Kein Konsens bei Doppelstaatsbürgerschaft für SüdtirolerInnen
Bozen/Wien (pk) - Die Verfassungsreform, die im kommenden Oktober im italienischen Parlament beschlossen
werden soll, veranlasste den Nationalrat am 17.03., die im Pariser Vertrag von 1946 verankerte Schutzfunktion Österreichs
zu bekräftigen. Die in Italien geplante Verfassungsreform dürfe die Rechte autonomer Provinzen wie jene
Südtirols nicht beschneiden, hielten die Abgeordneten in einer einstimmigen Entschließung fest. Keine
Einigung bestand hingegen in der Frage, ob SüdtirolerInnen das Recht auf eine Doppelstaatsbürgerschaft
zugestanden werden soll. Dieses Anliegen einer Bürgerinitiative war im Südtirol-Unterausschuss mit ExpertInnen
eingehend behandelt worden. Ein Konsens wurde im Außenpolitischen Ausschuss nicht erreicht. Werner Neubauer
(F), Team Stronach-Mandatar Christoph Hagen und die fraktionslosen Abgeordneten Rupert Doppler und Gerhard Schmid
unterstützten die Bürgerinitive weiter, während ÖVP, SPÖ und Grüne ihre Präferenz
für die Weiterentwicklung der Südtiroler Autonomie darlegten und die unterschiedlichen politischen Schwierigkeiten
erklärten, die einem Konsens in der Frage einer Doppelstaatsbürgerschaft für SüdtirolerInnen
entgegenstehen.
Für die ÖVP erinnerte Hermann Gahr (V) an die intensive und emotionale Diskussion zu der von mehr als
22.000 UnterstützerInnen getragenen Bürgerinitiative, über deren Wunsch weiterdiskutiert werden
soll, auch wenn darüber kein Konsens erzielt werden konnte. Eine Verschlechterung der Autonomie Südtirols
im Zuge der geplanten Verfassungsreform in Italien komme für Österreich nicht in Frage. Vielmehr gehe
es um eine eigenständige Weiterentwicklung Südtirols und um eine starke Europaregion, betonte Gahr.
Hermann Krist von der SPÖ sprach bei der Doppelstaatsbürgerschaft für SüdtirolerInnen, die
in Österreich Gesetzesänderungen erfordern würde, von einem schwierigen Thema, das auch in Südtirol
unterschiedlich diskutiert werde. Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher etwa räume der Weiterentwicklung
der Autonomie mehr Priorität ein als der Doppelstaatsbürgerschaft. Dazu kommen Befürchtungen wegen
eines möglichen Spaltungspotentials in Südtirol und in Italien. Unbestritten sei, dass Österreich
die Entwicklung der Autonomie Südtirols aufmerksam begleite – Südtirol kann sich auf den Schutz Österreichs
verlassen, schloss Krist in Übereinstimmung mit seiner Tiroler Fraktionskollegin Gisela Wurm.
Werner Neubauer (F) hingegen unterstützte den Wunsch von mehr als 22.000 TirolerInnen und SüdtirolerInnen
nach einer Doppelstaatsbürgerschaft für SüdtirolerInnen, die die italienische Verfassung ermögliche
und die FPÖ im Sinne der Verbindung und Vertiefung der Beziehung zwischen Österreich und Südtirol
unterstütze. Neubauer unterstrich das Selbstbestimmungsrecht der SüdtirolerInnen, trat für die Absicherung
des Autonomiestatuts ein und warnte davor, es durch ein drittes Statut zu ersetzen, mit dem die Schutzmachtfunktion
Österreichs wegfallen könnte. Ähnlich argumentierte Christoph Hagen (T), der kritisierte, dass die
Bürgerinitiative für Doppelstaatsbürgerschaft erst nach fünf Jahren in das Plenum gelangt.
Die österreichische Staatsbürgerschaft wurde den SüdtirolerInnen nach dem Ersten Weltkrieg entzogen,
ohne sie zu fragen, welche Staatsbürgerschaft sie haben wollen, führte Hagen aus. Außerdem leben
Menschen in Südtirol, die durch ihre Eltern zugleich die österreichische und die italienische Staatsbürgerschaft
besitzen. Diese Möglichkeit sollten alle Südtiroler haben, meinte Hagen. Für eine Doppelstaatsbürgerschaft
der SüdtirolerInnen plädierten auch die fraktionslosen Mandatare Rupert Doppler und Gerhard Schmid.
Demgegenüber zeigte sich Georg Willi (G) froh darüber, dass die Doppelstaatsbürgerschaft nicht kommt.
Die Zuerkennung des Rechts auf eine österreichische Staatsbürgerschaft wäre in Südtirol im
Einzelnen schwer abgrenzbar und könnte einen Keil zwischen die Volksgruppen treiben. Würden nur wenige
Südtiroler ein Ansuchen stellen, wäre dies ein Argument für Italien, die Autonomie nicht weiter
zu entwickeln, befürchtete Willi weiters und verlangte eine besonnene Außenpolitik, die der Idee eines
geeinten Europas entspreche. Besonnenheit mahnte Willi auch in der österreichischen Flüchtlingspolitik
ein, in der es noch vor kurzem hieß: "Zäune auf für die Menschlichkeit". Angesichts aktueller
Parolen von der Regierungsspitze wie "Jetzt ist die Zeit des Durchwinkens vorbei" oder "Weg von
der Willkommenskultur" erinnerte Willi die Regierungsparteien an Solidarität und christlich-soziale Werte.
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