Österreichische ParlamentarierInnen diskutieren mit stellvertretendem US-Handelsbeauftragten
über Verhandlungspositionen
Washington/Wien (pk) – Informationen aus erster Hand über die Position der USA zu den TTIP-Verhandlungen
erhielten österreichische Parlamentarierinnen und Parlamentarier am 02.03. unter der Leitung des Zweiten Präsidenten
des Nationalrats, Karlheinz Kopf, in einem Gespräch mit dem stellvertretenden US-Handelsbeauftragten und TTIP-Chefverhandler,
Bryant P. Trick. Der Gedankenaustausch fand vor dem Hintergrund der zwölften Verhandlungsrunde statt, die,
wie Trick ausführte, noch im Laufen ist. Weitere Runden soll es im April und Juli des Jahres geben, die "end
games" sind für Herbst 2016 geplant. Derzeit peilt man einen Abschluss noch unter der Obama-Administration
an. Wie Trick eingangs erwähnte, sind seit Herbst des Vorjahres große Fortschritte erzielt worden, für
fast alle Bereiche liegen Textentwürfe vor, auf deren Basis weiter verhandelt wird.
Trick: Es wird kein transatlantischer Binnenmarkt geschaffen – beide Systeme bleiben bestehen
Trick unterstrich, dass aus der Sicht der USA das Abkommen die strategische und wirtschaftliche Bindung zwischen
den USA und Europa stärken wird. Er sieht darin die Chance, die weltweiten Regeln von Handel und Investitionen
positiv zu beeinflussen und damit ein wichtiges Signal zu setzen. Bei TTIP gehe es keinesfalls darum, einen transatlantischen
Binnenmarkt zu schaffen, betonte der US-Chefverhandler mehrmals. Die zwei Systeme mit eigenen Regeln werden bestehen
bleiben, man wolle jedoch unnötige Unterschiede reduzieren und technische Handelsbarrieren abbauen. Trick
wollte damit auch die von ÖVP-Abgeordnetem Wolfgang Gerstl vorgebrachte Sorge entkräften, die USA seien
schon zu müde geworden, mit der EU zu verhandeln und hätten größeres Interesse an Abkommen
mit asiatischen und pazifischen Staaten.
Sozial- und Umweltstandards seien von TTIP nicht betroffen, versuchte Trick die immer wieder geäußerten
Bedenken auf österreichischer Seite auszuräumen und versicherte, dass für die USA das "right
to regulate", wonach jeder Vertragspartner das Schutzniveau insbesondere für Gesundheit, Sicherheit,
KonsumentInnen, Arbeits- und Umweltschutz nach eigenem Ermessen festlegen kann, für die USA genauso wichtig
sei wie für Europa. Gesetzliche Anforderungen zu senken, wäre weder für den Kongress noch für
die amerikanischen VerbraucherInnen akzeptabel, sagte er und fügte hinzu, dass es auch in den USA - und nicht
nur in Europa - große Sorgen um den Erhalt der eigenen Standards gibt. Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz
sollten nach Meinung der USA einklagbar sein.
Die "harten Nüsse" in den Verhandlungen
Von den österreichischen Mandatarinnen und Mandataren wurden immer wieder Sorgen um die Standards, insbesondere
auch um die Landwirtschaft, geäußert. So wies Nikolaus Berlakovich (V) auf die kleinstrukturierte österreichische
Landwirtschaft hin, die auch in entlegenen Gebieten Flächen bewirtschaftet. Wie Leopold Steinbichler vom Team
Stronach sprach er die Bedeutung der Regionalität von Produkten an. Steinbichler befürchtete, dass man
in Richtung "Einheitsbrei" gehen könnte. Der Schutz europäischer regionaler Marken wurde von
Trick sodann als "harte Nuss" bezeichnet. Hier gebe es zwei unterschiedliche Meinungen, erläuterte
er, denn für die USA stellten die geschützten regionalen Marken ein großes Problem beim Marktzugang
in Europa dar. In den USA sei es schwer verständlich, dass gleiche Rezepturen nicht unter dem gleichen Namen
verkauft werden dürfen. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass hier eine Lösung gefunden werden kann.
Kritische Worte fand der amerikanische Gast auch im Hinblick auf die Tatsache, dass man ursprünglich sämtliche
Zölle mit dem Abkommen abbauen wollte, die EU nun jedoch zurück rudere und für bestimmte Produkte
Ausnahmen fordere.
