Weiterhin kein Konsens bei Doppelstaatsbürgerschaft für SüdtirolerInnen
Wien (pk) - Die Schutzfunktion Österreichs gegenüber Südtirol bekräftigten am 09.03.
im Außenpolitischen Ausschuss des Nationalrats alle Parteien. Priorität in der heimischen Südtirolpolitik
müsse sein, dafür zu sorgen, dass bei einer Überarbeitung der italienischen Verfassung die Rechte
der autonomen Provinzen nicht beschnitten werden, richteten die Ausschussmitglieder mit einer Entschließung
einstimmig Außenminister Sebastian Kurz aus. Uneins sind die Fraktionen aber noch in puncto Doppelstaatsbürgerschaft.
Besonders die Grünen warnten im Ausschuss mit Bedacht auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt eindringlich
davor, SüdtirolerInnen eine zweite, österreichische Staatsbürgerschaft zuzugestehen. Zumal nach
Dafürhalten von Georg Willi (G) die Anspruchsberechtigung schwer zu erklären wäre. Für die
FPÖ, namentlich Johannes Hübner (F), ergibt sich wiederum schon aus historischen Gründen für
SüdtirolerInnen das Recht auf Doppelstaatsbürgerschaft. Vorerst abgeschlossen ist damit die Debatte über
die Bürgerinitiative "Österreichische Staatsbürgerschaft für Süd-Tiroler", die
ein eigens eingesetzter Unterausschuss im Vorfeld behandelt hatte.
Der blutige Konflikt in Burundi wird die Abgeordneten auch künftig intensiv beschäftigen. Auf Initiative
von SPÖ und ÖVP erhielt Minister Kurz vom Ausschuss den Auftrag, in sämtlichen internationalen Gremien
auf eine gewaltfreie Verhandlungslösung zwischen den burundischen Konfliktparteien zu drängen. Die Grünen
stoßen sich allerdings an der Forderung von SPÖ und ÖVP, einen Friedensprozess durch Einschränkungen
bei der Entwicklungshilfe herbeizuführen und stimmten der Initiative daher ebenso wenig wie die NEOS zu. Abgelehnt
wurde von der Ausschussmehrheit wiederum ein Antrag der FPÖ, Mittel der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) nur
auszuzahlen, wenn Empfängerländer bei der Rücknahme ihrer in Europa um Asyl werbenden StaatsbürgerInnen
kooperieren – wenn auch eine dazu eingebrachte SPÖ-ÖVP-Initiative für bessere Anreizsysteme gegenüber
Rücknahmestaaten mehrheitlich angenommen wurde.
Mit breiter Mehrheit trug der Ausschuss eine Grünen-Forderung mit, dem UN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage
im Iran ein längeres Mandat zu geben. Ein weiterer Aufruf der Grünen, vehementer gegen sexuelle Gewalt
in bewaffneten Auseinandersetzungen vorzugehen, erhielt zwar nur bei den anderen Oppositionsparteien Gehör.
Doch wurde in diesem Zusammenhang ein ähnlich lautender SPÖ-ÖVP-Antrag mehrheitlich verabschiedet.
Für die Vertagung stimmten SPÖ und ÖVP schließlich bei einem Antrag der Grünen, Lieferungen
von Rohstoffen aus Konflikt- und Hochrisikogebieten zur Gänze öffentlich zu machen. Das Thema werde derzeit
auf EU-Ebene behandelt, so die Erklärung.
Italiens Verfassungsreform soll Südtirol-Autonomie nicht schaden
Die Wahrung der Südtiroler Interessen ist Grundprinzip der im Pariser Vertrag von 1946 festgeschriebenen Schutzfunktion
Österreichs für Südtirol, stellte ÖVP-Außenpolitiksprecher Reinhold Lopatka anhand eines
einhellig angenommenen Mehrparteienantrags klar. Vom Außenminister erwarten die Abgeordneten, sich im Zuge
der im Oktober zu Abstimmung stehenden Verfassungsreform in Italien für die Aufrechterhaltung der Kompetenzen
Südtirols einzusetzen.
