Mitterlehner erklärt seine Strategie "Zukunft Hochschule" im Wissenschaftsausschuss
Wien (pk) - Auf der Suche nach Wegen aus der Krise setzt Europa auch auf die Wissenschaft und auf die Kreativität
seiner ForscherInnen, um Grundlagen für die Entwicklung neuer, nachhaltiger Verfahren und damit die Voraussetzung
für Wachstum und zukunftssichere Jobs zu schaffen. "Österreich ist bei der Teilnahme an EU-Forschungsförderungsprogrammen
wie "Horizon 2020" und "ERASMUS+" gut unterwegs, sagte Bundesminister Reinhold Mitterlehner
am 17.02. im Wissenschaftsausschuss bei der Debatte über wissenschafts- und forschungspolitische Vorhaben
der EU 2016. Hochschulen und Unternehmen nehmen im europäischen Vergleich in weit überdurchschnittlichem
Ausmaß an Programmen teil und auch die Mobilität der Studierenden nehme weiter zu. In einer Aussprache
informierte der Vizekanzler die Abgeordneten über neue Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten
bis 2018 und über die Lösung des Problems "klinischer Mehraufwand". Ganz im Zentrum des Abgeordneteninteresses
stand aber die Absicht des Ministers, die nächsten Leistungsvereinbarungen und die Einführung der Studienplatzfinanzierung
mit einem Entscheidungsprozess unter dem Titel "Zukunft Hochschule" vorzubereiten. Die Abgeordneten begrüßten
diesen Vorschlag, sahen aber viele offene Fragen. Probleme der Studierenden bei der Zulassung zum Studium und beim
Wechsel von Studium und Studienort weist der neue, umfassendere Tätigkeitsbericht 2014/15 der Ombudsstelle
für Studierende aus, den der Minister gemeinsam mit Studierenden-Ombudsmann Josef Leidenfrost den Abgeordneten
präsentierte. Diesen Bericht nahm der Ausschuss einstimmig zur Kenntnis, die EU-Jahresvorschau 2016 akzeptierten
SPÖ, ÖVP, Grüne, NEOS und Team Stronach mehrheitlich. Initiativen der Oppositionsparteien vertagte
der Ausschuss mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP. Die Themen reichten vom Wunsch nach Anhebung der Zuverdienstgrenze
bei der Studienbeihilfe und der Konzentration aller Forschungsagenden im Wissenschaftsressort (FPÖ) über
die Absicherung der Frauen- und Genderforschung (Grüne) und nach einem Rückkehrprogramm für Forschende
im Ausland bis zu unpolitischen Entscheidungen in der Forschungs-Förderungsgesellschaft (NEOS). Das Team Stronach
war für einheitliche Zugangsregelungen und für die Nutzung von Synergien zwischen Universitäten
und Fachhochschulen.
Österreich gut in europäischen Forschungsprogrammen unterwegs
In der Debatte über EU-Vorhaben für 2016 ( III-231 d.B.) informierte Minister Mitterlehner über
das Programm "Horizon 2020" zur Forschungsförderung, über die Weiterentwicklung des europäischen
Forschungsraums, über Bemühungen zur gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen, die Modernisierung
der Hochschulbildung und er kündigte einen Zwischenbericht zum Programm ERASMUS+ für 2017 an. Mitterlehner
informierte die Abgeordneten auch darüber, dass Österreich überaus erfolgreich an den EU-Programmen
"Horizon 2020" und "Erasmus+" teilnimmt und es überdies gelungen sei, die Mobilität
der Studierenden stark zu erhöhen. An "Erasmus+" nehmen derzeit mehr als 6.400 Studierende teil,
zuvor waren es 5.800. Die Zahl der Erasmus-TeilnehmerInnen – bisher insgesamt 86.600 – mache ihn hinsichtlich des
angepeilten Ziels von 100.000 zuversichtlich, sagte Mitterlehner den Abgeordneten Claudia Gamon (N) und Sigrid
Maurer (G). Die Wissenschafts- und Forschungsagenda der EU zielt auf neue Kompetenzen, auf Investitionen in menschliche
Ressourcen und die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen. An "Horizon 2020" nimmt Österreich
überdimensional, nämlich an jedem zehnten Projekt, teil, wobei die Universitäten und die Unternehmen
jeweils einen 35%-Anteil haben, weit über dem Europäischen Durchschnitt von 29%, erfuhren die Ausschussmitglieder.
