Justizminister Brandstetter stellt ganzheitliches Maßnahmenpaket gegen Radikalisierung
in den Justizanstalten vor
Wien (bmj) - Seit Anfang Februar führt der Verein DERAD in allen österreichischen Justizanstalten
Maßnahmen zur Extremismus-Prävention und De-Radikalisierung durch. Die Kooperation, bei der mit speziell
zugeschnittenen Gesprächsformaten gezielt gefährdete InsassInnen erreicht werden sollen, ist Teil eines
Gesamtpakets mit zahlreichen Maßnahmen zur Prävention von Radikalisierung in Justizanstalten und zur
De-Radikalisierung von InsassInnen. Dieses umfassende Maßnahmenpaket stellt Justizminister Wolfgang Brandstetter
am 29.02. gemeinsam mit Erich Mayer, Generaldirektor für den Strafvollzug, und dem Islamismus-Experten Moussa
Al-Hassan Diaw vom Verein DERAD vor. „Radikalisierung ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, das uns sowohl auf
nationaler als auch auf internationaler Ebene stark beschäftigt. In der diesbezüglichen Debatte werden
Gefängnisse oft als 'Brutstätten' für Radikalisierung und mit Gewalt verbundenem Extremismus beschrieben.
Um dem gezielt entgegenzuwirken, haben wir nun ein ganzheitliches Maßnahmenpaket geschnürt, das sowohl
die bereits umgesetzten als auch weitere – gemeinsam mit ExpertInnen entwickelte – Maßnahmen umfasst. Damit
können wir Radikalisierungstendenzen im Strafvollzug in Zukunft noch konsequenter und effizienter entgegentreten“,
so Justizminister Brandstetter. „Der Verein DERAD ist ein Netzwerk aus WissenschaftlerInnen und ExpertInnen mit
praktischer Erfahrung im Bereich des religiös begründeten politischen Extremismus und setzt sich intensiv
mit dem Bereich Deradikalisierung und Prävention auseinander. Wir verstehen uns als Ergänzung zur Expertise
der JustizwachebeamtInnen, der Fachdienste sowie der Bewährungshilfe und setzen vor allem auf individuell
angepasste Angebote“, erklärt Moussa Al-Hassan Diaw.
Speziell zugeschnittene Gesprächsangebote zur De-Radikalisierung und Extremismus-Prävention
Der Verein DERAD des unabhängigen Netzwerks „EUISA“ ist auch Teil des „Radicalisation Awarness Network“ der
Europäischen Kommission. In Kooperation mit dem Verein werden seit 1. Februar in allen Justizanstalten Maßnahmen
im Bereich Extremismus-Prävention und De-Radikalisierung durchgeführt. Dabei handelt es sich vor allem
um speziell zugeschnittene Gesprächsformate für InsassInnen, die von einer religiös begründeten
extremistischen gewaltbejahenden Ideologie überzeugt sind und/oder bereit waren, für diese zu werben.
In der Regel erfolgt nach Kontaktaufnahme durch die Justizanstalt zuerst ein Abklärungsgespräch, bevor
je nach Bedarf weitere Interventionsgespräche vereinbart werden. Dabei werden vor allem die weltanschaulichen
Ziele, konstruierte Feindbilder und die Gewaltbefürwortung kritisch reflektiert. Zusätzlich werden im
Sinne der politischen Bildung und Sozialkunde Gesprächsgruppen mit InsassInnen durchgeführt.
Sicherheit, Betreuung sowie Aus- und Fortbildung: Ganzheitliches Maßnahmenpaket für alle Bereiche
des Strafvollzugs
Aktuell sind in Österreich 37 Personen wegen des Verdachtes der Mitgliedschaft bei einer Terrorgruppe
oder der Unterstützung einer solchen (§§ 278b ff StGB) in Haft. In Bezug auf den Umgang mit diesen
potenziell radikalisierten InsassInnen wurde im Justizministerium im Sommer 2015 eine interdisziplinäre Task
Force „De-Radikalisierung im Strafvollzug“ gebildet. Von dieser Task Force wurde bereits eine Reihe von Maßnahmen
umgesetzt, mit dem nun vorgestellten Gesamtpaket werden diese sowie weitere mit ExpertInnen geplante Maßnahmen
in allen Bereichen des Strafvollzugs in einem Programm zusammengefasst. So werden im Bereich Sicherheit in jeder
Justizanstalt zwei speziell geschulte Justizwachebedienstete eingesetzt, die als Kommunikations-Schnittstellen
zu den Terrorismus-ExpertInnen bei den Landesämtern für Verfassungsschutz dienen. Sie stehen auch der
Anstaltsleitung bei Radikalisierungsfragen beratend zur Seite. Um eine optimale Betreuung zu gewährleisten,
muss bei Personen, die wegen §§ 278b ff StGB angehalten werden, ab Beginn der Untersuchungshaft verpflichtend
ein individueller Vollzugsplan erstellt werden. Dazu hat ein multiprofessionelles Team detaillierte Prozessentwürfe
zur Unterstützung der Justizanstalten erarbeitet. Weiters soll ein Screening-Verfahren speziell für den
österreichischen Strafvollzug erarbeitet werden, das sich an internationalen Risikoeinschätzungsinstrumenten
orientiert. Das eigens ausgearbeitete Anti-Gewalttraining für StraftäterInnen in den Justizanstalten
soll mit dem Programm des Violence Prevention Network (VPN) in Deutschland abgestimmt und um spezifische Module
zum Thema De-Radikalisierung erweitert werden. Im Bereich der Aus- und Fortbildung sollen neben bereits existierenden
speziellen Schulungen und Sensibilisierungsvorträgen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT)
und die Landesämter für Verfassungsschutz auch ein spezielles Unterrichtsdesign und konkrete Bildungsformate
für die Grundausbildung der Strafvollzugsbediensteten ausgearbeitet werden. Sämtliche Aktivitäten
werden auch wissenschaftlich durch das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie begleitet. Einzelne Justizanstalten
können zudem nach Bedarf auch regionale Fortbildungsveranstaltungen in Anspruch nehmen. Dabei sind im Tagesplan
sowohl Vorträge von qualifizierten Lehrbeauftragten der Strafvollzugsakademie als auch von externen ExpertInnen
eingeplant.
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