen zur Optimierung der Ausbildungsreife. Insbesondere an berufsbildenden mittleren
Schulen sollen Jugendliche durch neue Unterrichtskonzepte zum Verbleib an diesen Schulen befähigt werden.
Mit der anvisierten Bildungsreform will Heinisch-Hosek analog zu den Kommissionsempfehlungen die Verbesserung der
Bildungserfolge aller SchülerInnen erreichen, wobei benachteiligte Gruppen speziell gefördert werden.
Der Bericht nennt als Beispiele die Stärkung der Bildungseinrichtung Kindergarten, Übergangshilfen in
der Schuleingangsphase, die Weiterentwicklung der Sprachförderung, Schulautonomie, evidenzbasierte Qualitätssicherung
und inklusive Modellschulen. Ebenfalls entscheidend seien in diesem Zusammenhang schon umgesetzte Neuerungen wie
die Neue Mittelschule, der Ausbau schulischer Ganztagsbetreuung und die PädagogInnenbildung NEU.
EU setzt auf lebenslanges Lernen und Wertebildung
Lebenslange Investitionen in Menschen sieht die Europäische Union als Grundlage für Wirtschaftswachstum.
Gewicht legt die EU-Kommission in ihrem heurigen Arbeitsprogramm folglich auf den Erwerb digitaler Kompetenzen
und die Modernisierung der beruflichen Bildung sowie des Hochschulwesens. Im Rat der EU-BildungsministerInnen befassen
sich ab Februar eigene Arbeitsgruppen mit den Schwerpunkten Schule, Hochschule, Berufsbildung, Erwachsenenbildung,
digitale Fertigkeiten sowie gemeinsame Werte zur Gewalt- und Rassismusprävention.
Der von der Kommission angestoßenen "Zusammenarbeit an einer Europäischen Agenda für neue
Kompetenzen" liegt ebenfalls das Ansinnen zugrunde, das Zusammenspiel von Bildung und Arbeitsmarkt zu unterstützen.
Für das Bildungsministerium ist allerdings dabei der Bildungsbegriff an sich zu diskutieren, sodass Bildung
nicht nur als wirtschaftliches Werkzeug verstanden wird.
Vor dem Hintergrund der Flüchtlingsbewegungen nach Europa gewinnen politische Bildung und die Vermittlung
europäischer Werte vermehrt an Bedeutung. Mit einer Debatte über die Rolle von Bildung bei der Aufnahme
und Integration von MigrantInnen wollen die EU-Mitglieder unter der niederländischen Ratspräsidentschaft
Wege finden, um der Radikalisierung Jugendlicher vorzubeugen. Ausgangspunkt dieser Initiative war ursprünglich
die sogenannte Pariser Erklärung der EU-BildungsministerInnen vom März 2015, deren Umsetzung bereits
mit dem Bildungsprogramm Erasmus + begonnen hat. Die Slowakei hat als Ratsvorsitzland vor, die Arbeiten an der
neuen Skills Agenda weiterzuführen. Der nachfolgende Ratsvorsitz Malta will dazu ein Skills- und Mobilitätspaket
schnüren.
Erasmus + erhält mehr Mittel
Grenzüberschreitende Bildungsmöglichkeiten eröffnet seit 2014 Erasmus + für allgemeine und
berufliche Bildung, Jugend und Sport. Bis 2020 stellt die EU 14,7 Mrd. € bereit für Maßnahmen zur Internationalisierung
und Qualitätsentwicklung vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung; nach BMBF-Berechnung sind das um 40
Prozent mehr als in der vorangegangenen Finanzperiode. Für die Programme zu Bildung und Jugend stehen Österreich
heuer rund 30 Mio. € zur Verfügung. Das Bildungsressort sagt durch Kofinanzierung die maximale Ausschöpfung
der EU-Mittel zu.
