Das heurige 11 x 5 Meter große Fastentuch „Collective Heart“ im Stephansdom ist eine
auffallende Collage aus tausenden recycelten Häkeldeckchen aus der ganzen Welt und stammt von der slowenischen
Multimediakünstlerin Eva Petric.
Wien (pew) - Der Hauptaltar im Wiener Stephansdom ist während der Fastenzeit (Aschermittwoch 10.2. bis Karsamstag
26.3.) von einer großformatigen Collage aus unzähligen Häkeldeckchen verhüllt. Sie stammt
von der Künstlerin Eva Petric, die in Wien, Ljubljana und New York spartenübergreifend in den Bereichen
Fotografie, Installation und Video tätig ist.
Verbindungen
Laut Eva Petric verbinden die Häkelarbeiten und Spitzen in tausenden Knoten Erinnerungen, Wünsche und
Verbindungen, sie illustrieren die generationenübergreifenden Bindungen zwischen den Menschen: „Wir sind nicht
nur das, was wir sehen; wir sind viele vorangegangene Generationen, Gefühle und Erinnerungen. Diese werden
nicht nur von unseren Genen weitergegeben, sondern manifestieren sich auch in einem kollektiven Unterbewusstsein,
in Träumen, Wünschen und der Prägung von Archetypen, alles in unserem Versuch ‘Eden‘ zu erreichen
– den Zustand der Einheit von GLAUBE, HOFFNUNG und LIEBE“.
Jene Teile des Fastentuches, die die Aorta des „Collective Hearts“ bilden, stammen aus dem slowenischen Ort Idrija,
wo eine Frau bis zu ihrem 80. Lebensjahr den Lebensunterhalt der fünfköpfigen Familie durch den Verkauf
ihrer Handarbeiten gesichert hat. Auch ihre Häkeldeckchen, die auf Grund ihrer schwindenden Kräfte bereits
Fehler aufweisen und daher unverkäuflich sind, haben ihren Platz in der künstlerischen Arbeit des eigenwilligen
Fastentuches gefunden.
Die violett-rote Lichtinstallation spiegelt sowohl die Farbe der Buße und Fastenzeit (Violett) als auch die
des Lebens, der Liebe und des Blutes (Rot) wider, die Farben der gotischen Presbyteriumsfenster werden ebenfalls
auf das Tuch projiziert.
Fasten für die Augen
Seine Ursprünge hat das Fastentuch in den sogenannten Passionstüchern, bereits seit dem Jahr 1000. Mit
ihnen wurden vor Ostern Gegenstände, wie Altar, Kreuze, Reliquienschreine und Bilder verhüllt. Der strahlende
Glanz dieser Gegenstände sollte in der Fastenzeit nicht zu sehen sein, das Fastentuch diente also dem "Fasten
für die Augen". In seiner Blütezeit vom 15. bis ins 17. Jahrhundert wurde es üblich, das Tuch
in rechteckige Felder zu unterteilen, die biblische Motive von der Schöpfungsgeschichte bis zum jüngsten
Gericht zeigten. Die Bilder sollten der Bevölkerung, die im Mittelalter bis auf wenige Ausnahmen nicht lesen
konnte, die Heilsgeschichte Jesus erzählen.
Nach dem II. Vatikanischen Konzil wurde der Brauch durch eine bischöfliche Aktion 1967 neu belebt. In Österreich
entstanden in den vergangenen Jahren vor allem durch Gegenwartskünstler neue Fastentücher.
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