Keine Zwei-Drittel-Mehrheit im Wirtschaftsausschuss, zahlreiche Oppositionsanträge
werden vertagt
Wien (pk) - Eine unabhängige weisungsfreie Behörde soll in Zukunft mit der Aufsicht über
die Abschlussprüfer betraut werden. Ein so genanntes Abschlussprüfer-Aufsichtsgesetz, das die Vorgaben
der Richtlinie der Europäischen Union über die Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und
konsolidierten Abschlüssen umsetzt, wurde am 02.03. in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses mit den Stimmen
der Regierungsparteien beschlossen, verfehlte aber die für die darin enthaltenen Verfassungsbestimmungen erforderliche
Zwei-Drittel-Mehrheit. SPÖ und ÖVP kündigten nun weitere Verhandlungen mit der Opposition an, wobei
vor allem die Finanzierung der Behörde, aber auch die Berücksichtigung der Sozialpartner bei der Prüfung
noch offen sind.
Auf der Tagesordnung der Sitzung stand auch eine Reihe von Entschließungsanträgen der Oppositionsparteien,
die ein breites Themenspektrum – von der Gewerbeordnung über die Wirtschaftskammern bis hin zum Ökostrom
– abdeckten, von der Ausschussmehrheit aber jeweils vertagt wurden.
Abschlussprüferaufsichtsbehörde als weisungsfreie Organisationseinheit
Das Abschlussprüfer-Aufsichtsgesetz (APAG) (1012 d.B.) schafft für den Bereich der Abschlussprüferaufsicht
eine eigene, letztverantwortliche und unabhängige Behörde und führt zusätzlich zu den für
alle Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften geltenden Qualitätssicherungsprüfungen auch
Inspektionen für Unternehmen von öffentlichem Interesse ein. Die als weisungsfreie Organisationseinheit
eingerichtete Behörde übernimmt dabei die Funktionen des Arbeitsausschusses für Qualitätsprüfungen
und der Qualitätskontrollbehörde, die bisher auf diesem Gebiet tätig waren.
Die Vorlage erhielt im Ausschuss die Stimmen von SPÖ und ÖVP. Um die für die Verfassungsbestimmungen
erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Plenum zu erzielen, sind nun noch weitere Verhandlungen der Koalition mit
den Oppositionsparteien notwendig. Strittig blieb bislang vor allem die Frage einer allfälligen Berücksichtigung
der Sozialpartner bei der Aufsichtsprüfung. ÖVP-Abgeordneter Werner Groiß sprach sich etwa dafür
aus, die diesbezüglichen VertreterInnen nicht in der vom Gesetz als Beirat vorgesehenen Qualitätsprüfungskommission,
sondern vielmehr im Aufsichtsrat anzusiedeln. Dem gegenüber lehnten die Abgeordneten Josef Schellhorn (N),
Hubert Fuchs (F) und Leopold Steinbichler (T) jegliche "Aufblähung" der Kommission kategorisch ab
und argumentierten, bei der Zusammensetzung des Beirats sollte allein auf die Fachkompetenz der Mitglieder abgestellt
werden. Auch Ruperta Lichtenecker (G) trat dafür ein, die Kommission möglichst schlank zu halten.
Groiß schlug auch vor, den Anwendungsbereich der Tätigkeiten der Wirtschaftsprüfer auf das von
der EU-Richtlinie als notwendig bezeichnete Ausmaß zu reduzieren und etwa Stiftungen und Vereine auszuklammern.
Die Finanzierung wiederum sollte seiner Meinung nach durch den Berufsstand selbst erfolgen, was Fuchs hingegen
ablehnte.
Mit den Stimmen der Regierungsparteien wurde überdies auch eine Ausschussfeststellung beschlossen, in der
die Abgeordneten davon ausgehen, dass durch die Aufsichtsbehörde jedenfalls die Stellungnahme der Qualitätsprüfungskommission
eingeholt wird.
Betriebsanlagengenehmigungen, Gewerbeordnung: Opposition fordert Vereinfachungen und Deregulierungen
Die Abgeordneten Ruperta Lichtenecker (G) und Josef Schellhorn (N) eröffneten den Reigen von Oppositionsanträgen
mit ihren Forderungen nach einem One-Stop Shop für Betriebsanlagengenehmigungen ( 1567/A(E) bzw. 1510/A(E)),
wobei sie sich von dem Motto "Eine Betriebsablage – eine einzige Anlaufstelle" wesentliche Erleichterungen
für Unternehmer erwarteten.
Einen neuen Anlauf zur Neugestaltung und Modernisierung der Gewerbeordnung unternahmen die NEOS zudem in einem
weiteren Entschließungsantrag (613/A(E)), während die Grünen dieses Anliegen mit ihrem Vorstoß
(1552/A(E)) auf gänzliche Freigabe der Teilgewerbe im Bereich Mode konkretisierten. Matthias Köchl hatte
dabei vor allem die bisher von der Gewerbeordnung geregelten Tätigkeit "Änderungsschneiderei",
"Gürtel- und Riemenerzeugung sowie Reparatur von Lederwaren und Schuhen" und "Instandsetzen
von Schuhen" im Visier.
Bei der Gewerbeordnung hakte auch Team Stronach-Mandatar Leopold Steinbichler ein, der in seiner Initiative (1430/A(E))
die Forderung erhob, bei der Pferdeeinstellung von der Unterscheidung zwischen landwirtschaftlichen und gewerblichen
Betrieben abzugehen und für eine allfällige Anwendung der Gewerbeordnung allein auf die Relation zwischen
Pferdebestand und Betriebsgröße abzustellen.
