Europa 2016: Wissen schafft Jobs

 

erstellt am
18. 02. 16
11:00 MEZ

Mitterlehner erklärt seine Strategie "Zukunft Hochschule" im Wissenschaftsausschuss
Wien (pk) - Auf der Suche nach Wegen aus der Krise setzt Europa auch auf die Wissenschaft und auf die Kreativität seiner ForscherInnen, um Grundlagen für die Entwicklung neuer, nachhaltiger Verfahren und damit die Voraussetzung für Wachstum und zukunftssichere Jobs zu schaffen. "Österreich ist bei der Teilnahme an EU-Forschungsförderungsprogrammen wie "Horizon 2020" und "ERASMUS+" gut unterwegs, sagte Bundesminister Reinhold Mitterlehner am 17.02. im Wissenschaftsausschuss bei der Debatte über wissenschafts- und forschungspolitische Vorhaben der EU 2016. Hochschulen und Unternehmen nehmen im europäischen Vergleich in weit überdurchschnittlichem Ausmaß an Programmen teil und auch die Mobilität der Studierenden nehme weiter zu. In einer Aussprache informierte der Vizekanzler die Abgeordneten über neue Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten bis 2018 und über die Lösung des Problems "klinischer Mehraufwand". Ganz im Zentrum des Abgeordneteninteresses stand aber die Absicht des Ministers, die nächsten Leistungsvereinbarungen und die Einführung der Studienplatzfinanzierung mit einem Entscheidungsprozess unter dem Titel "Zukunft Hochschule" vorzubereiten. Die Abgeordneten begrüßten diesen Vorschlag, sahen aber viele offene Fragen. Probleme der Studierenden bei der Zulassung zum Studium und beim Wechsel von Studium und Studienort weist der neue, umfassendere Tätigkeitsbericht 2014/15 der Ombudsstelle für Studierende aus, den der Minister gemeinsam mit Studierenden-Ombudsmann Josef Leidenfrost den Abgeordneten präsentierte. Diesen Bericht nahm der Ausschuss einstimmig zur Kenntnis, die EU-Jahresvorschau 2016 akzeptierten SPÖ, ÖVP, Grüne, NEOS und Team Stronach mehrheitlich. Initiativen der Oppositionsparteien vertagte der Ausschuss mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP. Die Themen reichten vom Wunsch nach Anhebung der Zuverdienstgrenze bei der Studienbeihilfe und der Konzentration aller Forschungsagenden im Wissenschaftsressort (FPÖ) über die Absicherung der Frauen- und Genderforschung (Grüne) und nach einem Rückkehrprogramm für Forschende im Ausland bis zu unpolitischen Entscheidungen in der Forschungs-Förderungsgesellschaft (NEOS). Das Team Stronach war für einheitliche Zugangsregelungen und für die Nutzung von Synergien zwischen Universitäten und Fachhochschulen.

Österreich gut in europäischen Forschungsprogrammen unterwegs
In der Debatte über EU-Vorhaben für 2016 ( III-231 d.B.) informierte Minister Mitterlehner über das Programm "Horizon 2020" zur Forschungsförderung, über die Weiterentwicklung des europäischen Forschungsraums, über Bemühungen zur gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen, die Modernisierung der Hochschulbildung und er kündigte einen Zwischenbericht zum Programm ERASMUS+ für 2017 an. Mitterlehner informierte die Abgeordneten auch darüber, dass Österreich überaus erfolgreich an den EU-Programmen "Horizon 2020" und "Erasmus+" teilnimmt und es überdies gelungen sei, die Mobilität der Studierenden stark zu erhöhen. An "Erasmus+" nehmen derzeit mehr als 6.400 Studierende teil, zuvor waren es 5.800. Die Zahl der Erasmus-TeilnehmerInnen – bisher insgesamt 86.600 – mache ihn hinsichtlich des angepeilten Ziels von 100.000 zuversichtlich, sagte Mitterlehner den Abgeordneten Claudia Gamon (N) und Sigrid Maurer (G). Die Wissenschafts- und Forschungsagenda der EU zielt auf neue Kompetenzen, auf Investitionen in menschliche Ressourcen und die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen. An "Horizon 2020" nimmt Österreich überdimensional, nämlich an jedem zehnten Projekt, teil, wobei die Universitäten und die Unternehmen jeweils einen 35%-Anteil haben, weit über dem Europäischen Durchschnitt von 29%, erfuhren die Ausschussmitglieder.

