Kurz: EU darf bei Türkei-Deal ihre
 Grundwerte nicht aufgeben

 

erstellt am
10. 03. 16
11:00 MEZ

Flüchtlingskrise beherrscht Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses
Wien (pk) - "Der jüngste EU-Gipfel war ein guter Zwischenschritt, von einer Lösung der Krise sind wir aber noch weit entfernt". Bei einer Aktuellen Aussprache im Außenpolitischen Ausschuss bekräftigte Außenminister Sebastian Kurz am 09.03. das Ziel der Union, durch Einbindung der Türkei den Zustrom von Flüchtlingen nach Europa einzudämmen, betonte aber gleichzeitig, der Deal mit Ankara dürfe zu keiner Aufgabe der europäischen Ansprüche an die Menschenrechte und Grundfreiheiten führen.

Kurz will Flüchtlinge in Griechenland versorgen, Grüne warnen vor humanitärer Notlage
Das von Österreich geforderte Ende des "Durchwinkens" an der Balkan-Route sei großteils geglückt, stellte Kurz in der Debatte mit den Abgeordneten fest. Staatlich organisierter Weitertransport von Flüchtlingen werde nun nicht mehr stattfinden, die Union verstärke ihren Kampf gegen die Schlepperei, fasste der Außenminister die Ergebnisse von Brüssel zusammen. Die prekäre Lage an der griechisch-mazedonischen Grenze führte Kurz auf die "Einladungspolitik" seitens der EU zurück. Diese habe - menschlich durchaus verständlich - Hoffnungen erweckt, die man nicht erfüllen könne. Es gelte nun, den Flüchtlingen vor Ort in Griechenland zu helfen, betonte Kurz und war damit einer Meinung mit ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Grundsätzlich positiv beurteilte er auch den Vorschlag von Andreas Schieder (S), Schutzzonen in der Region Syrien/Türkei einzurichten. Grünen-Mandatarin Alev Korun hingegen warf dem Minister vor, durch den Alleingang die humanitäre Notlage in Griechenland verursacht und damit eine europäische Lösung torpediert zu haben. Wie soll Griechenland die zu erwartende Anzahl von einer Million Flüchtlingen versorgen, wenn für Österreich 90.000 schon zu viel waren, fragte sie.

Flüchtlingsdeal und Menschenrechte: Abgeordnete gegen Konzessionen an die Türkei
Angesichts des Zusammenhangs mit der Flüchtlingskrise rückte die Türkei in den Mittelpunkt der Debatte. Europa befinde sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Ankara, beklagte Tanja Windbüchler-Souschill (G) und wies auf die aktuelle Menschenrechtslage hin. "Die EU darf sich nicht auf Kosten der Menschenrechte mit 3 Mrd. € freikaufen", brachte ihre Fraktionskollegin Aslan Aygül Berivan die Irritation zahlreicher Abgeordneter auf den Punkt. So warnten auch Johannes Hübner (F), Christoph Vavrik (N) und Christoph Hagen (T) vor einer Aufweichung der Standpunkte Brüssels in den Verhandlungen über Visafreiheit und EU-Beitritt. In ihrer jetzigen Verfassung habe die Türkei in der EU nichts verloren, legte Peter Pilz von den Grünen nach.

Die Union zahle heute den Preis für die Offenheit in der Flüchtlingspolitik des letzten Jahres, skizzierte Kurz die Situation vor dem Hintergrund der angestrebten Lösung mit der Türkei. Europa dürfe seine Positionen in Sachen Grundrechte jedenfalls nicht aufgeben. Der Minister versicherte, sich dafür einzusetzen, dass es zu keiner Vermischung von Fragen wie Medienfreiheit, Menschenrechte oder dem Kurdenproblem mit der Flüchtlingskrise kommt. Bei Visafreiheit und EU-Beitritt müssen jene Kriterien gelten, die auch für alle anderen Staaten gegolten haben, steht für Kurz fest. Nach wie vor gelte für Österreich der Grundsatz einer maßgeschneiderten Partnerschaft mit der Türkei, dies bedeute "kein Beitritt", präzisierte er.

Dass Österreich bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise auf europäische Zusammenarbeit und die Einbindung der Türkei setzt, gleichzeitig aber auch Strategien zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Herkunftsländern der Flüchtlinge sucht, geht auch aus dem EU-Vorhabensbericht für 2016 (III-241 d.B.) hervor, den der Ausschuss mit den Stimmen der Regierungsparteien zur Kenntnis nahm.

Kurz für Unterscheidung zwischen Flüchtlingen und AsylwerberInnen
Beim Thema Migration müsse es zu einer Entzerrung der Begriffe "Zuwanderung" und "Asyl" kommen, pflichtete Kurz FPÖ-Abgeordnetem Reinhard Eugen Bösch bei, der wie Claudia Durchschlag (V) in diesem Zusammenhang auch die Frage der Rückführung ansprach. Der Minister warnte allerdings insbesondere in Bezug auf die afghanischen Flüchtlinge ohne Asylstatus vor überzogenen Erwartungen, kündigte aber an, Österreich werde sich jedenfalls an der deutschen Praxis orientieren.

Granatenexport nach Abu Dhabi: Kurz weist Vorwürfe der Grünen scharf zurück
Im Zuge der Debatte konfrontierte Grünen-Mandatar Peter Pilz den Außenminister mit dem Vorwurf, sein Ressort habe eine positive Stellungnahme für einen letztlich nicht durchgeführten Export von 250.000 Granaten nach Abu Dhabi abgegeben und dadurch vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs im Jemen gegen das Kriegsmaterialiengesetz verstoßen. Dies sei ein "plumper Anpatzungsversuch", konterte Kurz und unterstrich mit Nachdruck, er verfüge über keinerlei Hinweise, dass sich Beamte seines Ressorts nicht gesetzeskonform verhalten hätten.

 

 

 

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