Flüchtlingskrise beherrscht Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses
Wien (pk) - "Der jüngste EU-Gipfel war ein guter Zwischenschritt, von einer Lösung der Krise
sind wir aber noch weit entfernt". Bei einer Aktuellen Aussprache im Außenpolitischen Ausschuss bekräftigte
Außenminister Sebastian Kurz am 09.03. das Ziel der Union, durch Einbindung der Türkei den Zustrom von
Flüchtlingen nach Europa einzudämmen, betonte aber gleichzeitig, der Deal mit Ankara dürfe zu keiner
Aufgabe der europäischen Ansprüche an die Menschenrechte und Grundfreiheiten führen.
Kurz will Flüchtlinge in Griechenland versorgen, Grüne warnen vor humanitärer Notlage
Das von Österreich geforderte Ende des "Durchwinkens" an der Balkan-Route sei großteils geglückt,
stellte Kurz in der Debatte mit den Abgeordneten fest. Staatlich organisierter Weitertransport von Flüchtlingen
werde nun nicht mehr stattfinden, die Union verstärke ihren Kampf gegen die Schlepperei, fasste der Außenminister
die Ergebnisse von Brüssel zusammen. Die prekäre Lage an der griechisch-mazedonischen Grenze führte
Kurz auf die "Einladungspolitik" seitens der EU zurück. Diese habe - menschlich durchaus verständlich
- Hoffnungen erweckt, die man nicht erfüllen könne. Es gelte nun, den Flüchtlingen vor Ort in Griechenland
zu helfen, betonte Kurz und war damit einer Meinung mit ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Grundsätzlich
positiv beurteilte er auch den Vorschlag von Andreas Schieder (S), Schutzzonen in der Region Syrien/Türkei
einzurichten. Grünen-Mandatarin Alev Korun hingegen warf dem Minister vor, durch den Alleingang die humanitäre
Notlage in Griechenland verursacht und damit eine europäische Lösung torpediert zu haben. Wie soll Griechenland
die zu erwartende Anzahl von einer Million Flüchtlingen versorgen, wenn für Österreich 90.000 schon
zu viel waren, fragte sie.
Flüchtlingsdeal und Menschenrechte: Abgeordnete gegen Konzessionen an die Türkei
Angesichts des Zusammenhangs mit der Flüchtlingskrise rückte die Türkei in den Mittelpunkt der Debatte.
Europa befinde sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Ankara, beklagte Tanja Windbüchler-Souschill
(G) und wies auf die aktuelle Menschenrechtslage hin. "Die EU darf sich nicht auf Kosten der Menschenrechte
mit 3 Mrd. € freikaufen", brachte ihre Fraktionskollegin Aslan Aygül Berivan die Irritation zahlreicher
Abgeordneter auf den Punkt. So warnten auch Johannes Hübner (F), Christoph Vavrik (N) und Christoph Hagen
(T) vor einer Aufweichung der Standpunkte Brüssels in den Verhandlungen über Visafreiheit und EU-Beitritt.
In ihrer jetzigen Verfassung habe die Türkei in der EU nichts verloren, legte Peter Pilz von den Grünen
nach.
Die Union zahle heute den Preis für die Offenheit in der Flüchtlingspolitik des letzten Jahres, skizzierte
Kurz die Situation vor dem Hintergrund der angestrebten Lösung mit der Türkei. Europa dürfe seine
Positionen in Sachen Grundrechte jedenfalls nicht aufgeben. Der Minister versicherte, sich dafür einzusetzen,
dass es zu keiner Vermischung von Fragen wie Medienfreiheit, Menschenrechte oder dem Kurdenproblem mit der Flüchtlingskrise
kommt. Bei Visafreiheit und EU-Beitritt müssen jene Kriterien gelten, die auch für alle anderen Staaten
gegolten haben, steht für Kurz fest. Nach wie vor gelte für Österreich der Grundsatz einer maßgeschneiderten
Partnerschaft mit der Türkei, dies bedeute "kein Beitritt", präzisierte er.
Dass Österreich bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise auf europäische Zusammenarbeit und
die Einbindung der Türkei setzt, gleichzeitig aber auch Strategien zur Verbesserung der Lebensverhältnisse
in den Herkunftsländern der Flüchtlinge sucht, geht auch aus dem EU-Vorhabensbericht für 2016 (III-241
d.B.) hervor, den der Ausschuss mit den Stimmen der Regierungsparteien zur Kenntnis nahm.
Kurz für Unterscheidung zwischen Flüchtlingen und AsylwerberInnen
Beim Thema Migration müsse es zu einer Entzerrung der Begriffe "Zuwanderung" und "Asyl"
kommen, pflichtete Kurz FPÖ-Abgeordnetem Reinhard Eugen Bösch bei, der wie Claudia Durchschlag (V) in
diesem Zusammenhang auch die Frage der Rückführung ansprach. Der Minister warnte allerdings insbesondere
in Bezug auf die afghanischen Flüchtlinge ohne Asylstatus vor überzogenen Erwartungen, kündigte
aber an, Österreich werde sich jedenfalls an der deutschen Praxis orientieren.
Granatenexport nach Abu Dhabi: Kurz weist Vorwürfe der Grünen scharf zurück
Im Zuge der Debatte konfrontierte Grünen-Mandatar Peter Pilz den Außenminister mit dem Vorwurf, sein
Ressort habe eine positive Stellungnahme für einen letztlich nicht durchgeführten Export von 250.000
Granaten nach Abu Dhabi abgegeben und dadurch vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs im Jemen gegen das Kriegsmaterialiengesetz
verstoßen. Dies sei ein "plumper Anpatzungsversuch", konterte Kurz und unterstrich mit Nachdruck,
er verfüge über keinerlei Hinweise, dass sich Beamte seines Ressorts nicht gesetzeskonform verhalten
hätten.
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