Keinen Konsens erreicht hat der 2011 gestarteten Südtirol-Unterausschuss in der Frage der Doppelstaatsbürgerschaft,
die ÖVP-Abgeordnetem Andreas Ottenschläger zufolge bei Expertenhearings und in verschiedenen Gremien
fünf Jahre lang diskutiert wurde. Der Tiroler Grünen-Mandatar Willi ist zufrieden, dass der Mehrheit
im Parlament eine italienisch-österreichische Doppelstaatsbürgerschaft für SüdtirolerInnen
nicht zusagt. Um die Herausbildung einer "2-Klassen-Gesellschaft" in Südtirol zu verhindern und
die Weiterentwicklung der Südtiroler Autonomie nicht zu gefährden, ist für ihn einzig ein europäischer
Weg gangbar; den er im Übrigen auch bei der Flüchtlingspolitik einmahnte. Ein "Anhäufen nationaler
Staatsbürgerschaften" laufe dem europäischen Ansatz zuwider, so Willi und wurde von Gisela Wurm
(S) in diesem Punkt bestätigt.
Die FPÖ wiederum sieht im Einklang mit der entsprechenden Bürgerinitiative ( 7/BI) die Bundesregierung
gefordert, für SüdtirolerInnen die Voraussetzungen zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft
als zweite Staatsbürgerschaft zu schaffen. In ihren Augen ist die Vermutung, Doppelstaatsbürgerschaften
könnten eine Gesellschaft spalten, nicht stichhaltig, wie Johannes Hübner (F) ebenso wie Team Stronach-Mandatar
Christoph Hagen hervorhob. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmt aber mit Außenminister Kurz überein,
die Zusammenarbeit im Rahmen der Europaregion "Tirol-Südtirol-Trentino" trage viel zur Vertiefung
der grenzüberschreitenden Verbindungen bei. In einem Bericht des Außenamts zur Südtiroler Autonomieentwicklung
werden als Beleg Kooperationen in Schwerpunktbereichen wie Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, Wirtschaft, Umwelt
und Kultur angeführt.
An Aktualität gewonnen hat die Debatte über die Autonomie Südtirols durch den Sparkurs der italienischen
Regierung. Wie der Autonomiebericht zeigt, sind eine Reihe von Budgetkonsolidierungsmaßnahmen in den Jahren
2011 und 2012 ohne vorherige Konsultation mit Südtirol beschlossen worden, obwohl sie über das Mailänder
Abkommen hinausgehende substantielle zusätzliche Einsparungen für den Landeshaushalt vorsehen und Südtirol
auch nicht an den Einnahmen aus den erhöhten Steuersätzen beteiligt wird. Laut Abkommen sollte Italien
in der Regel 90% der in Südtirol eingenommenen Steuern dem Land rückerstatten, allfällige Änderungen
wären zwischen Rom und Bozen auszuverhandeln. Vor diesem Hintergrund begrüßte der Außenpolitische
Ausschuss heute die im Zuge der italienischen Verfassungsreform ausverhandelte Schutzklausel gegen Verschlechterungen
für autonome Regionen und Provinzen, worunter auch Südtirol fällt.