"Roadmap" zum Europäischen Forschungsraum vor Fertigstellung
Die Arbeit an der "Roadmap" zum Europäischen Forschungsraum stehe vor dem Abschluss, die Schwerpunkte liegen bei Forschungseffizienz, demografischem Wandel, Klimawandel, Gender Studien und bei der internationalen Zusammenarbeit. Im Mai soll die "Roadmap" an die EU-Kommission übermittelt werden. Der Europäische Forschungsraum sei ein "work in progress", das Fortschritte bei der strategischen Zusammenarbeit und bei Forschungskooperationen zeige, sagte der Minister Ulrike Weigerstorfer (T).

Am "Joint-Programm" ist Österreich mit 2 Mio. € und an sieben von zehn Programmen beteiligt, erfragte Karlheinz Töchterle (V) vom Minister, der die Fortschritte beim Ausbau internationaler Kooperationen als gut bezeichnete. Dass Wien und die Steiermark bei Anträgen um europäische Förderungsmittel besser abschneiden als andere Bundeslähnder, worauf Harry Buchmayr (S), Axel Kassegger (F) und Katharina Kucharowits (S) aufmerksam machten, liegt laut Mitterlehner an den vielen Universitäten, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen dieser Länder, die bei der Teilnahme an europäischen Programmen zudem kooperieren. Die Universitäten werden im Rahmen der neuen Leistungsvereinbarung von der Forschungsförderungsgesellschaft bei EU-Förderungsanträgen beraten und begleitet. "Wir gehen strategisch vor", sagte der Wissenschaftsminister.

Das Thema Arbeitsbewilligungen für ausländische UniversitätsabsolventInnen sei zuletzt durch das Flüchtlingsthema überlagert worden, räumte Mitterlehner gegenüber Sigrid Maurer (G) ein, sagte aber zu, sich künftig darum zu bemühen. Beim Thema Frauenförderung – für ihn ein ebenso wichtiges Thema wie die Genderforschung - sah Mitterlehner Fortschritte. "Wir haben mehr Professorinnen und besetzen die Gremien gendergerecht".

Stärkung der Ombudsstelle für Studierende hat sich bewährt

Lob spendete Bundesminister Mitterlehner dem Leiter der Ombudsstelle für Studierende angesichts seines Tätigkeitsberichts ( III-227 d.B.) im Studienjahr 2014/15. Die Ombudsstelle hat ihren Auftrag bestmöglich umgesetzt. Die Zahl der Anliegen lag mit 500 etwas unter dem vorangegangenen Berichtszeitraum, 60 % davon konnten im Sinne der Studierenden erledigt werden. Darüber hinaus informiert die Ombudsstelle die Studierenden durch Veranstaltungen, Seminare und Publikationen. Der Leiter der Ombudsstelle, Josef Leidenfrost, stimmte in der Debatte Elisabeth Grossmann (S) darin zu, dass berufstätige Studierende bei den Terminen der ÖH-Wahlen besser berücksichtigt werden sollten. Die auch von Sigrid Maurer angesprochenen Ausbildungsverträge in Fachhochschulen sollen veröffentlicht und auf Rechtskonformität überprüft werden. Dafür will sich ausdrücklich auch der Bundesminister einsetzen. Ulrike Weigerstorfer (T) bat erfolgreich um die Erweiterung künftiger Berichte um finanzielle Aspekte und Claudia Gamon (N) war mit Josef Leidenfrost darin einig, dass die Universitäten ihre Informationstätigkeit für die Studierenden weiter ausbauen sollten.

