Bundesrat diskutiert Arbeitsprogramm von EU-Kommission und Rat im Bereich Justiz
Brüssel/Wien (pk) - Weniger ist Mehr, lautet die Maxime der EU-Kommission bei der Rechtsetzung. Nur
noch Vorschriften mit einem "deutlichen Mehrwert für die Praxis" sollen künftig dem Rechtsbestand
der Europäischen Union angehören. Das ist zumindest der Vorsatz, den Justizminister Wolfgang Brandstetter
in seinem Bericht über das heurige Justiz-Arbeitsprogramm von Kommission und Rat, hervorhebt – und als sinnvoll
begrüßt. Von den Mitgliedern des Bundesrats kamen am 10.03. dazu unterschiedliche Rückmeldungen,
schließlich nahm die Länderkammer den Bericht des Justizressorts aber mehrheitlich zur Kenntnis.
Brandstetter will qualitativ hochwertige EU-Rechtsstandards
Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit, Transparenz, Einfachheit und Grundrechtskonformität
bilden nach wie vor die Leitlinien für die Justizpolitik der Europäischen Union. In der vom Justizressort
vorgelegten EU-Jahresvorschau für den Justizbereich wird in diesem Sinn dem Raum der Freiheit, der Sicherheit
und des Rechts Priorität in der europäischen Justizpolitik eingeräumt. Verstärkt in den Fokus
rückt dabei die praktische Durchsetzung bestehender europäischer Rechtsvorschriften und die Qualität
der Rechtsakte. Thematisch wird das laufende Jahr insbesondere von der Umsetzung der Europäischen Sicherheitsagenda
und dem Kampf gegen den Terrorismus geprägt.
Im Rahmen der Überprüfung zentraler Aspekte bestehender Rechtsvorschriften will die EU-Kommission auch
überholte Rechtsakte aufheben, beschreibt Bundesminister Brandstetter im Bericht die Arbeiten am EU-Rechtsstand.
Konkret strebe die Kommission eine signifikante Reduktion der Zahl neuer Legislativvorschläge und die Zurückziehung
zahlreicher alter, blockierter oder aus Sicht der Kommission sinnlos gewordener Initiativen an. Österreich
sei ein Fürsprecher dieses Vorgehens, wenn man auch auf die Kommissionspläne nicht unmittelbar Einfluss
nehmen könne, wie der Minister im Plenum betonte. Allgemein hielt er mit Blick auf den morgigen EU-Justizministerrat
fest, dass dann 28 unterschiedliche Standpunkte "unter einen Hut gebracht werden" müssten. Eine
gemeinsame Linie sei bei der heterogenen Staatengemeinschaft nicht leicht zu finden, trotz des für Brandstetter
fraglos großen wirtschaftlichen Nutzens, den ein einheitlicher Rechtsraum hat. Von österreichischer
Seite werde jedenfalls bei aller Konsensbereitschaft immer auf die Beibehaltung der hohen rechtlichen Standards
geachtet.
Länderkammer tadelt und lobt justiziellen Integrationsprozess
Den Qualitätsanspruch der Kommission in Sachen Rechtsetzung sieht jedoch Michael Raml (F/O) in den Arbeitsprogrammen
nicht erfüllt. Seitenweise würden darin nichtssagende und unklare Parolen ausgegeben, ohne tatsächliche
Lösungen anzubieten, befand er. Konkret zu den Vorhaben im Strafrecht erklärte Raml, die Freiheitlichen
würden eine "Hinunter-Nivellierung" nationaler Rechtstände auf einheitliches EU-Recht ablehnen.
Dementsprechend wandte sich der FPÖ-Sprecher auch gegen die Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft,
zumal diese aus seiner Sicht nur im Interesse der EU handeln würde.
Sowohl Edgar Mayer (V/V) als auch Susanne Kurz (S/S) begrüßten den Bericht hingegen als gute Vorschau
für die Pläne der EU im Justizbereich. In ihrer Wichtigkeit nicht zu unterschätzen sind laut Mayer
die geplanten Regelungen zum digitalen Binnenmarkt. Als Vorsitzender des EU-Ausschusses erinnerte er an mehrere
bereits auf Ausschussebene debattierte Rechtsvorschriften zu online-Handel und Verbraucherschutz: So hätten
die Ausschussmitglieder ihre Bedenken im Zusammenhang mit Bestimmungen für den Fernabsatz bereits mittels
einer begründeten Stellungnahme Brüssel gegenüber verdeutlicht. Reaktionen darauf wie auch auf andere
Entwicklungen in der EU-Justizpolitik seien abzuwarten, gab er sich vorsichtig positiv. Den Vorschlag für
einen besseren Kampf der EU gegen Terrorismus durch einheitlich in einer Richtlinie festgelegte Mindeststandards
beschrieb Kurz im Detail und sie umriss zudem lobend Neuerungen im Familien- und Jugendrecht, die teilweise schon
in österreichisches Recht überführt wurden. Etwa, dass Haftzeiten bei jungen Menschen möglichst
kurz zu halten sind.
Europäische Grundwerte wie Freiheit und Toleranz brachte Ewa Dziedzic (G/W) in Verbindung mit gleichgeschlechtlichen
Partnerschaften zur Sprache. Eindringlich forderte sie vom Justizressort, namens Österreich den ihrer Einschätzung
nach zurückhaltenden Standpunkt hinsichtlich Gleichbehandlungsfragen aufzugeben und für einen gleichwertigen
rechtlichen Schutz homosexueller Paare in der gesamten EU einzutreten – sei es im Ehegüterrecht oder bei der
Adoption von Kindern
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