Wien (wifo) - Die Wachstumsschwäche der heimischen Volkswirtschaft seit der Euro-Raum-Krise ist nicht auf
einen Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit zurückzuführen; ein Zusammenhang zwischen unterdurchschnittlichem
Wachstum und überdurchschnittlicher Inflation erwächst vielmehr aus der Belastung der Realeinkommen und
der daraus resultierenden Schwächung der Inlandsnachfrage. Dafür maßgebend ist u. a. die rasche
Expansion des Arbeitskräfteangebotes. Der damit verbundene Anstieg der Arbeitslosigkeit belastet die Einkommenszuwächse
der privaten Haushalte und deren Konsumnachfrage. Der Inflationsabstand zu Deutschland und dem Durchschnitt des
Euro-Raumes wiederum wird von der starken Nachfrage nach Dienstleistungen im Bereich Tourismus und Wohnen verursacht.
Seit 2012 wächst die österreichische Volkswirtschaft um weniger als 1% pro Jahr, gleichzeitig steigen
die Preise stärker als in Deutschland und im Durchschnitt des Euro-Raumes. Dies hat die Vermutung genährt,
die heimischen Betriebe hätten an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die Entwicklung des
real-effektiven Wechselkurses und der Lohnstückkosten seit 2012 lässt diesen Schluss allerdings nicht
zu. Zudem werden im Außenhandel mit Dienstleistungen deutliche Überschüsse erzielt, und der Saldo
im Güteraußenhandel ist seit 2014 wieder positiv. Die erhöhte Inflation, die großteils von
der Entwicklung der Dienstleistungspreise verursacht wird, geht demnach nicht von angebotsseitigen Kostensteigerungen
aus. Die florierende Tourismusnachfrage und der steigende Wohnbedarf in den Zentren treiben die Preise von Gastronomie-,
Freizeit- und Kulturdienstleistungen sowie die Immobilienpreise und Wohnungsmieten in die Höhe.
Die Tourismusnachfrage von ausländischen Gästen (Tourismusexporte) ist Teil der Dienstleistungsexporte,
die seit 2012 zügig und stabil expandieren (Abbildung 1); die Warenausfuhr wuchs weniger stark. Das hat vor
allem mit der verhaltenen Dynamik der Exporte nach Deutschland zu tun, die wiederum auf den "produktionsschwachen"
Aufschwung dort zurückzuführen ist (die österreichische Exportbranche profitiert traditionell von
der Expansion der Sachgütererzeugung in Deutschland; diese stagniert jedoch seit 2012 und damit auch die heimische
Industrieproduktion).
Insgesamt tragen die Exporte (Waren und Dienstleistungen) seit Mitte 2013 laufend positiv zum Wirtschaftswachstum
bei, die Stagnation des privaten Konsums hingegen bremst das Wachstum. Dies hat vor allem zwei Ursachen: Zum einen
werden die Realeinkommen vom relativ hohen Preisauftrieb belastet, und zum anderen schwächte sich das Wachstum
der nominellen Arbeitnehmerentgelte ab (2011/2013 +3,5% p. a., 2013/2015 +2,8% p. a.). In Deutschland dagegen,
wo der private Konsum für das höhere Wirtschaftswachstum seit 2014 bestimmend ist, erhöhte sich
die Wachstumsrate der Arbeitnehmerentgelte von 3,3% p. a. im Zeitraum 2011/2013 auf 3,8% p. a. in den letzten zwei
Jahren (2013/2015).
Die unterschiedliche Dynamik der Arbeitseinkommen wiederum resultiert aus der Divergenz der - für den Lohndruck
maßgeblichen -Arbeitslosenquote: In Deutschland geht sie seit 2011 kontinuierlich zurück, in Österreich
erreichte sie 2015 den höchsten Wert seit 1945 (9,1%). Seit Mitte 2013 nimmt das Arbeitskräfteangebot
stärker zu, als es durch die (schwache) Wirtschaftslage und die (getrübten) Arbeitsmarktperspektiven
zu erklären wäre. Dieser Angebotsüberhang, der durch die Migration in den kommenden Jahren noch
verstärkt wird, drückt die Arbeitseinkommen und damit den privaten Konsum.
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