Zahlreiche Petitionen und Bürgerinitiativen im Nationalrat behandelt
Wien (pk) - Bürgeranliegen widmete sich der Nationalrat am 24.02. anhand eines Sammelberichts des Ausschusses
für Bürgerinitiativen und Petitionen. Der Bericht wurde zwar mehrheitlich angenommen, bei der Debatte
wichen die Meinungen aber teils stark voneinander ab. Beispielsweise bei der Forderung nach dem Weiterbestand der
Militärmusik ( 71/BI): Während die Freiheitlichen dieses Begehren im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts
sogar mit einem eigenen Antrag unterstützten, war die Mehrheit im Plenum eher der Meinung Norbert Siebers
(V). Der ÖVP-Mandatar verdeutlichte sein Vertrauen in den neuen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil,
die Militärkapellen trotz Sparzwänge wieder zum Spielen zu bringen. Das Argument Hermann Brückls
(F), mit der traditionsschädigenden Auflösung der Bundesheer-Ländermusikkapellen als wichtige Ausbildungsstätten
der Blasmusik würden höchstens sieben Millionen Euro gespart, was "im untersten Promillebereich
des Heeresbudgets" liege, konnte die Ablehnung seines Antrags auch nicht verhindern. Wiewohl Martina Schenk
(T) hinterfragte, wie Doskozils "aufkommensneutrale Lösung" zur Militärmusik aussehen soll.
Asylfrage beschäftigt Bevölkerung massiv
Noch gegensätzlicher waren die Reaktionen auf die Petition "STOP dem Asylchaos in Traiskirchen"
( 49/PET). Hier entwickelte sich die Plenardebatte zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung über das
Asylwesen in Österreich, beziehungsweise zur parteipolitischen Haltung in dieser Frage. Tausende hätten
die Petition unterschrieben, schilderte Christian Höbart (F) deren Genese, nachdem vor allem junge, "kulturfremde"
Männer ohne Bildung in das Land gekommen seien. Die FPÖ wolle diesem "Asylunwesen" nun ein
Ende setzen, zumal nur rund 10% der Asylwerbenden in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten. Flüchtlinge
und AsylwerberInnen als bildungs- und kulturfern zu bezeichnen, nannte Hannes Weninger (S) demgegenüber "menschenverachtend".
Schockiert verlangte er mehr Sensibilität bei solchen Diskussionen: "Das dürfen wir uns als demokratische
Organisation, als österreichisches Parlament nicht gefallen lassen". Christian Hafenecker (F) erwiderte,
Hörbart habe lediglich aus der Kronen Zeitung zitiert.
Aufregung über Schließungen: Militärrealgymnasium, Krankenhäuser
Die übrigen der insgesamt 17 Initiativen boten ebenfalls Raum für intensive Diskussionen der Abgeordneten.
Gegenstand der Redebeiträge waren beispielsweise einige von Bürgerseite verurteilte Schließungspläne
– konkret beim Militärrealgymnasium (MilRG) Wiener Neustadt ( 26/PET) sowie bei den Krankenhäusern Tamsweg
und Mittersill ( 44/PET). Zur "flächendeckenden Gesundheitsversorgung" seien ärztliche Dienste
gerade in strukturschwachen Gebieten zu erhalten wie Herrmann Gahr (V) letztere Petition erklärte. Der Abgeordnete
ohne Fraktion Rupert Doppler berichtete daraufhin über Zusammenlegungen genannter Krankenhäuser, weswegen
er an der parlamentarischen Behandlung des Gegenstands kritisierte, hier hätten die zuständigen Abgeordneten
sich nicht ausreichend informiert.
Einen Anlauf zum Erhalt des Militärrealgymnasiums startete Christian Hafenecker (F), als er beantragte, diese
"einzigartige Schule in Österreich" mit vormilitärischer Ausbildung keinesfalls zu schließen.
"Es ist ein Stück österreichischer Geschichte", eine Institution, aus der eine Reihe namhafter
Persönlichkeiten hervorgegangen seien. Der FPÖ-Mandatar fand zwar ähnlich wie seine Fraktionskollegen,
die sich für die Militärmusik einsetzten, nicht ausreichend Rückenwind bei der Abstimmung. ÖVP-Abgeordneter
Friedrich Ofenauer (V) setzte sich aber dafür ein, die Sparpläne beim Bundesheer in Bezug auf das MilRG
nochmals zu überdenken.
Grundsätzlich kritisierte Hafenecker am Verfahren mit den auf die Tagesordnung gesetzten Bürgerinitiativen
und Petitionen, das Parlament beachte diese Bürgerproteste nicht ausreichend, was wiederum die direkte Demokratie
nicht stärke. Der Vorsitzende des Petitionsausschusses, Michael Pock (N), bedauerte gleichermaßen, einige
zu Beginn der Gesetzgebungsperiode erreichte Verbesserungen wie Hearings zu Bürgeranliegen gingen wieder verloren,
was er vor allem den Regierungsfraktionen anlastete. So gebe es immer noch keine Richtlinie, ab wie vielen Unterschriften
eine Bürgerinitiative im Plenum behandelt werden muss. Dabei sollte "aus der Gnade des Parlaments eine
Pflicht und ein Recht der Bürgerinnen und Bürger werden". Österreich möge sich in Pocks
Augen ein Beispiel an Großbritannien nehmen, das in diesem Bereich über viel bessere Standards verfüge,
und das schon seit rund 200 Jahren, da Parlament und BürgerInnen dort einander näher stünden. Für
öffentliche Hearings im Petitionsausschuss sprach sich auch Team Stronach-Mandatarin Schenk aus.