Burundi: Ausschuss fürchtet Ausweitung des blutigen Konflikts
Mediationsversuche der UNO zwischen den Konfliktparteien in Burundi hätten bislang wenig Erfolg gezeitigt,
verweisen die Koalitionsparteien in ihrem Antrag ( 1580/A(E)) auf das abgewiesene Angebot von UN-Generalsekretär
Ban Ki-moon, eine friedenssichernde Mission in dem ostafrikanischen Land zu starten. Burundi ist seit den umstrittenen
Präsidentschaftswahlen im Vorjahr Schauplatz eines blutigen Konflikts, der bereits mehr als 400 Menschen das
Leben gekostet und über 250.000 in die Flucht getrieben hat. Als konkretes Mittel zur Konfliktbeilegung schlagen
deswegen SPÖ und ÖVP vor, die EU-Entwicklungshilfe an Burundi - zwischen 2014 und 2020 sind hier 430
Mio. € veranschlagt - bei einer Eskalation des Konflikts auszusetzen beziehungsweise auf humanitäre Projekte
zu beschränken. Drüber hinaus soll Außenminister Kurz gegenüber allen burundischen Akteuren
auf ein Ende der Gewalt und der schweren Menschenrechtsverletzungen drängen. Ziel der Anstrengungen auf bilateraler
und multilateraler Ebene müsse sein, die innenpolitischen Konfliktparteien zu Verhandlungen an einen Tisch
zu bringen, unterstreichen Christine Muttonen (S) und Reinhold Lopatka (V).
Für die Freiheitlichen merkte Andreas Karlsböck seine Zweifel an der Wirkungskraft des Vorstoßes
für eine bilaterale Friedensmission an, habe doch Österreich keinerlei diplomatische Vertretung in Burundi.
Noch stärkerer Protest gegen den Antrag kam von den Grünen. Die Koalitionsparteien würden mit einer
Einstellung von EZA-Zahlungen an Burundi entwicklungspolitische Maßnahmen, die auch der Demokratieentwicklung
dienen, konterkarieren, warnte Tanja Windbüchler-Souschill (G). Der Hinweis von SPÖ-Mandatarin Muttonen,
man strebe einen Fokus auf humanitäre Hilfsprojekte an, konnte die Vorbehalte der Grünen nicht ausräumen.
Außenminister Kurz erinnerte in Richtung FPÖ, sein Ressort überlege, das österreichische Netzwerk
an Honorarkonsulaten auszuweiten, gerade am afrikanischen Kontinent.
Streichen von EZA-Geldern probates Mittel in der Migrationspolitik?
Die FPÖ regt im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit an, mit finanziellen Einschränkungen die migrationspolitische
Kooperationsbereitschaft von EZA-Ländern zu steuern. Konkret fordert FPÖ-Außenpolitiksprecher Hübner
die Bundesregierung auf, keine EZA-Zahlungen mehr an Entwicklungsländer zu leisten, die entweder keine Abkommen
zur Rücknahme ihrer Staatsbürger nach den Wünschen Österreichs abschließen oder bei der
Rücknahme nicht kooperativ sind ( 1476/A(E)). Dargelegt wird in dem Antrag der Freiheitlichen, nach Angaben
des Innenministeriums sei bislang die Zahl an Abschiebungen aus Österreich an außereuropäische
Länder vernachlässigenswert gewesen. Grund dafür ist nach Einschätzung Hübners vor allem
mangelnde Kooperationsbereitschaft der Herkunftsländer.
Der Vorschlag geht für SPÖ und Grüne aber am Hauptziel der Entwicklungszusammenarbeit vorbei, das
laut SPÖ-Sprecherin für Globale Entwicklung, Petra Bayr, die Armutsbekämpfung ist. Die österreichische
Entwicklungszusammenarbeit richte sich vor allem an marginalisierte Gruppen und nicht an Staaten, auf die eher
in Verbindung mit Handelsverträgen Druck ausgeübt werden könne. Grünen-Menschenrechtssprecherin
Alev Korun betrachtet eine automatische Verbindung von EZA-Unterstützung mit Rücknahmeabkommen als einen
Akt der "Bestrafung", der nichts zur Schaffung wirtschaftlicher Gerechtigkeit beitrage. Ihre Fraktion
lehnte den FPÖ-Antrag gemeinsam mit den Regierungsfraktionen ab, stimmte allerdings auch der während
der Debatte eingebrachten Koalitionsinitiative nicht zu. Darin wird die Regierung ersucht, sich national und auf
europäischer Ebene dafür einzusetzen, durch Anreizsysteme und Sanktionsmechanismen dafür zu sorgen,
die Bereitschaft der Herkunftsländer zu Rückübernahmen herzustellen und so die Kooperation mit den
betroffenen Regierungen insgesamt zu verbessern. Neben den Grünen verweigerten auch die Freiheitlichen die
Zustimmung zu dem – nach Hübners Worten – "bisslosen Antrag", Team Stronach und NEOS votierten hingegen
mit der SPÖ-ÖVP-Mehrheit dafür.
