Innsbruck (universität) - Die H.E.S.S.-Teleskope in Namibia überraschen auch
nach mehr als einer Dekade Beobachtungsbetrieb mit spektakulären Ergebnissen: Erstmals wurde eine Quelle galaktischer
kosmischer Strahlung mit Petaelektronvolt-Energie identifiziert. Somit muss wohl auch das supermassive Schwarze
Loch im Zentrum unserer Galaxis als mögliche Quelle der von Victor Franz Hess entdeckten galaktischen kosmischen
Strahlen betrachtet werden. Der entsprechende Artikel erschien am 16.03. im Fachjournal Nature.
Ständig ist unsere Erde dem Einfall hochenergetischer Teilchen aus dem Weltall ausgesetzt. Diese Kosmische
Strahlung, entdeckt durch den österreichischen Physiker Victor Franz Hess, besteht aus geladenen Teilchen
wie Protonen, Elektronen und Atomkernen. Diese werden auf ihrem Weg durch die kosmischen Weiten von intergalaktischen
Magnetfeldern in ihrer Richtung mehr oder weniger willkürlich abgelenkt und verschleiern so ihre tatsächliche
astronomische Herkunft.
„Glücklicherweise treten diese Teilchen in der Nähe ihrer Quellen mit interstellarem Gas oder Photonen
in Wechselwirkung. Dabei wird Gammastrahlung produziert, die auf ihrem kosmischen Weg nicht abgelenkt wird und
damit einen direkten Blick in die „Küchen“ der Hochenergiephysik im Weltall gestattet“, erklärt Olaf
Reimer vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck.
Bläuliche Lichtblitze verraten Teilchenstrahlung
Wie aber weist man nun die Gammastrahlung nach? Hier hilft eine weitere Wechselwirkung, diesmal mit den Molekülen
in der oberen Erdatmosphäre, in deren Folge eine Kaskade von Teilchen entsteht. Diese wird von einem leicht
bläulichen Lichtblitz begleitet, dem sogenannten Cherenkov-Licht.
Große Spiegelteleskope mit empfindlichen Lichtsensoren können dieses Licht erfassen. Für deren
Nachweis ist H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System) in Namibia das derzeit empfindlichste Instrument, betrieben
von Wissenschaftlern aus 42 Instituten und Universitäten aus 12 Ländern.
Wir wissen heute, dass in unserer Galaxie kosmische Strahlung bis etwa 100 Teraelektronvolt in Supernovaüberresten
und Pulsarwindnebeln erzeugt wird. Theoretische Argumente und Messungen der geladenen Komponente der Kosmischen
Strahlung lassen erwarten, dass es aber in unserer Milchstraße wenigstens eine Quelle geben muss, die energetisch
alle bisher identifizierten kosmischen Teilchenbeschleuniger noch übersteigt. In Anlehnung an das “Tevatron”,
den ersten, von Menschen geschaffenen Teilchenbeschleuniger, der Teraelektronvolt-Energie erreichte, wurde für
diesen neuen kosmischen Beschleuniger der Begriff „Pevatron“ geprägt, da Teilchen bis zu Petaelektronvolt-Energie
beschleunigt werden sollten.
Quelle beispielloser Energie entdeckt
Erstmals konnte ein solches Pevatron durch langjährige Beobachtungen des Zentrums der Milchstraße mit
H.E.S.S. nachgewiesen werden. „Wieder einmal bestätigt sich die Entscheidung, unsere Teleskope in der südlichen
Hemisphäre anzusiedeln“ sagt Astroteilchenphysiker Reimer, der seit 15 Jahren Mitglied der H.E.S.S.-Kollaboration
ist. „Damit hatten und haben wir ideale Bedingungen, die Zentralregion unserer Galaxis über ein breites Energiespektrum
zu studieren.“ Schon während der ersten Beobachtungsjahre hatte H.E.S.S. eine starke, kompakte Quelle sowie
ein ausgedehntes Band diffuser höchstenergetischer Gammastrahlung im Galaktischen Zentrum kartographieren
können. Dabei fiel die örtliche Übereinstimmung zwischen Gammastrahlung und Materiedichte in der
Region auf, erklärbar durch Wechselwirkungen höchstenergetischer Teilchen mit dem Material der Molekülwolken.
Die Quelle die höchstenergetischen Strahlen blieb jedoch bis jetzt verborgen.
Beobachtungen über den Zeitraum vom zehn Jahren halfen nun, der Existenz dieser mysteriösen Quelle entscheidend
näherzukommen und den Ursprung der Teilchen auf eine Region mit nur etwa 30 Lichtjahren Ausdehnung einschränken.
„Darin muss ein kosmischer Beschleuniger wirken, der über einen Zeitraum von etwa 1.000 Jahren Protonen kontinuierlich
bis in den Petaelektronvolt-Bereich energetisiert. Mit den H.E.S.S.-Beobachtungen können wir die Ausbreitung
dieser PeV-Protonen im innersten Bereich der Milchstraße studieren“ sagt Reimer.
Supermassives Schwarzes Loch der Ursprung?
Dieser innerste Bereich unserer Milchstraße beherbergt aber eine Vielzahl astronomischer Objekte, die
als Extremteilchenbeschleuniger in Frage kämen. Darunter ist das zentrale supermassive Schwarze Loch Sagittarius
A* sicherlich das Spektakulärste. „Dies ist wahrscheinlich die Quelle der PeV-Protonen“ sagt Reimer, „offeriert
es doch plausible Szenarien, wo und wie die Teilchen dort beschleunigt werden können“. Insbesondere das Spektrum
der beobachteten Photonen trägt noch die Signaturen der PeV-Protonen und unterstützt eine mögliche
Verbindung mit dem Schwarzen Loch im Zentrum unserer Galaxis.
Die Messungen zeigen aber auch, dass diese Quelle allein den auf der Erde gemessenen Fluss der kosmischen Strahlung
nicht aufrechterhalten kann. „Wenn Sagittarius A* aber in der Vergangenheit aktiver war”, so das Argument der Forscher,
“dann könnte es tatsächlich für die gesamte galaktische kosmische Strahlung verantwortlich sein”.
Ist diese Vermutung korrekt, so hätte das dramatische Konsequenzen für die über 100 Jahre währende
Diskussion über den Ursprung der kosmischen Strahlung.
Publikation: Acceleration of Petaelectronvolt
protons in the Galactic Centre, H.E.S.S. collaboration, corresponding authors: F. Aharonian, S. Gabici, E. Moulin,
A. Viana, Nature 2016. DOI: 10.1038/nature17147
|