Salzburgs verstreutes Kirchenerbe in Kärnten
Salzburg (lk) - Warum Kärnten ohne Salzburg nur halb so katholisch wäre, warum Salzburger Erzbischöfe
Oberhirten in Gurk und Fürstbischöfe in St. Andrä im Lavanttal einsetzten, und was das alles auch
noch mit dem Mozart-Clan zu tun hat, dem geht dieser Grenzfall auf Spurensuche nach dem Salzburger Erbe südlich
der Hohen Tauern nach. Um es gleich vorweg festzuhalten: Kärnten gehörte nie zu Salzburg. Jedenfalls
nicht ganz. Denn Streubesitz hatten die Erzbischöfe über Jahrhunderte im südlichen Nachbarland und
bis 1859 spielten sie in kirchlichen Fragen eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Neben Städten wie Gmünd, über das Paris Graf Lodron die Herrschaft ausübte, oder Friesach,
wo Salzburg Münzen prägte, waren es vor allem geistlich regierte Gebiete, deren Geschicke über Jahrhunderte
von Salzburg aus bestimmt wurden.
Das Kärntner Gebiet war bereits zur Römerzeit erstmals christianisiert worden. Aus Pannonien verdrängte
Slawen gelangten im sechsten Jahrhundert bis in die südlichen Tauernregionen. Boruth, Chef dieser inzwischen
als Karantanen bezeichneten Gruppe, bat den Bayernkönig um Hilfe, um sich der nachrückenden Awaren zu
erwehren. Diese Hilfe kam auch – erst militärisch, dann klerikal. 760 sandte der Salzburger Bischof Virgil
den Heiligen Modestus nach Karantanien. Kärnten wurde damit ein zweites Mal missioniert – diesmal von Salzburg
aus. Karl der Große legte die Drau als Grenze zwischen dem Erzbistum Salzburg und dem Patriarchat Aquileia
fest. Modestus schlug seine Residenz in Maria Saal nördlich von Klagenfurt auf und ließ dort eine der
ältesten Kirchen Kärntens errichten. Sie wurde wegen ihrer zentralen Bedeutung bei der Missionierung
als Dom bezeichnet und später zur noch heute bestehenden spätgotischen Kirchenburg ausgebaut, unter anderem
mit Adneter Marmor.
Gurk mit Steuerzentrale an der Salzach
Und Salzburgs Bestrebungen südlich des Alpenhauptkamms gingen weiter. 1072 wurde das Salzburger Eigenbistum
Gurk gegründet. Die Personalentscheidungen wurden an der Salzach getroffen. Der Bischof von Gurk hatte gegenüber
seinen anderen Salzburger Bistumskollegen das Vorrecht, den Erzbischof in der gesamten Erzdiözese zu vertreten.
Die Salzburger Machtposition blieb nicht unbestritten. Über Jahrhunderte zog sich ein Tauziehen um die Vorherrschaft
mit den Habsburgern als Landesherren hin, im Mittelalter auch mit eingeäscherten Burgen der jeweiligen Gegenseite
einhergehend. Auch versuchten die Gurker mit gefälschten Urkunden – vergeblich - der Salzburger Vormundschaft
zu entkommen. 1535 einigte man sich darauf, dass zweimal der Landesherr und einmal der Salzburger Erzbischof den
Bischof von Gurk ernennen durfte, eine Regelung, die bis 1918 hielt.
Heilige Souvenirs: Rupert, Virgil und Peter
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, an vielen Kärntner Altären auf Statuen der "Salzburger"
Heiligen Rupert und Virgil zu stoßen, die vielen St. Peter-Kirchen sind den Missionserfolgen Salzburger Benediktiner
zuzuschreiben. Die Propsteikirche von Wieting ist heute noch in Besitz der Erzabtei St. Peter. Konrad Laib, einer
der bedeutendsten alpenländischen Maler, wirkte nicht nur in Salzburg, sondern hinterließ auch in Innernöring
bei Gmünd eine Kreuzigungstafel. "Die Salzburger Kunstwerke in Kärnten sind um eine Kategorie qualitätvoller",
befindet Kärntens Diözesankonservator Eduard Mahlknecht neidlos.
Karriereleiter für Genügsame
Dritter geistlicher Hotspot Salzburgs in Kärnten war das Lavanttal in Westkärnten. Auch hier sorgte Modestus
für den ersten Kirchenbau, dem Heiligen Andreas geweiht. 1228 gründete Erzbischof Eberhard II. das Bistum
Lavant, wegen seiner geringen Ausdehnung scherzhaft auch als Zwetschkenbistum bezeichnet. Die Bischöfe residierten
anfangs auswärts in Friesach, dem Verwaltungszentrum Salzburgs in Kärnten, und führten den Titel
Fürstbischof. Prunk und Pomp waren trotzdem nicht angesagt. Im 14. Jahrhundert bat der Lavanter Bischof den
Papst um eine weitere Pfarre, weil das Bistum ein so geringes Einkommen hatte, dass er "nicht einmal wie ein
besserer Pfarrer" leben könne. Statt Reichtum bot das Zwetschkenbistum mit Kathedrale in St. Andrä
rasche Aufstiegschancen zu höheren geistigen und weltlichen Weihen. Bischof Georg III. Stobäus von Palmburg
wurde von Erzherzog Ferdinand zum Statthalter von Innerösterreich ernannt und leitete die Gegenreformation
in Kärnten und der Steiermark. Der Salzburger Erzbischof Max Gandolf von Kuenburg oder der spätere Erzbischof
von Wien Leopold von Firmian starteten ihre Karrieren im Bistum Lavant. Johann Baptist Graf von Thurn-Valsassina
und Taxis war einer der Dienstgeber des jungen Musikers Leopold Mozart und wurde 1754 zum Bischof des kleinen Eigenbistums
ernannt. Er bedachte die armen Leute des Bistums Lavant als Erben, da aber die Schulden das Vermögen überstiegen,
blieb ihnen nichts als fromme Wünsche. Und der Vater von Mozarts Mutter war in der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts Pfleger am Salzburger Hof in St. Andrä.
Kurioses über Grenzen hinweg
Die Salzburger Grenzfälle versammeln Kuriositäten
rund um die Grenzen Salzburgs und bilden eine aufschlussreiche Lektüre zu Geschichte, Landeskunde und Politik
des Bundeslandes. Der Autor Stefan Mayer beschäftigt sich seit 2002 mit grenzfälligen Besonderheiten
in und um Salzburg. Er gestaltet die monatliche Serie "Grenzfälle", von der bereits drei Bücher
erschienen sind. Die Bücher sind vergriffen, digitale Versionen stehen im Webshop des Landes zum kostenlosen
Download zur Verfügung. Einzelne Grenzfall-Artikel können jederzeit abgerufen werden.
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