Konfliktrohstoffe, Iran, Kriegsverbrechen Massenvergewaltigung: Grüne wollen aufrütteln
Die Grünen nutzten den Ausschuss heute zudem, auf die Probleme beim Import von wertvollen Mineralien aus Konfliktregionen
wie der Demokratischen Republik Kongo, Simbabwe oder Kolumbien aufmerksam zu machen. Die Europäische Union
stelle einen verantwortungsvollen und transparenten Handel mit den Rohstoffen Zinn, Wolfram, Tantal und Gold nicht
sicher, kritisiert Tanja Windbüchler-Souschill. Ihr Antrag ( 1543/A(E)) zielt darauf ab, gesetzlich die Finanzierung
von Gewalt und Waffen durch Konfliktmaterialien weltweit einzudämmen. Grundlage dafür sei allerdings
die verpflichtende Offenlegung der gesamten Lieferkette unter Beachtung der Sorgfaltspflicht seitens der Importeure
bei der Einfuhr von Rohstoffen aus Konflikt- und Hochrisikogebieten. Außerdem urgiert die Grünen-Außenpolitiksprecherin,
das Mandat für den UN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage im Iran zu verlängern ( 1492/A(E)).
Gerade im Licht der Aufhebung der Sanktionen und der Umsetzung der Atomvereinbarung müsse besonderes Augenmerk
auf die tagtäglichen massiven Menschenrechtsverletzungen im Iran gelegt werden. Tanja Windbüchler-Souschill
weist in ihrer Initiative auf die große Zahl von Hinrichtungen im Iran hin und kritisiert zudem, RegimegegnerInnen,
MenschenrechtsaktivistInnen, FrauenrechtlerInnen, JournalistInnen, aber auch religiöse und ethnische Minderheiten
seien in besonderem Maß Opfer willkürlicher Festnahmen, unfairer Gerichtsverfahren und von Folter.
Alarmiert ist die Oppositionspolitikerin auch über Berichte von Massenvergewaltigungen in der Demokratischen
Republik Kongo und sie erinnert in diesem Zusammenhang an die UN-Resolution 1820, die Vergewaltigungen und andere
Formen sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
erklärt. In einem Entschließungsantrag ( 786/A(E)) urgiert Windbüchler-Souschill, Außenminister
Kurz habe sowohl in den diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Post-Konflikt-Gesellschaften als auch
im Rahmen der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit die Durchsetzung dieser Resolution prioritär
zu verfolgen. Entscheidend ist für sie dabei nicht nur die strafrechtliche Verfolgung der Täter, sondern
auch die von den Vereinten Nationen nunmehr eingeräumte Möglichkeit von Sanktionen gegen Staaten, in
denen während bewaffneter Konflikte sexuelle Gewalt stattfindet.
Die Vertagung des Grünen-Antrags zu Konfliktrohstoffen erklärte Angelika Winzig (V) mit aktuellen Plänen
der Europäischen Kommission, illegalen Geschäften beim Handel mit seltenen Rohstoffen beizukommen. Bis
auf die Freiheitlichen erklärten sich jedoch alle Fraktionen einverstanden mit der Iran-Initiative der Grünen,
um die Verbesserung der Menschenrechtslage in der Islamischen Republik zu unterstützen. Windbüchler-Souschills
Forderung nach Durchsetzung der UN-Resolution, welche Vergewaltigungen im Rahmen von Kampfhandlungen als Kriegsverbrechen
definiert, wollten sich SPÖ und ÖVP nur in ihrem eigenen diesbezüglichen Antrag anschließen,
der allerdings, wie Muttonen (S) unterstrich, mit allen Parteien akkordiert sei.
|