"Roadmap" zum Europäischen Forschungsraum vor Fertigstellung
Die Arbeit an der "Roadmap" zum Europäischen Forschungsraum stehe vor dem Abschluss, die Schwerpunkte
liegen bei Forschungseffizienz, demografischem Wandel, Klimawandel, Gender Studien und bei der internationalen
Zusammenarbeit. Im Mai soll die "Roadmap" an die EU-Kommission übermittelt werden. Der Europäische
Forschungsraum sei ein "work in progress", das Fortschritte bei der strategischen Zusammenarbeit und
bei Forschungskooperationen zeige, sagte der Minister Ulrike Weigerstorfer (T).
Am "Joint-Programm" ist Österreich mit 2 Mio. € und an sieben von zehn Programmen beteiligt, erfragte
Karlheinz Töchterle (V) vom Minister, der die Fortschritte beim Ausbau internationaler Kooperationen als gut
bezeichnete. Dass Wien und die Steiermark bei Anträgen um europäische Förderungsmittel besser abschneiden
als andere Bundeslähnder, worauf Harry Buchmayr (S), Axel Kassegger (F) und Katharina Kucharowits (S) aufmerksam
machten, liegt laut Mitterlehner an den vielen Universitäten, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen
dieser Länder, die bei der Teilnahme an europäischen Programmen zudem kooperieren. Die Universitäten
werden im Rahmen der neuen Leistungsvereinbarung von der Forschungsförderungsgesellschaft bei EU-Förderungsanträgen
beraten und begleitet. "Wir gehen strategisch vor", sagte der Wissenschaftsminister.
Das Thema Arbeitsbewilligungen für ausländische UniversitätsabsolventInnen sei zuletzt durch das
Flüchtlingsthema überlagert worden, räumte Mitterlehner gegenüber Sigrid Maurer (G) ein, sagte
aber zu, sich künftig darum zu bemühen. Beim Thema Frauenförderung – für ihn ein ebenso wichtiges
Thema wie die Genderforschung - sah Mitterlehner Fortschritte. "Wir haben mehr Professorinnen und besetzen
die Gremien gendergerecht".
Stärkung der Ombudsstelle für Studierende hat sich bewährt
Lob spendete Bundesminister Mitterlehner dem Leiter der Ombudsstelle für Studierende angesichts seines Tätigkeitsberichts
( III-227 d.B.) im Studienjahr 2014/15. Die Ombudsstelle hat ihren Auftrag bestmöglich umgesetzt. Die Zahl
der Anliegen lag mit 500 etwas unter dem vorangegangenen Berichtszeitraum, 60 % davon konnten im Sinne der Studierenden
erledigt werden. Darüber hinaus informiert die Ombudsstelle die Studierenden durch Veranstaltungen, Seminare
und Publikationen. Der Leiter der Ombudsstelle, Josef Leidenfrost, stimmte in der Debatte Elisabeth Grossmann (S)
darin zu, dass berufstätige Studierende bei den Terminen der ÖH-Wahlen besser berücksichtigt werden
sollten. Die auch von Sigrid Maurer angesprochenen Ausbildungsverträge in Fachhochschulen sollen veröffentlicht
und auf Rechtskonformität überprüft werden. Dafür will sich ausdrücklich auch der Bundesminister
einsetzen. Ulrike Weigerstorfer (T) bat erfolgreich um die Erweiterung künftiger Berichte um finanzielle Aspekte
und Claudia Gamon (N) war mit Josef Leidenfrost darin einig, dass die Universitäten ihre Informationstätigkeit
für die Studierenden weiter ausbauen sollten.
Nach der Leistungsvereinbarung ist vor der Leistungsvereinbarung
Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner informierte den Ausschuss über den Abschluss der neuen Leistungsvereinbarungen
mit den Universitäten, die mit einer Steigerung der Mittel um 6,8 % einen gegenüber anderen Budgetkapiteln
bemerkenswerten Zuwachs gebracht haben und als Fortschritt gelten können. Nunmehr bestehen klare Planungsgrundlagen
für die Universitäten bis 2018. Gelöst wurde auch das Problem des klinischen Mehraufwands in Wien
und in Innsbruck. Das AKH und die Medizinische Universität Wien habe eine langfristige Kooperation vereinbart,
intensive Investitionen stehen bevor. Auch in Tirol konnte eine unbefristete Lösung des Problems klinischer
Mehraufwand gefunden werden, teilte Mitterlehner den MandatarInnen mit.