Auch im Hinblick auf die Gentechnik, die von den Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber (G) und Nikolaus Berlakovich
(V) angesprochen worden war, zeigten sich Auffassungsunterschiede. Die verschiedenen Regelungssysteme würden
nicht geändert, sagte Trick, die USA erwarte sich jedoch von Europa, die eigenen Gesetze umzusetzen. Sorten,
die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zugelassen wurden, sollten auch auf
den gesamten europäischen Markt kommen dürfen, so seine Meinung. Was die jeweiligen Vorschriften zu Chemikalien
betrifft, so wolle man die existierende Zusammenarbeit in Richtung wissenschaftlichen Austausch, Risikobewertung
und internationale Foren stärken. Zum Thema Pflanzenschutz und Höchstsätze bei Rückständen
liege ein gemeinsames transatlantisches Papier vor, auf dessen Grundlage verhandelt werde. Klimaschutz sei von
den TTIP-Verhandlungen ausgeklammert, dazu gebe es eigene Gespräche.
Für die Autoindustrie sieht Trick große Chancen, die sich auch positiv auf die Zulieferer auswirken
könnten. Dabei gehe es nicht um Umweltstandards sondern um die Harmonisierung unterschiedlicher Sicherheitsstandards,
die hohe Kosten verursachen, erläuterte er gegenüber Bundesrat Ferdinand Tiefnig (V).
Strittig ist laut Trick noch immer das öffentliche Beschaffungswesen. Die USA werde auf Bundesebene die Möglichkeiten
für Europa erweitern, sagte er, keinesfalls könne man jedoch in die Rechte der Bundesstaaten eingreifen.
Das Ziel Europas dabei ist es, vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen den Zugang zur öffentlichen
Beschaffungsmärkten in den USA zu erleichtern. Ein großes Hemmnis, sieht man auf europäischer Seite
etwa durch amerikanische Präferenzbestimmungen, wie den "Buy American" Regelungen.
Schiedsgerichte – noch immer umstritten
Einen großen Schritt vorwärts ist man hinsichtlich der in Österreich scharf kritisierten Investor-Staat-Streitbeilegung
(ISDS) gekommen. Nunmehr hat die EU Kommission den Vorschlag für ein Investitionsgericht sowie eine Berufungsinstanz
vorgelegt. Beide Institutionen sollen sich aus RichterInnen mit hohen fachlichen und ethischen Standards zusammensetzen.
Ausdrücklich bekräftigt die EU das staatliche Regelungsrecht zu Erreichung legitimer öffentlicher
Politikziele. Dieser Vorschlag lehnt sich an die Resolution des Europäischen Parlaments vom Juli 2015 an.
Barbara Rosenkranz von den Freiheitlichen äußerte dennoch Zweifel an der Notwendigkeit solcher Gerichte
zur Streitbeilegung, zumal es sowohl in der USA als auch in Europa hohe rechtsstaatliche Standards gibt. Andreas
Karlsböck (F) befürchtete zudem, dass die USA mit ihrer Handelspolitik einen Masterplan in der Außenpolitik
verfolgen und das Schiedsgericht als verlängerter Arm dafür agieren könnte. Ferdinand Tiefnig (V)
erinnerte in diesem Zusammenhang an bedenkliche Sammelklagen in den USA, die für manche Unternehmen zu existenzgefährdenden
Urteilen führen können. Konkret sprach er die Klage gegen Redbull an.
Für die USA hingegen steht es außer Frage, dass ein solches System notwendig ist. Trick begrüßte
in diesem Zusammenhang, dass die Kommission nun einen Vorschlag vorgelegt und damit die Weiterführung der
Verhandlungen ermöglicht hat. Er konnte jedoch noch keine Aussagen darüber machen, wie sein Land dazu
steht, war aber zuversichtlich, dass man einen gemeinsamen Nenner finden werde. Generell bekräftigte Trick
die Unabhängigkeit der amerikanischen Handelspolitik von der Außenpolitik.
In dem Gespräch thematisierte Tiefnig (V) auch den Bankensektor und warnte vor der Aufweichung europäische
Regeln, die die Gefahr einer weiteren Finanzkrise vermindern sollen. Trick führte dazu aus, dass die Debatte
über eine regulatorische Zusammenarbeit zwischen Finanzbehörden noch im Laufen sei, die EU sei dafür,
die USA hingegen vertrete die Auffassung, dass dieser Bereich separat bleiben sollte.
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