Sämtliche Initiativen wurden mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt, wobei ÖVP-Mandatarin Brigitte
Jank auf einen bereits weit gediehenen Gesetzesentwurf zur Verwaltungsvereinfachung für Unternehmen hinwies
und versicherte, dass es dabei auch zum One-Stop Shop kommen werde. Walter Bacher (S) kündigte zudem eine
Gesamtreform der Gewerbeordnung an.
Schloss Schönbrunn, Hofburg & Co: Grüne für einheitliche Zuständigkeit des Wirtschaftsressorts
Den Grünen geht es in einem von Georg Willi präsentierten Antrag (1564/A(E)) darum, bei touristisch bedeutsamen
Objekten wie dem Schloss Schönbrunn oder den Hofburgen in Wien und Innsbruck die Verwaltung einheitlich beim
Wirtschaftsressort anzusiedeln. Derzeit fallen die jeweiligen Gartenanlagen in die Kompetenz des Landwirtschaftsministeriums,
während die Gebäude dem Wirtschaftsminister unterstehen. Willi erwartet sich von einer Bündelung
der Kompetenzen Einsparungen und bessere Vermarktungschancen und verwies in diesem Zusammenhang auf deutsche Beispiele.
Auch für diesen Antrag heißt es "Bitte warten". Hannes Weninger (S) begründete die mit
den Stimmen der Regierungsparteien beschlossene Vertagung mit dem Argument, man wolle zunächst die Auswirkungen
der Zusammenlegung der Gartenbauschule Schönbrunn mit den Bundesgärten – ein erster Schritt – abwarten.
FPÖ und NEOS mahnen Reformen bei der Wirtschaftskammer ein
Ihren Unmut über die derzeitige Regelung der Wirtschaftskammer brachten FPÖ und NEOS in Entschließungsanaträgen
zum Ausdruck, die bei der Abstimmung allerdings vertagt wurden. So forderte Axel Kassegger von den Freiheitlichen
die Abschaffung der Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften in den Wirtschaftskammern (966/A(E)), während Josef Schellhorn
(N) für ein "Opt-Out" von Ein-Personen-Unternehmen aus der Wirtschaftskammer plädierte (756/A(E)).
Eine Demokratisierung der Wirtschaftskammer verlangte der NEOS-Wirtschaftssprecher in einem weitern Antrag, und
zwar in dem Sinn, dass eine Direktwahl der Wirtschaftsparlamente durch alle Wahlberechtigten und die Zuteilung
der Mandate nach dem Verhältnis der auf die jeweiligen Wählergruppen entfallenen Stimmen erfolgt (1022/A(E)).
Die von SPÖ und ÖVP unterstützte Vertagung der drei Anträge stieß auf Unverständnis
bei den Antragstellern. "Sie haben den Sprung ins 21. Jahrhundert nicht geschafft", brachte Josef Schellhorn
seine Irritation über die Koalitionsparteien auf den Punkt.
Wirtschaft im ländlichen Raum und Russland-Sanktionen im Fokus von Team Stronach und FPÖ
Von der Sorge um die Zukunft des ländlichen Raums angesichts der massiven Abwanderung in die Städte war
ein bei der Abstimmung ebenfalls vertagter Vorstoß des Team Stronach getragen, in dem Leopold Steinbichler
Steuererleichterungen für Unternehmensgründungen auf dem Land einmahnte (961/A(E)). Cornelia Ecker (S)
erinnerte in diesem Zusammenhang an das Programm Ländliche Entwicklung.
Die Freiheitlichen wiederum warnten vor negativen Auswirkungen der EU-Sanktionen gegen Russland auf die heimische
Wirtschaft. Die Forderung Axel Kasseggers nach Aufhebung der Sanktionen (1277/A(E)) wurde allerdings mehrheitlich
vertagt, zumal die Regierungsparteien die internationale Entwicklung abwarten wollen. Dezidiert für eine Beibehaltung
der Sanktionen sprach sich hingegen Tanja Windbüchler-Souschill von den Grünen aus.
Grüne und NEOS wollen Ökostrom forcieren
Im Gefolge der Pariser Klimakonferenz brachten Grüne und NEOS das Thema Ökostrom aufs Tapet. Christiane
Brunner (G) verlieh in ihrer Initiative (1493/A(E)) der Forderung nach 100% Ökostrom bis 2030 Nachdruck und
verlangte vor allem eine ökostromfreundliche Anpassung der entsprechenden gesetzlichen Grundlagen. Darüber
hinaus forderte die Umweltsprecherin der Grünen eine Strategie zur Dekarbonisierung, um die Treibhausemissionen
bis 2050 auf Null zu senken (1497/A(E)). Für eine Reform der Ökostromförderung in Richtung Marktintegration
der erneuerbaren Energien plädierte hingegen Josef Schellhorn (N)( 1260/A(E)). So sollten etwa die Netzbetreiber
verpflichtet werden, innerhalb einer einheitlichen und angemessenen Frist einen Netzzugangsvertrag für Ökostromanlagen
auszustellen. Handlungsbedarf besteht nach Ansicht der NEOS auch bei gesetzlichen Anpassungen, um eine Direktlieferung
im Nahbereich von Ökostromanlagen zwischen Privatpersonen zu ermöglichen.
Auch in diesen Punkten lautete der Beschluss der Regierungsparteien auf Vertagung. Johann Lettenbichler (V) verwies
auf die geplante Novelle des Ökostromgesetzes, während Wolfgang Katzian (S) in der Frage der Umsetzung
der Pariser Klimaziele für weitere Prüfungen und einen umfassenden politischen Diskurs plädierte.
|