MPC-Skandal: VKI-Sammelaktion – 2.500 TeilnehmerInnen – 170 Mio. Euro Schaden
Hamburg/Wien (vki) - Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führt bzw unterstützt –
im Auftrag des Sozialministeriums und mit Finanzierung durch Prozessfinanzierer – für rund 2.500 Anlegerinnen
und Anleger, die sich durch den Erwerb von „geschlossenen Fonds“ (Holland-, Immobilien-, Schiffs- und Lebensversicherungsfonds)
des Hamburger Emittenten Münchmeyer & Petersen Capital AG (MPC) geschädigt fühlen, eine Vielzahl
von Gerichtsverfahren gegen die Firma MPC bzw ihre Österreich-Tochter CPM. Es geht um Streitwerte von rund
170 Millionen Euro. Dabei wird insbesondere das deutsche Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) eine zentrale
Rolle spielen.
Ein Anlage-Skandal …
MPC hat – über Vermittlerbanken (70 Prozent) und Anlageberater (30 Prozent) – ab 2002 seine „geschlossenen
Fonds“ auch oder zum Teil auch nur in Österreich angeboten. Die Anleger wurden – über einen Treuhänder
(MPC-Tochter TVP) – Kommanditisten der jeweiligen Fondsgesellschaft. Der Ankauf der Immobilien, Schiffe oder Lebensversicherungspolizzen
wurde idR etwa zur Hälfte durch deutsche Banken kreditfinanziert. Das Modell baute darauf auf, dass zum einen
durch den Betrieb der Schiffe bzw Vermietung der Immobilien Gewinne gemacht und ausgeschüttet werden und –
am Ende der projektierten Laufzeit – das Objekt sogar noch mit Gewinn verkauft werden könne.
Die von MPC geschulten und mit Prospektmaterial ausgestatteten Berater warben Kunden damit, dass es sich um ein
„sicheres und ertragsreiches“ Investment handle. Man versprach rund 7 Prozent jährliche „Ausschüttungen“
und eine Rückzahlung des Kapitals am Ende der Laufzeit. In den ersten Jahren wurden diese Ausschüttungen
auch ausbezahlt; im Zuge der Wirtschaftskrise 2008 wurden in vielen Fonds die Ausschüttungen eingestellt.
Ab Sommer 2013 gab es erste Fonds, bei denen – zur völligen Überraschung der AnlegerInnen – die bereits
ausbezahlten Ausschüttungen zurückgefordert wurden. Diese Ausschüttungen seien keine Gewinn- sondern
Liquiditätsausschüttungen gewesen und müssten daher – gehe es der Fondsgesellschaft wirtschaftlich
schlecht – zurückbezahlt werden.
„Inzwischen sind zwei Fonds insolvent (Merkur Sky, Hollandimmobilien 51) und eine Reihe von Hollandfonds sind –
so die Mitteilungen der jeweiligen Gesellschaften bzw der TVP – knapp davor. Die AnlegerInnen dieser Fonds müssen
davon ausgehen, kein Kapital mehr zurück zu bekommen und aufgefordert zu werden, die erhaltenen Ausschüttungen
zurückzuzahlen.“ stellt Dr. Peter Kolba, Leiter Bereich Recht im VKI, fest.
Die AnlegerInnen sehen sich u.a. mehrfach getäuscht:
- Keine Aufklärung über die Risikoträchtigkeit der Fonds
- Keine Aufklärung über das Wesen der Ausschüttungen
- Falsche Informationen zur „Laufzeit“ des Fonds
- Keine Information über – den Kaufpreis verteuernde „Zwischenverkäufe“
beim Ankauf der Hollandimmobilien (binnen Sekunden 4 – 5 Prozent Aufpreis.)
- Irreführende Wirtschaftslichkeitsberechnungen
- Hohe „Weichkosten“
Sammelaktion des VKI
Der VKI hat im Herbst 2013 – im Auftrag des Sozialministeriums – begonnen AnlegerInnen, die sich geschädigt
sehen, zu sammeln und deren Interessen zu vertreten. Es haben sich insgesamt bislang über 2.500 AnlegerInnen
mit einem Gesamtschaden von rund 170 Mio Euro beim VKI gemeldet. Der VKI verhandelte zunächst mit den Vermittlerbanken
entsprechende Rahmenvergleiche, seit Herbst 2014 geht der VKI auch gegen die Emittentin MPC vor und schließlich
gilt es nunmehr auch, klagsweise geltend gemachte Ausschüttungsrückforderungen abzuwehren (siehe Beilage
„Chronologie der Sammelaktion“).