Sozialdemokrat Johann Hell zeigte sich offen für weiterführende Diskussionen über verbesserte Praktiken
im Petitionsausschuss. Keinesfalls würden aber Anliegen der BürgerInnen "mit Füßen getreten",
wies er derartige Vorwürfe zurück. Schon jetzt hole man zu allen Initiativen Stellungnahmen ein, umriss
Friedrich Ofenauer (V) das derzeitige Prozedere. Hermann Lipitsch (S) führte in diesem Zusammenhang die Bemühungen
zur Verminderung von Fluglärmbelästigung über Siedlungsgebieten an. Viele Anliegen würden außerdem
in den zuständigen Fachgremien weiter erörtert. Hermann Gahr (V) und Dietmar Keck (S) pflichteten ihm
bei und wiesen darauf hin, dass die Anzahl von Petitionen und Bürgerinitiativen an das Parlament in der letzten
Zeit gestiegen ist. Die Vertreter der Koalitionsparteien werten diesen Umstand sehr positiv, zeige er doch das
Interesse der Bevölkerung an politischer Mitwirkung.
Unmut über Pestizide und Pensionskasse
Die Forderung nach einem Verbot von Pestizidprodukten mit dem Wirkstoff Chlorpyrifos
( 51/PET) bekräftigte Wolfgang Pirklhuber (G). Die Ausbringung dieses potentiell hormonell schädlichen
Wirkstoffs müsse untersagt werden, knüpfte er an die Ausführungen von Abgeordnetem Pock an, indem
er betonte, eine Kenntnisnahme der betreffenden Petition reiche nicht aus. Ein Pestizidreduktions-Anliegen wie
dieses sei tunlichst im Landwirtschaftsausschuss zu behandeln, und zwar ehe Pläne der Europäischen Kommission,
Chlorpyrifos wieder zuzulassen, schlagend würden.
Außerdem engagierten sich ProponentInnen diverser Initiativen für eine Änderung des Pensionskassengesetzes
zum Schutz des angesparten Kapitals der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten ( 52/PET), gegen Umbaupläne
an der Attersee Bundesstraße ( 65/BI) und für die Möglichkeit der Doppelresidenz von Kindern getrennter
Eltern ( 66/BI). Weiters für Erleichterungen beim Zugang zum Kleidermacher-Gewerbe ( 70/BI) und bei der Bewirtschaftung
entlegener Täler ( 75/BI) sowie für die Vermeidung von Fluglärm über dicht besiedelten Gebieten
( 76/BI).
Die Doppelresidenz für Trennungskinder griffen Petra Bayr (S) und Martina Diesner-Wais (V) heraus. Im Fokus
jeglicher Regelung stehe das Kindeswohl, weswegen das heimische Recht stabile Beziehungspunkte – örtlich wie
personell – vorsehe, so die Mandatarinnen. Eine Doppelresidenz könne aber nicht garantieren, dass damit nach
einer Trennung der Eltern das Kind nicht einer erhöhten psychischen Belastung ausgesetzt ist. Eine Neuorganisation
der Familie solle beiden Elternteilen auch nach deren Trennung gleich viel Verantwortung zuzugestehen, sprach sich
Edith Mühlberghuber (F) hingegen eindeutig für das Betreuungsmodell Doppelresidenz aus. Kindern würde
dadurch möglichst viel Kontakt sowohl zur Mutter als auch zum Vater zuteil.
Während sämtliche genannte Begehren durch Nationalratsbeschluss mit Zustimmung der Mehrheit erledigt
wurden – und zwar ungeachtet des vehementen Protests der Oppositionsparteien - wies Dritter Nationalratspräsident
Norbert Hofer auf Empfehlung des Petitionsausschusses hin fünf der heute im Plenum erörterten Willensäußerungen
von BürgerInnen den zuständigen Ausschussgremien zu.
Ausweitung des TOP-Jugendtickets wird unterstützt
Konkret sind dies Initiativen für eine Mittelzuteilung an Schulen nach sozialökonomischen Kriterien der
Schülerpopulation ( 39/PET, Unterrichtsausschuss), für Anpassungen des Pensionssicherungsbeitrags ( 43/PET,
61/BI, Verfassungsausschuss) und für eine Anhebung der Altersgrenze auf 26 Jahre bei Top-Jugendtickets ( 46/PET,
Familienausschuss). Weiterbehandelt werden auch die Offensiven gegen Kürzungen der Arbeitsmarktservice-Gelder
für Ausbildungsmaßnahmen ( 72/BI, Sozialausschuss) und für die Schaffung eines Schulfachs zur richtigen
Ernährung ( 74/BI, Unterrichtsausschuss).
Ihre Unterstützung für die preiswerte Mobilität im öffentlichen Verkehr mittels des Top-Jugendtickets
verdeutlichten Nikolaus Berlakovich (V) und Erwin Preiner (S). Obwohl beide einen Ausbau dieses Angebots begrüßten,
eventuell auch in Hinblick auf Studierende, nahmen sie in unterschiedlicher Weise zu dem Bestreben Stellung. Finanzierbar
ist es Berlakovich zufolge nur durch eine Kooperation mit den Bundesländern, die hier jetzt gefordert seien.
Preiner zitierte aus dem Regierungsprogramm und folgerte daraus, vor allem die Familienministerin sowie der Finanzminister
müssten die Petition inhaltlich unterstützen. Ulrike Königsberger-Ludwig (S) wünscht sich speziell,
dass auch TeilnehmerInnen an Job-Qualifizierungsprojekten für Jugendliche mit Behinderung von den vergünstigten
Top-Jugendticketfahrten umfasst werden.
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