Mitterlehner startet Prozess "Zukunft Hochschule"
Im Zentrum der Aussprache stand aber das Thema "Zukunft Hochschule", ein Prozess, den der Minister zur
Vorbereitung der nächsten Leistungsvereinbarung und als Voraussetzung der Einführung der Studienplatzfinanzierung
starten möchte. Ziel ist eine Gesamtsteuerung des Systems unter Beachtung der Autonomie der Universitäten.
Universitäten und Fachhochschulen sollen neu ausgerichtet werden, wobei wirtschaftsnahe Ausbildungen stärker
an Fachhochschulen und die Forschung an Universitäten lokalisiert werden sollen. Um die Mobilität der
Studierenden zu erleichtern und Probleme in Folge großer Studentenzahlen in "Massenfächern"
in den Griff zu bekommen, plädiert Mitterlehner für einen "Fächerabgleich". Weder eine
Abschaffung der Universitäten noch die Einführung von Studiengebühren "durch die Hintertüre"
sei zu befürchten. Vielmehr geht es Mitterlehner darum, das Profil und die internationale Wahrnehmbarkeit
der Universitäten zu stärken, sagte er.
Sprecher aller Fraktionen reagierten grundsätzlich positiv auf die Ausführungen des Ministers, sahen
aber viele Fragen offen und zeigten sich im Detail auch besorgt. Andrea Kuntzl (S) warnte etwa davor, die Lehre
nicht von der Forschung abzukoppeln, den Zugang zu den Studien nicht zu verschlechtern und die Zahl der Studierenden
nicht zu reduzieren.
Andreas Karlsböck (F) brach eine Lanze für die immer wieder kritisierten "Orchideenfächer"
und plädierte dafür, das Humboldt'sche Bildungsideal so weit wie möglich hochzuhalten. Claudia Gamon
(N) und Sigrid Maurer (G) verlangten übereinstimmend die Einbindung der ParlamentarierInnen und der Studierenden
in den geplanten Entscheidungsprozess. Maurer warnte davor, vom Grundsatz der forschungsgeleiteten Lehre abzugehen,
weil Fachhochschulen wegen ihrer geringen Größe kaum Forschungsaufgaben übernehmen könnten.
In seinen Antworten auf Detailfragen der Ausschussmitglieder zeigte sich der Wissenschaftsminister überzeugt,
dass es sich am Ende des Prozesses, den er offen auf den Plattformen Hochschulkonferenz und Universitätenkonferenz
(UNIKO) führen möchte, herausstellen könnte, dass man ein neues Organ mit entsprechenden Kompetenzen
brauche, was Gesetzesbeschlüsse erforderlich machen wird. Es gehe um Kooperation und Koordination und um die
Lösung von Kostenfragen, wobei der Minister klarstellte, dass er nicht die Absicht habe, Mittel einzuschränken.
Jessi Lintl (F) erfuhr vom Wissenschaftsminister, dass Asylberechtigte durch ein gemeinsames Projekt mit Caritas
und Industriellenvereinigung die Möglichkeit haben, Kurse an Universitäten und Fachhochschulen zu besuchen.
Die Kosten dieses für ihn vernünftigen Projekts seien unerheblich, sagte Mitterlehner. Für Tests
an Universitäten Gebühren von bis zu 50 € einzuheben, was Katharina Kucharowits (S) problematisierte,
hielt Mitterlehner für eine sinnvolle Maßnahme zur Steigerung des Kostenbewusstseins.
Dass Wissenschaft und Forschung mehr Geld brauchen, wie der Rat für Technologieentwicklung festgestellt habe,
sei richtig, sagte Mitterlehner gegenüber Axel Kassegger (F), der finanzielle Aufholprozess brauche aber Zeit.