Folgende Klagen sind gerichtsanhängig bzw geplant:
- Strafrechtliches Ermittlungsverfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft
(dzt Rechtshilfevernehmungen in Amsterdam und Hamburg)
- VKI-Sammelklagen gegen Hypo Steiermark und CPM (dzt Sammelklage I zu Hollandfonds
– nächste Verhandlung 1./2.6.2016 // Sammelklage II zu Schiffsfonds – nächste Verhandlung 8.6.2016 //
Sammelklage III nochmals Hollandfonds – Klage wird nach Ostern 2016 eingebracht)
- Musterverfahren nach dem KapMuG in Hamburg gegen MPC, TVP, CPM und die leitenden
Personen; das Verfahren zu Hollandfonds 47 wurde zugelassen. Zu diesem Fonds wird der VKI nach Ostern eine Welle
der Anmeldung von Forderungen beim Gericht unterstützen. Zu den weiteren Hollandfonds und zu den Schiffsfonds
Reefer I und Reefer II werden in den nächsten Wochen weitere Initialklagen für Musterverfahren eingebracht.
- Abwehr von Klagen auf Ausschüttungsrückforderungen in einer Reihe von
exemplarischen Fällen einer Reihe von Hollandfonds. Umstritten ist zum einen, wo österreichische Anleger
geklagt werden können (Deutschland oder nur am Wohnsitz) und zum anderen ob die Forderungen gerechtfertigt
sind (dazu gibt es in Österreich noch keine Judikatur).
- Gesellschafter der Fonds haben gegen TVP Klagen gewonnen, wonach die TVP die
Listen der Gesellschafter herauszugeben hat. Der VKI vertritt bei einigen Fonds bereits eine qualifizierte Minderheit
der Gesellschafter (25 Prozent). Der VKI wird den Gesellschaftern vorschlagen, in den einzelnen Fonds „Sonderprüfungen“
durchzuführen und insbesondere zu prüfen, wessen Interessen die Geschäftsführungen der Fonds
in der Praxis wirklich vertreten haben.
- Verbandsklage gegen zentrale Klauseln in den Treuhandverträgen der TVP (in
erster Instanz gewonnen, dzt Berufungsverfahren gerichtsanhängig).
KapMuG-Klagen in Hamburg
In Deutschland gibt es im Kapitalanlagenrecht ein besonderes Musterverfahren, durch das zum einen Prospektfehler
von Veranlagungen exemplarisch abgeklärt werden und zum anderen sich die Masse der Geschädigten dem Verfahren
kostengünstig anschließen kann und damit gegen eine Verjährung der Ansprüche gesichert ist.
In Österreich gab es zwar einen Entwurf des Justizministeriums für eine Gruppen- und eine Musterklage,
doch dieser Entwurf liegt seit 2007 in den Schubladen des Justizministeriums. Daher hat sich der VKI entschlossen,
die Fragen der Prospekthaftung in KapMuG-Musterverfahren in Deutschland abzuklären.
„Anfang Februar 2016 war die Sensation perfekt: Es wurde die erste Musterklage österreichischer Anleger nach
dem KapMuG in Hamburg zum Hollandfonds 47 zugelassen“, freuen sich die Rechtsanwälte Dr. Schumacher (Wien)
und Tittel (Berlin).
Beim VKI haben sich rund 500 AnlegerInnen gemeldet, die sich durch den Erwerb dieses Fonds geschädigt sehen.
Der VKI wird nach Ostern 2016 alle Betroffenen informieren, wie und unter welchen Bedingungen sie sich diesem Musterverfahren
anschließen können.
Weiters werden die Rechtsanwälte Schumacher (Wien) und Tittel (Berlin) weitere Initialklagen für Musterverfahren
zu den weiteren Hollandfonds und zu Reefer I und II auf den Weg bringen. Unser Ziel:
Zu den wesentlichsten Fonds eine Abklärung der Prospektfehler herbeizuführen.
Ziele der Sammelaktion
In erster Linie geht es dem VKI darum, dass die AnlegerInnen rasch und unkompliziert jedenfalls einen Teil
Ihrer Schäden ersetzt bekommen und von der Gefahr von Ausschüttungsrückforderungen möglichst
befreit werden.
„MPC freut sich für 2015 über einen Jahresgewinn von über 7 Mio Euro und die besser laufenden Geschäfte.
Das muss die AnlegerInnen auch freuen, denn es ist wesentlich, dass die MPC – sollte sie Verfahren verlieren –
in der Lage ist und bleibt, durch Urteil erzwungene Zahlungen auch zu leisten. Wir beobachten sehr genau, ob da
auch ausreichende Rückstellungen gebildet werden“, versichert Dr. Peter Kolba.
|