Konkret gefördert werden mit Erasmus+ die Lernmobilität von Lehrenden, SchülerInnen, Studierenden
und Personen in der beruflichen Erstausbildung, die Zusammenarbeit von Bildungseinrichtungen und politische Reformen
wie die Anwendung von Transparenz- und Anerkennungsinstrumenten. Das Bildungsministerium verspricht sich vom Programm
mehr Wissens- und Erfahrungsaustausch über pädagogische Methoden, eine Verbesserung fachlicher und sprachlicher
Kompetenzen sowie ein vertieftes Verständnis für die kulturelle Vielfalt in der Union. Unter der Aufsicht
des Ministeriums bietet in Österreich die Nationalagentur Lebenslanges Lernen (Österreichische Austauschdienst-GmbH)
Erasmus + an.
Donauraum erhofft Aufschwung durch Bildungskooperationen
Die EU-Strategie für den Donauraum, in der die beteiligten Länder auch bei Bildung und Ausbildung zusammenarbeiten,
erhält zwar keine zusätzlichen EU-Gelder, wird aber durch Mittel des Europäischen Parlaments in
technischen Belangen unterstützt. Zudem sollen sich mit dem letzten Herbst gestarteten Programm "Danube
Transnational" des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung Schnittstellen ergeben, da auch
hier die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Donauraums klare Zielsetzung ist. In Zusammenarbeit mit dem
Sozialministerium koordiniert das Bildungsministerium in der Donauraumstrategie die Priorität "Investitionen
in Menschen und Qualifikationen": Bei grenzüberschreitenden Kooperationen und Projekten werden die Qualität
und Effizienz von Bildungssystemen, die Förderung von Kreativität und Unternehmertum, Lebenslanges Lernen
und Mobilität sowie die Steigerung von Chancengerechtigkeit, sozialem Zusammenhalt und aktiver Bürgerbeteiligung
behandelt. Aktivitäten zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit und die Inklusion marginalisierter Gruppen
zählen dieses Jahr zu den Aktionsschwerpunkten.
EU-Frauenquote lässt noch auf sich warten
Für die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag der Kommission zur Sicherstellung einer ausgewogenen
Vertretung von Frauen und Männern in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen ist zwar das
Sozialministerium (BMASK) zuständig. Aufgrund der in ihrem Ministerium verankerten Frauenagenden greift Bundesministerin
Heinisch-Hosek das Thema jedoch in ihrem Bericht auf. Demnach ist die Europäische Kommission grundsätzlich
bestrebt, eine Richtlinie über Frauen in Leitungsorganen in Unternehmen 2016 verabschiedet zu sehen. Nachdem
der derzeitige Vorschlag beim letzten EU-SozialministerInnentreffen 2015 aber keine Mehrheit gefunden hat, werde
die Kommission den Entwurf wahrscheinlich zurückziehen müssen, so die Vermutung seitens des BMBF. Keine
Prognose gibt es dagegen zum Erfolg der vor Jahren gestarteten Verhandlungen über den Entwurf zur Anti-Diskriminierungsrichtlinie,
die dem Grundsatz der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des
Alters oder der sexuellen Ausrichtung folgt. Der niederländische Ratsvorsitz peilt weitere Gesprächsrunden
darüber an, bei denen Österreich ebenfalls durch das BMASK vertreten ist.
Mehr Übereinstimmung gibt es bei den Mitgliedsstaaten zu den von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen,
wie die Gleichstellung von LGBTI-Personen (lesbische, schwule, bisexuelle, transgender/transsexuelle, intersexuelle
Personen) zu fördern ist. Für März hat der Rat Beschäftigung und Soziales den Beschluss der
diesbezüglichen Ratsschlussfolgerungen in Aussicht gestellt.
Hinsichtlich Geschlechtergerechtigkeit hat sich der niederländische Vorsitz dem Best Practice-Austausch zur
Förderung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern verschrieben. Die Slowakei plant in ihrer Vorsitzzeit,
gemeinsam mit dem Europäischen Institut für Geschlechtergleichstellung eine Aktionsplattform zur Frauenarmut
einzurichten, um den Gründen dafür auf den Grund zu gehen.
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