Mit Wolfgang Zinggl (G) stimmte der Vizekanzler schließlich in der Kritik am Vorgehen der Türkei gegenüber
Studierenden und Dozenten an Universitäten überein und sagte entsprechende Initiativen auf internationaler
Ebene zu.
Am Ende seiner Sitzung vertagte der Ausschuss eine Reihe von Oppositionsanträgen auf Vorschlag und mit der
Mehrheit der Koalitionsparteien.
Studienbeihilfe: FPÖ gegen Bestrafung leistungswilliger Studierender
Mit Kritik an der Zuverdienstgrenze im Studienförderungsgesetz wartete FPÖ-Abgeordneter Axel Kasseger
auf. Verdient ein Student oder eine Studentin in den Ferien mehr als 10.000 €, wird die Studienbeihilfe gekürzt.
Um diese "Bestrafung leistungswilliger StudentInnen" abzustellen, so das Argument des Antragtellers,
schlägt er vor, jene Zuverdienste von Studierenden, die in vorlesungsfreien Zeiten sowie in Zeiten, in denen
keine Beihilfen bezogen werden, bei der Studienbeihilfe unberücksichtigt zu lassen ( 1275/A(E)).
FPÖ: Forschungskompetenzen im Wissenschaftsministerium bündeln
Die Freiheitlichen wollen mittelfristig alle Zuständigkeiten für die Forschung im Wissenschaftsministerium
bündeln. Als ersten Schritt fordert Axel Kassegger ( 1503/A(E)), die anwendungsorientierte Forschungsförderungsgesellschaft
(FFG), für die derzeit das Verkehrs-, Innovations- und Technologieressort verantwortlich ist, dem Wissenschaftsministerium
zuzuordnen.
Grüne wollen universitäre Frauen- und Geschlechterforschung sichern
Die Frauen- und Geschlechterforschung an den Universitäten leidet unter der prekären Finanzsituation,
kritisierte Sigrid Maurer (G) und nannte als Beispiel die Universität Wien, wo "Gender Studies"
gefährdet seien, weil die Professur "Interdisziplinäre Geschlechterforschung" nicht weitergeführt
werde. Maurer fordert, die Finanzierung aller Professuren der Frauen- und Genderforschung in der Leistungsvereinbarung
für 2016 bis 2018 sicherzustellen und legte einen Äbänderungsantrag vor, der die jüngsten Leistungsvereinbarungen
berücksichtigte ( 1222/A(E)).
NEOS für Unterstützung von ForscherInnen, die aus dem Ausland heimkehren
Claudia Gamon (N) will den Forschungsstandort Österreich mit einem Rückkehrprogramm für im Ausland
forschende ÖsterreicherInnen stärken ( 1519/A(E)). Zwar fördere das Erwin-Schrödinger-Auslandstipendium
des Wissenschaftsfonds (FWF) ForscherInnen in der Rückkehrphase, dennoch sein ein eigenständiges Rückkehrprogramm
notwendig, argumentierte Gamon. Außerdem sollten Entscheidungen der Forschungsförderungsgesellschaft
entpolitisiert werden. Ihr Fachbeirat für die Genehmigung von Projekten sollte nach Schweizer Vorbild mit
unabhängigen ExpertInnen besetzt werden ( 1512/A(E)).
Team Stronach will einheitliche Zugangsverfahren zu Universitäten …
Ein einheitliches gesetzliches Zugangsverfahrens zu österreichischen Universitäten statt derzeit fünf
verschiedene Formen von Zugangsbeschränkungen verlangte – der mittlerweile zur ÖVP gewechselte - ehemalige
Team Stronach-Mandatar Rouven Ertlschweiger ( 839/A(E)) Seine Anträge vertrat im Ausschuss Ulrike Weigerstorfer
(T).
… und mehr Kooperation zwischen Universitäten und Fachhochschulen
Synergien zwischen Universitäten und Fachhochschulen will das Team Stronach nutzen und fordert eine Zusammenführung
beider Hochschultypen ( 259/A(E)). Universitäten und Fachhochschulen sollen ihr Lehrpersonal wechselseitig
im Unterricht einsetzen und ihre Infrastruktur gemeinsam nutzen, die unterschiedlichen Curricula und Abschlüssen
sollen aber weiterhin bestehen bleiben.
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