Friedensnobelpreis-Träger fordert beim ACADEMIA-SUPERIOR-Symposium „10 Gebote für
Europa“
Gmunden/Linz (academia-superior) Vor mehr als 700 Besucherinnen und Besucher, die gestern Abend auf Einladung
von ACADEMIA SUPERIOR – Gesellschaft für Zukunftsforschung ins Toscana-Congresszentrum in Gmunden gekommen
waren, forderte der Friedensnobelpreis-Träger und ehemalige polnische Staatspräsident Lech Walesa am
12.03. ein Wertefundament für das gemeinsame Europa: „Früher ist Europa auf einem christlichen Fundament
gestanden, dann hat der Kampf gegen den Kommunismus die Länder vereint, doch jetzt gibt es kein gemeinsames
Fundament mehr. Wenn die Europäische Union weiterhin Bestand haben soll, brauchen wir 10 Gebote für Europa,
gemeinsame Werte, die von allen über die Religionen hinaus getragen werden“, betonte Walesa im Rahmen des
6. ACADEMIA SUPERIOR-Symposium zum Thema „Wo beginnt, wo endet Freiheit“.
Zur aktuellen Flüchtlingskrise betonte der legendäre polnische Freiheitskämpfer, diese sei absehbar
gewesen, habe aber Europa trotzdem überrascht: „Wir brauchen ein neues Denken, um von derartigen Entwicklungen
nicht mehr überrascht zu werden und diese Herausforderungen auch lösen zu können. Neue Zeiten brauchen
eine Abkehr von bisherigen Denkmustern, die uns jahrzehntelang geprägt haben, aber jetzt überholt sind“,
so Lech Walesa. Zugleich warnte er vor übertriebenen Pessimismus angesichts der aktuellen Situation: „Als
ich den Kampf um ein freies Polen begonnen habe, hat mir keiner eine Chance gegeben. Aber es ist gelungen, ich
habe gesiegt und den Kommunismus in Polen beendet“, betonte der Friedensnobelpreis-Träger.
Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer betonte: „Freiheit ist nicht nur ein Wert an sich, Freiheit braucht auch
Werte, weil sie ansonsten sehr schnell in Gefahr gerät. Menschliches Handeln gerät nicht von allein zum
Wohle aller Mitmenschen. Der Mensch braucht Regeln, einen Rahmen für sein Handeln. Das darf aber nicht in
Gängelung ausarten, es bedarf einer sorgsamen Abwägung zwischen zu vielen und zu wenig Regeln. Diese
Balance zu finden ist eine große Herausforderung. Während es in den USA und in Großbritannien
eine Tendenz gibt, zu wenig zu regeln, wie die Finanzkrise gezeigt hat, müssen wir Kontinentaleuropäer
selbstkritisch feststellen, dass wir dazu neigen zu viel zu regeln.“ Hier Maß und Mitte zu finden werde eine
gemeinsame globale Aufgabe der Zukunft sein, unterstrich der Landeshauptmann.
„Freiheit braucht Verantwortung“, betonte Wirtschafts-Landesrat Dr. Michael Strugl, Obmann von ACADEMIA SUPERIOR.
Es gebe heute so viel Freiheit wie noch nie, was gerade für die junge Generation selbstverständlich geworden
sei. Erst wenn diese Freiheit wieder beschnitten werde und wie jetzt wieder Zäune errichtet und Grenzkontrollen
eingerichtet werden, werde der Wert der Freiheit wieder bewusst und auch die gemeinsame Verantwortung, sich dafür
einzusetzen, so Strugl.
„Aus der Sicht des Standorts Oberösterreich ist die unternehmerische Freiheit ein zentraler Punkt. Hier gilt
es umso mehr, die richtige Balance zwischen unbedingt nötigem Regelwerk und möglichst großen wirtschaftlichen
Entfaltungsmöglichkeiten zu finden. Denn nur wenn sich neue Ideen frei entfalten können, werden auch
Innovationen entstehen, die Oberösterreich braucht, um im Standortwettbewerb erfolgreich zu sein“, erklärte
Landesrat Strugl. Dabei dürfe man auch nicht vergessen, dass Freiheit auch immer Risiko bedeute. Unternehmerisches
Risiko müsse deshalb gesellschaftlich anerkannt und mitgetragen werden, so Strugl. Generell sei es wichtig,
dass der Staat und die Politik mehr Vertrauen in die Gesellschaft haben müssen und ihr den nötigen Freiraum
zu geben, zugleich bedeute das für jeden einzelnen mehr Eigenverantwortung.
Traditionell werden beim alljährlichen Surprise-Factors-Symposium von ACADEMIA SUPERIOR, geleitet vom wissenschaftlichen
Leiter der Gesellschaft für Zukunftsforschung, Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger, die Themen aus
dem Blickwinkel von Persönlichkeiten aus den verschiedensten Bereichen betrachtet: Der frühere dänische
Bildungsminister und Parteigründer Uffe Elbaek beleuchtete das Thema „Freiheit“ aus politischer Sicht. Die
österreichische Suchtforscherin Dr. Gabriele Fischer, Leiterin der Drogenambulanz des AKH Wien, brachte die
Perspektive der menschlichen Süchte und Zwänge in die Diskussion um die Grenzen der Freiheit ein. Die
russische Kosmopolitin Anna Kamenskaya, die jetzt in Hongkong lebt, steuerte einen globalen Blickwinkel auf das
Spannungsfeld zwischen Freiheit und Unfreiheit zur Diskussion bei. Für die philosophisch-künstlerische
Sichtweise von Freiheit sorgte der deutsche Schriftsteller Wolf Wondraschek. Als Überraschungsgast nahm auch
der israelische Publizist und Journalist, mit österreichischen Wurzeln, Ari Rath, am Symposium teil, der eine
Symbolfigur im Kampf um ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern ist.
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