von Caryl Churchill – Eine Eigenproduktion des Theater Nestroyhof - Hamakom in einer Inszenierung
von Ingrid Lang – Premiere am 6. April 2016
Wien (artphalanx) - Caryl Churchill entwirft in drei spannenden, dichten Szenen ein politisches Horror-
szenario, das den Zuschauer_innen Assoziationsräume in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eröffnet.
Ob die Verschiebung nun von Wirklichkeit und Moral von priva- ten, religiösen, politischen oder wirtschaftlichen
Motiven ausgeht - das Ziel scheint dasselbe zu sein: Die Zerstörung der Erkenntnisfähigkeit des Individuums
und die maximale Kontrolle und Funktionalisierung der einzelnen Menschen und der Natur.
Joan, ein junges Mädchen, kann nicht schlafen, weil sie vor dem Haus ihrer Tante Harper erschreckende Vorgänge
beobachtet hat. Durch Harpers Lügen und Manipulation lernt sie, ihrer eigenen Wahrnehmung zu misstrauen und
ein Geheimnis zu bewahren. Die am Kind ausgeübte psychische Gewalt schafft das Fundament für ein undurchschaubares
totalitäres System, das in der zweiten Szene bereits voll etabliert ist. Joan arbeitet jetzt als Hutmacherin.
Todd, ihr neuer Arbeitskollege, vermutet Korruption am Arbeitsplatz. Die beiden verlieben sich und wollen gemeinsam
gegen diese Missstände vorgehen. Der Terror, an dem Joan und er durch ihre künst- lerische Tätigkeit
indirekt beteiligt sind, kann nicht mehr in Frage gestellt werden, da er längst Teil der neuen, im Sinne der
totalitären Bewegung umgedeuteten Moral geworden ist.
Im letzten Abschnitt des Stückes herrscht ein allumfassender, globaler Krieg. Selbst die Natur ist daran beteiligt.
Information ist überlebensnotwendig, da die Gruppierungen sich ständig ändern. Das Wetter ist auf
Seiten der Japaner, Kinder unter fünf werden zu Todfeinden erklärt und wer nicht weiß, auf wessen
Seite die Rehe stehen, wird aus dem Familienverband ausgeschlossen.
Isoliert, paranoid und gehorsam sollen sie sein, die Menschen. Doch dann findet Joan in der Mitte eines Flusses
etwas längst Verlorengeglaubtes wieder.
Mit einem hochkrätigen Ensemble gibt Ingrid Lang mit Caryl Churchills In weiter Ferne ihr Regiedebüt.
Caryl Churchill
1938 wird Caryl Churchill in London geboren. Sie studiert englische Literatur in Oxford und schreibt dort drei
Stücke für studentische Theatergruppen. Damit gewinnt sie 1958 ihren ersten Theaterpreis. 1961 heiratet
sie und zieht in den folgenden Jahren drei Söhne groß. 1972 folgt Owners, ihr erstes Stück für
die Bühne. Sie kritisiert darin kapitalistische Umgangsformen wie aggressiv sein, vorwärtskommen, erfolgreich
sein. Von 1974 bis 1975 ist sie "resident dramatist" am Royal Court Theatre und beginnt ihr Schreiben
mit Hilfe von Workshops und Improvisationen systematisch weiter zu entwickeln. Sie arbeitet mit der femini- stischen
Theatergruppe Monstrous Regiment zusammen. Ein Durchbruch gelingt ihr 1979 mit Cloud Nine. Darin attackiert sie
die koloniale Vergangenheit Eng- lands und die traditionellen Geschlechterrollen. In den USA wird sie gefeiert.
In England sind die Kritiker im Unterschied zum Publikum noch skeptisch. Sie befreit sich immer mehr von den Konventionen
des Realismus und findet ihren eigenen, nicht realistischen, direkten Zugriff auf den Stoff.
"Indem Churchill Frauen ganz selbstverständlich als Thema setzt, macht sie klar, dass dieses Thema
so selbstverständlich nicht ist."(Renate Klett)
In ihrem nur mit weiblichen Rollen besetzten Stück Top Girls von 1982, geht es um die Schwierigkeiten von
Frauen erfolgreich zu sein und gleichzeitig um die Fragwürdigkeit dieses Erfolges in einer Gesellschaft, in
der Leute, die es nicht schaffen, einfach abgeschrieben werden. Top Girls ist ihr bis jetzt erfolgreichstes Stück
und wird vor allem auch im deutschen Sprachraum viel gespielt. In The Skriker von 1994 setzt sich Churchill über
ihre eigene Ästhetik hinweg und expe- rimentiert mit der Logik von Träumen: Skriker, ein Kobold oder
eine Fee, mani- puliert und umspielt zwei weibliche Teenager, in seiner oder ihrer Suche nach Liebe und Rache.
Das gelingt auf verblüffende Weise, weil er bzw. sie als Geist jede Form annehmen kann. 2000 folgt In weiter
Ferne mit Riesenresonanz im In- und Ausland. 2002 veröffentlicht sie ihr Stück A Number über das
menschliche Klo-nen und gewinnt damit den "Evening Standard Award for Best New Play". Ein junger Mann
erfährt bei einer Untersuchung im Krankenhaus, dass er nicht - wie bisher angenommen - der einzige Sohn seines
Vaters ist, sondern einer von ver- schiedenen Klonen. A Number ist unter dem Titel Die Kopien im deutschsprach-
gen Raum erfolgreich. Churchill schreibt auch Hörspiele und Fernsehspiele für die BBC, die noch für
das Theater adaptiert werden.
Weitere Vorstellungen: 8., 9., 13. bis 16. und 20. bis 23. April, jeweils 20 Uhr
|