Nach 50 Jahren erfolgte die offizielle Annahme der historischen Vergebungsbitte durch Erzbischof
Rohracher für die Vertreibung der Protestanten im 18. Jahrhundert
Salzburg (epdÖ) – Mit einem Symposion und einem ökumenischen Dankgottesdienst haben die Evangelische
und die Römisch-katholische Kirche am 13.03. in der evangelischen Christuskirche in Salzburg an ein historisches
Ereignis erinnert, das das Verhältnis der Kirchen zueinander geprägt hat. 1966 hatte der damalige Salzburger
Erzbischof Andreas Rohracher die evangelischen Christinnen und Christen um Vergebung für die Protestantenvertreibung
von 1731/32 gebeten. Anlass für die Vergebungsbitte des Erzbischofs war die Amtseinführung des ersten
evangelischen Superintendenten der neu eingerichteten Superintendenz Salzburg und Tirol am 27. März 1966.
Nun erfolgte die offizielle Annahme der Vergebungsbitte durch die Evangelische Kirche.
Der damalige evangelisch-lutherische Bischof Gerhard May habe sich vor 50 Jahren für das Aussprechen der Vergebungsbitte
bedankt. "Wir sagen heute im Namen der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich: Wir nehmen die Bitte
um Vergebung an", so Bischof Michael Bünker im Gottesdienst, den er gemeinsam mit Erzbischof Franz Lackner,
Superintendent Olivier Dantine, der evangelisch-methodistischen Pastorin Esther Handschin, dem römisch-katholischen
Pfarrer Matthias Hohla, dem altkatholischen Generalvikar Martin Eisenbraun, dem rumänisch-orthodoxen Erzpriester
Dumitru Viezuianu, Max Aicher von der Pfingstgemeinde und dem gastgebenden evangelischen Pfarrer Tillmann Knopf
gestaltete.
Auch die Evangelische Kirche habe Schuld auf sich geladen, heißt es in der Annahme der Vergebungsbitte, die
Superintendent Olivier Dantine verlas. Dies sei auch dadurch verdunkelt worden, dass sich Evangelische gerade im
heutigen Österreich oft in erster Linie als Opfer von Unrecht gesehen hätten. Mittlerweile habe die Evangelische
Kirche die Nachfahren der Täuferbewegung für die blutige Verfolgung, die eben auch von Evangelischen
betrieben wurde, um Vergebung gebeten. Gegenüber der römisch-katholischen Kirche habe sich die Evangelische
Kirche allzu oft durch Abgrenzung bis hin zur Abwertung und durch eine polemische, manchmal auch verzerrte Wiedergabe
ihrer Lehre zu profilieren versucht. "Wir bedauern, dass dadurch das gemeinsame Streben nach Einheit erschwert
wurde", so die Evangelische Kirche. Heute verbinde die Kirchen mehr, als sie trenne: "Für die Beziehung
der christlichen Kirchen in Österreich untereinander hoffen wir auf eine Fortführung des Weges der Versöhnung
und wollen uns dafür einsetzen", heißt es weiter in dem offiziellen Text, den Bischof Bünker
gemeinsam mit Oberkirchenrat Karl Schiefermair und Superintendent Olivier Dantine unterzeichnet hatten.
Erzbischof Franz Lackner zeigte sich im Gottesdienst gerührt und erfreut über die Annahme der Vergebungsbitte.
Er sei "dankbar für die Prozesse des ökumenischen Miteinanders in den letzten 50 Jahren". Zu
Beginn des Symposiums, das dem Gottesdienst voranging, hatte der Erzbischof erklärt: "Man muss an dieser
Stelle auch die Frage zulassen, ob es überhaupt möglich ist, Verbrechen, die von anderen zu anderen Zeiten
begangen worden sind, zu verzeihen." Freilich sei es möglich, "auf Seiten der Schuldigen für
erlangte Schuld um Verzeihung zu bitten". Das habe Erzbischof Rohracher getan.