Nach der Leistungsvereinbarung ist vor der Leistungsvereinbarung
Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner informierte den Ausschuss über den Abschluss der neuen Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten, die mit einer Steigerung der Mittel um 6,8 % einen gegenüber anderen Budgetkapiteln bemerkenswerten Zuwachs gebracht haben und als Fortschritt gelten können. Nunmehr bestehen klare Planungsgrundlagen für die Universitäten bis 2018. Gelöst wurde auch das Problem des klinischen Mehraufwands in Wien und in Innsbruck. Das AKH und die Medizinische Universität Wien habe eine langfristige Kooperation vereinbart, intensive Investitionen stehen bevor. Auch in Tirol konnte eine unbefristete Lösung des Problems klinischer Mehraufwand gefunden werden, teilte Mitterlehner den MandatarInnen mit.

Mitterlehner startet Prozess "Zukunft Hochschule"
Im Zentrum der Aussprache stand aber das Thema "Zukunft Hochschule", ein Prozess, den der Minister zur Vorbereitung der nächsten Leistungsvereinbarung und als Voraussetzung der Einführung der Studienplatzfinanzierung starten möchte. Ziel ist eine Gesamtsteuerung des Systems unter Beachtung der Autonomie der Universitäten. Universitäten und Fachhochschulen sollen neu ausgerichtet werden, wobei wirtschaftsnahe Ausbildungen stärker an Fachhochschulen und die Forschung an Universitäten lokalisiert werden sollen. Um die Mobilität der Studierenden zu erleichtern und Probleme in Folge großer Studentenzahlen in "Massenfächern" in den Griff zu bekommen, plädiert Mitterlehner für einen "Fächerabgleich". Weder eine Abschaffung der Universitäten noch die Einführung von Studiengebühren "durch die Hintertüre" sei zu befürchten. Vielmehr geht es Mitterlehner darum, das Profil und die internationale Wahrnehmbarkeit der Universitäten zu stärken, sagte er.

Sprecher aller Fraktionen reagierten grundsätzlich positiv auf die Ausführungen des Ministers, sahen aber viele Fragen offen und zeigten sich im Detail auch besorgt. Andrea Kuntzl (S) warnte etwa davor, die Lehre nicht von der Forschung abzukoppeln, den Zugang zu den Studien nicht zu verschlechtern und die Zahl der Studierenden nicht zu reduzieren.

Andreas Karlsböck (F) brach eine Lanze für die immer wieder kritisierten "Orchideenfächer" und plädierte dafür, das Humboldt'sche Bildungsideal so weit wie möglich hochzuhalten. Claudia Gamon (N) und Sigrid Maurer (G) verlangten übereinstimmend die Einbindung der ParlamentarierInnen und der Studierenden in den geplanten Entscheidungsprozess. Maurer warnte davor, vom Grundsatz der forschungsgeleiteten Lehre abzugehen, weil Fachhochschulen wegen ihrer geringen Größe kaum Forschungsaufgaben übernehmen könnten.

In seinen Antworten auf Detailfragen der Ausschussmitglieder zeigte sich der Wissenschaftsminister überzeugt, dass es sich am Ende des Prozesses, den er offen auf den Plattformen Hochschulkonferenz und Universitätenkonferenz (UNIKO) führen möchte, herausstellen könnte, dass man ein neues Organ mit entsprechenden Kompetenzen brauche, was Gesetzesbeschlüsse erforderlich machen wird. Es gehe um Kooperation und Koordination und um die Lösung von Kostenfragen, wobei der Minister klarstellte, dass er nicht die Absicht habe, Mittel einzuschränken.

Jessi Lintl (F) erfuhr vom Wissenschaftsminister, dass Asylberechtigte durch ein gemeinsames Projekt mit Caritas und Industriellenvereinigung die Möglichkeit haben, Kurse an Universitäten und Fachhochschulen zu besuchen. Die Kosten dieses für ihn vernünftigen Projekts seien unerheblich, sagte Mitterlehner. Für Tests an Universitäten Gebühren von bis zu 50 € einzuheben, was Katharina Kucharowits (S) problematisierte, hielt Mitterlehner für eine sinnvolle Maßnahme zur Steigerung des Kostenbewusstseins.

Dass Wissenschaft und Forschung mehr Geld brauchen, wie der Rat für Technologieentwicklung festgestellt habe, sei richtig, sagte Mitterlehner gegenüber Axel Kassegger (F), der finanzielle Aufholprozess brauche aber Zeit.

