EU-Kommissar Tibor Navracsics im Gespräch mit Abgeordneten
Wien (pk) - Mit dem Topthema Jugendarbeitslosigkeit, aber auch mit der Förderung benachteiligter Jugendlicher,
der Vorbereitung junger Menschen auf den digitalen Wandel sowie der Werteerziehung und sozialen Inklusion jugendlicher
Flüchtlinge befasste sich am 25.02. der EU-Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend und Sport, Tibor Navracsics
in einer Aussprache mit Nationalratsabgeordneten im Parlament. Perspektiven der Europäischen Union bei der
Lösung der Flüchtlingskrise, nach denen Matthias Strolz (N) fragte, sah Navracsics in einer stärkeren
externen Grenzsicherung, besseren Abschiebungs- möglichkeiten und einer stärkeren sozialen Inklusion
von Flüchtlingen, die in Europa bleiben. Um weitere Flüchtlingswellen aufzuhalten, verstärke Europa
seine Hilfe für Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens, dazu gehöre auch die Unterstützung
kultureller Angebote sowie von Bildungsangeboten in den Flüchtlingscamps.
Kommissar Tibor Navracsics informierte seine österreichischen GesprächspartnerInnen über Schwerpunkte
europäischer Bildungspolitik vor dem Hintergrund der ökonomischen Krise und der Flüchtlingskrise.
Dabei attestierte der Kommissar dem heimischen Bildungswesen sehr gute Ergebnisse. Hinsichtlich der komplizierten
Kompetenzverteilung im österreichischen Schulwesen registrierte Navracsics das Bemühen Österreichs,
die Situation zu verbessern und wies dabei auf europäische Best practice-Modelle hin.
Vermittlung europäischer Werte
In ihrer Jugendarbeit konzentriere sich die europäische Kommission auf die Unterstützung junger Menschen
mit Benachteiligungen, wobei der Kommissar den Zusammenhang zwischen Jugendpolitik und Bildungspolitik hervorstrich
und auf das ehrgeizige Ziel hinwies, die Zahl der Erasmus plus-TeilnehmerInnen wesentlich zu steigern. Werteerziehung,
Kreativität und interkulturelles Lernen sind Schwerpunkte europäischer Politik für Jugendliche,
aktuellerweise auch für jugendliche Flüchtlinge. Nach der notwendigen materiellen Versorgung dieser Menschen
geht es in einem zweiten Schritt vor allem um die Vermittlung europäischer Werte, strich Navracsics auf eine
Frage von Jessi Lintl (F) hervor. Als eines der wichtigsten Ziele europäischer Politik führte Navracsics
die Integration jener Flüchtlinge an, die in Europa bleiben. Er informierte über die Förderung von
Workshops und Bildungsangeboten und das Bemühen, den interkulturellen Dialog und die Begegnung von Menschen
zu ermöglichen. Europa gibt mehr Geld denn je für soziale Inklusion aus, insbesondere zur Unterstützung
lokaler Gemeinschaften. Wichtig sei es aber auch, Kulturprojekte in der Türkei zu fördern, um weiteren
Flüchtlingsströmen vorzubeugen. Die Kommission arbeite eng mit der Türkei zusammen, um Flüchtlinge
zu ermutigen, in der Nähe ihrer Heimat zu bleiben, sagte Navracsics.
Die ökonomische Bedeutung der Kultur
Österreich ist das erste EU-Mitgliedsland, das einen Qualifikationsrahmen für die Anerkennung unterschiedlicher
Qualifikationen geschaffen habe, es werde aber eine Zeit brauchen, bis ein solcher Qualifikationsrahmen in ganz
Europa bestehen werde, erfuhr Peter Wurm (F). Die Kommission setze auf die Entwicklung kultureller und kreativer
Industrien sowie von Nonprofit-Organisationen. "Die kulturelle Identität ist eine wesentliche Säule
der europäischen Identität", betonte der Kommissar. "Das gilt für das kulturelle Erbe
und aktuelle Kulturinitiativen ebenso wie die Kultur von morgen. Kultur und Wirtschaft sind unterschiedliche Bereiche,
die aber vielfach zusammenhängen, gab Navracsics Abgeordneter Maria Fekter (V) Recht, die dies am Beispiel
der Bedeutung der Kultur für den österreichischen Tourismus ausführte. Kultur sei aber an sich kein
Thema bei den TTIP-Verhandlungen.
Die Kommission unterstütze Start-ups, wobei es nicht nur um Förderungen, sondern auch um rechtliche Maßnahmen
gehe, die die Gründung von Start-ups erleichtern. Die Förderung kreativer Industrien liege ihm sehr am
Herzen, sagte Navracsics SPÖ-Abgeordneter Elisabeth Hakel.
Schlüsselqualifikation soziale Bildung
Beim Thema Jugendarbeitslosigkeit, das Katharina Kucharowits (S) ansprach, wies der Kommissar darauf hin, dass
viele Firmen Jugendliche einstellen wollten, diesen aber vielfach die Fertigkeiten für einen erfolgreichen
Einstieg ins Berufsleben fehlten, unter anderem auch soziale Fähigkeiten, deren Erwerb es daher von früher
Kindheit an zu fördern gelte.
Die von Matthias Strolz (N) angesprochene Überwindung der traditionellen Trennung von Akademikern und Nichtakademikern
ist das Thema des Programms Erasmus+, das darauf abzielt, die Zahl von 54.000 Lehrlingen im europäischen Austauschprogramm
bis 2020 auf 450.000 zu steigern. Bildung habe Priorität im EU-Budget der EU-Kommissar, das Programm brauche
aber auch Unterstützung von Firmen und Universitäten.
Die Sorge der Grün-Abgeordneten Sigrid Maurer wegen eines wachsenden Antisemitismus in Ungarn bemühte
sich Navracsics zu zerstreuen. Navracics distanzierte sich klar von jeder Form des Antisemitismus und wies darauf
hin, dass die vitale und wachsende jüdische Gemeinde in Budapest ohne jede Gefahr sei.
Asdin El Habbassi (V) erfuhr von Kommissar Navracsics, dass es Teil der Single-Market-Strategie sei, die digitalen
Fertigkeiten junger Menschen zu verbessern, die Universitäten digital zu öffnen und die Zusammenarbeit
mit den USA auf diesem Gebiet auszubauen.
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