Bischof Bünker: Vom früheren Gegeneinander und späteren Nebeneinander zum Miteinander und Füreinander
Die Vergebungsbitte Rohrachers bezeichnete Bischof Michael Bünker in seiner Predigt als "deutlichen Impuls
der Christusbindung der Kirche". Es brauche das Hinhören auf die Geschichte der anderen, "die Einfühlung
und Einsicht, die uns zu einer gemeinsamen Zukunft führt". Aus einem früheren Gegeneinander und
späteren Nebeneinander der Kirchen sei ein Miteinander geworden, "und heute wissen wir, dass wir füreinander
da sind, einstehen und Verantwortung tragen", sagte der evangelisch-lutherische Bischof.
"Die Scham, dass so etwas in unserem Land geschehen ist, macht betroffen", sagte Landeshauptmann Wilfried
Haslauer zur Vertreibung der Protestanten im 18. Jahrhundert. Mit der strikten Trennung von Staat und Religion
sei ein "wichtiger Schritt in der Kultur der Menschheit" erreicht worden. Das Vermengen von Staat und
Kirche, die Monopolisierung von Religion als Zwang und Druck "war und ist immer eine Fehlentwicklung",
so der Landeshauptmann. Der Staat habe für die freie Religionsausübung zu sorgen, die Säkularisierung
sei ein "wichtiger Wert bei aller Religionsverbundenheit". Die Gesetze des Staates seien immer an der
"Würde des Menschen und seinen Grundrechten" zu messen. Auch wenn die Vergebungsbitte erst heute
offiziell angenommen wurde, "in Salzburg wird sie schon viele Jahre gelebt", meinte Hauslauer. Im Anschluss
an den Festgottesdienst überreichte der Landeshauptmann mehreren ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
der evangelischen Kirche das Verdienstzeichen des Landes Salzburg und dankte für die "Zuwendung, Wertschätzung
und Hilfeleistung", vor allem in der Betreuung und Versorgung von Flüchtlingen.
Ein Empfang im Schloss Mirabell beschloss die Veranstaltung, die auch im Zeichen des Jubiläums „50 Jahre Evangelische
Superintendenz A.B. Salzburg und Tirol“ stand und zu der die evangelische Diözese gemeinsam mit dem Ökumenischen
Arbeitskreis Salzburg eingeladen hatte. Musikalisch gestalteten den Festgottesdienst Landeskantor Gordon Safari
und die "Cantorey Salzburg"
Hintergrund
Am 27. März 1966 war Emil Sturm in der Christuskirche als erster Superintendent der neuerrichteten Superintendentur
Salzburg-Tirol in sein Amt eingeführt worden. Beim anschließenden Empfang richtete der Salzburger Erzbischof
Rohracher die wegweisenden Worte an die Vertreter der Evangelischen Kirche: „Aus diesem ökumenischen Geist
heraus drängt es mich, die Verfügung eines meiner Vorgänger zu bedauern, wodurch die evangelischen
Brüder und Schwestern genötigt wurden, das Salzburger Land zu verlassen“, so Rohracher damals wörtlich.
Er wolle sein „aufrichtiges Bedauern“ über die damaligen Ereignisse aussprechen, „nicht nur in meinem Namen,
sondern auch im Namen meiner ganzen Erzdiözese meine evangelischen Brüder und Schwestern um Vergebung
zu bitten, wie es Papst Paul VI. zu Beginn der Zweiten Session des letzten Vatikanischen Konzils getan hat“.
Die große Welle der Protestantenvertreibungen fand unter Fürsterzbischof Leopold Anton von Firmian statt,
der 1731/32 rund 22.000 Salzburger Lutheraner („Salzburger Exulanten“) des Landes verwies. Die Vertriebenen stammten
vorwiegend aus dem Pongau und dem Pinzgau. Fast 1800, knapp zwei Drittel aller Bauernhöfe in den beiden Gebirgsgauen
blieben verwaist zurück, was den größten Bevölkerungsverlust bedeutete, den Salzburg je erfahren
hatte, und im Widerspruch zum Westfälischen Frieden von 1648 stand. Viele Exulanten fanden Aufnahme in einigen
Freien Reichsstädten und in den Niederlanden. 15.000 Salzburger fanden Aufnahme bei König Friedrich Wilhelm
von Preußen, der sie in Ostpreußen ansiedelte, andere emigrierten nach Nordamerika und beteiligten
sich an der Gründung der Kolonie Georgia.
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