Mit Wolfgang Zinggl (G) stimmte der Vizekanzler schließlich in der Kritik am Vorgehen der Türkei gegenüber Studierenden und Dozenten an Universitäten überein und sagte entsprechende Initiativen auf internationaler Ebene zu.

Am Ende seiner Sitzung vertagte der Ausschuss eine Reihe von Oppositionsanträgen auf Vorschlag und mit der Mehrheit der Koalitionsparteien.

Studienbeihilfe: FPÖ gegen Bestrafung leistungswilliger Studierender
Mit Kritik an der Zuverdienstgrenze im Studienförderungsgesetz wartete FPÖ-Abgeordneter Axel Kasseger auf. Verdient ein Student oder eine Studentin in den Ferien mehr als 10.000 €, wird die Studienbeihilfe gekürzt. Um diese "Bestrafung leistungswilliger StudentInnen" abzustellen, so das Argument des Antragtellers, schlägt er vor, jene Zuverdienste von Studierenden, die in vorlesungsfreien Zeiten sowie in Zeiten, in denen keine Beihilfen bezogen werden, bei der Studienbeihilfe unberücksichtigt zu lassen ( 1275/A(E)).

FPÖ: Forschungskompetenzen im Wissenschaftsministerium bündeln
Die Freiheitlichen wollen mittelfristig alle Zuständigkeiten für die Forschung im Wissenschaftsministerium bündeln. Als ersten Schritt fordert Axel Kassegger ( 1503/A(E)), die anwendungsorientierte Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), für die derzeit das Verkehrs-, Innovations- und Technologieressort verantwortlich ist, dem Wissenschaftsministerium zuzuordnen.

Grüne wollen universitäre Frauen- und Geschlechterforschung sichern
Die Frauen- und Geschlechterforschung an den Universitäten leidet unter der prekären Finanzsituation, kritisierte Sigrid Maurer (G) und nannte als Beispiel die Universität Wien, wo "Gender Studies" gefährdet seien, weil die Professur "Interdisziplinäre Geschlechterforschung" nicht weitergeführt werde. Maurer fordert, die Finanzierung aller Professuren der Frauen- und Genderforschung in der Leistungsvereinbarung für 2016 bis 2018 sicherzustellen und legte einen Äbänderungsantrag vor, der die jüngsten Leistungsvereinbarungen berücksichtigte ( 1222/A(E)).

NEOS für Unterstützung von ForscherInnen, die aus dem Ausland heimkehren
Claudia Gamon (N) will den Forschungsstandort Österreich mit einem Rückkehrprogramm für im Ausland forschende ÖsterreicherInnen stärken ( 1519/A(E)). Zwar fördere das Erwin-Schrödinger-Auslandstipendium des Wissenschaftsfonds (FWF) ForscherInnen in der Rückkehrphase, dennoch sein ein eigenständiges Rückkehrprogramm notwendig, argumentierte Gamon. Außerdem sollten Entscheidungen der Forschungsförderungsgesellschaft entpolitisiert werden. Ihr Fachbeirat für die Genehmigung von Projekten sollte nach Schweizer Vorbild mit unabhängigen ExpertInnen besetzt werden ( 1512/A(E)).

Team Stronach will einheitliche Zugangsverfahren zu Universitäten …
Ein einheitliches gesetzliches Zugangsverfahrens zu österreichischen Universitäten statt derzeit fünf verschiedene Formen von Zugangsbeschränkungen verlangte – der mittlerweile zur ÖVP gewechselte - ehemalige Team Stronach-Mandatar Rouven Ertlschweiger ( 839/A(E)) Seine Anträge vertrat im Ausschuss Ulrike Weigerstorfer (T).

… und mehr Kooperation zwischen Universitäten und Fachhochschulen
Synergien zwischen Universitäten und Fachhochschulen will das Team Stronach nutzen und fordert eine Zusammenführung beider Hochschultypen ( 259/A(E)). Universitäten und Fachhochschulen sollen ihr Lehrpersonal wechselseitig im Unterricht einsetzen und ihre Infrastruktur gemeinsam nutzen, die unterschiedlichen Curricula und Abschlüssen sollen aber weiterhin bestehen bleiben.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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