Neue Ausstellung widmet sich jüdischer Geschichte Wiener Vergnügungsorte
Wien (rk) - Das Jüdische Museum Wien, ein Unternehmen der Wien Holding, zeigt von 16. März bis
18. September 2016 die Ausstellung „Wege ins Vergnügen. Unterhaltung zwischen Prater und Stadt“. Die Ausstellung
spürt den interessantesten Darbietungsorten in Wien nach und zeigt die jüdische Geschichte hinter den
beliebten Vergnügungsstätten. Zu Wort kommen Zuschauer, Zensur und Presse. „Auftritte“ haben aber auch
die damals gefeierten Stars der urbanen Szene wie Heinrich Eisenbach, Abisch Meisels, Gisela Werbezirk, Gertrud
Kraus oder Hans Moser.
Wiener Wahrzeichen und fast vergessene Attraktionen
Mit der Öffnung des Praters 1766 für die Öffentlichkeit, fand auch das Vergnügen einen
neuen Mittelpunkt im Herzen Wiens. Auf dem Weg aus der Stadt in den Prater siedelten sich rasch zahlreiche Varietés,
Possenbühnen, Volkssängerlokale und Theater an. Ab 1850 wurde die Leopoldstadt zum jüdischen Wohnbezirk.
Jiddische Theater und so genannte Jargonbühnen zogen ein sehr unterschiedliches und begeistertes Publikum
an. Wahrzeichen des neuen Vergnügungsviertels war das Riesenrad, das 1897 anlässlich des 50. Thronjubiläums
von Kaiser Franz Joseph auf einem Grundstück errichtet wurde, das Gabor Steiner, dem jüdischen Direktor
des Carltheaters gehörte. Steiner errichtete auch die berühmte Praterattraktion „Venedig in Wien“. Nach
dessen Bankrott erwarb der jüdische Geschäftsmann Eduard Steiner das Riesenrad. Er wurde so wie alle
anderen jüdischen Besitzer von Unterhaltungsetablissements im Zuge der Vertreibung und Ermordung der Wiener
JüdInnen zwischen 1938 und 1945 enteignet. Die Spuren jüdischen Lebens in der Stadt wurden ausgelöscht.
An das frühere jüdische Vergnügungsviertel zwischen Prater und Stadt erinnert heute kaum noch etwas.
Auch das Wissen über die einstigen Stars ist verloren und selbst die Tatsache, dass hier einst Hans Moser
mehr als zehn Jahre lang in verschiedenen jüdischen Ensembles spielte, wurde verdrängt. Die Ausstellung
„Wege ins Vergnügen“ soll diese Wiener Geschichte wieder ins Bewusstsein rücken.
Jüdische Stadtgeschichte rund um den Prater
Die jüdische Geschichte rund um den Prater begann schon viel früher: Nach der Vertreibung der JüdInnen
1421 dauerte es fast 200 Jahre, bis wieder eine jüdische Gemeinde in Wien entstand. Ab 1625 wurden die JüdInnen,
die man als Kreditgeber nach Wien holte, im sumpfigen Gebiet nahe des Praters angesiedelt - im Ghetto im Unteren
Werd. 1670 von Kaiser Leopold vertrieben, gab es erst nach der Revolution 1848 und der Anerkennung einer jüdischen
Gemeinde 1852 durch Kaiser Franz Josef I. wieder eine starke jüdische Zuwanderung aus allen Gebieten der Monarchie.
Besonders die Leopoldstadt wurde ab 1850 ein Einwanderungsbezirk für JüdInnen und das Straßengeflecht
zwischen Donaukanal, Augarten und Praterstern entwickelte sich zu einem Zentrum der multikulturellen Wiener Moderne.
Um den Bedürfnissen der stark wachsenden jüdischen Gemeinde gerecht zu werden, erwarb die Kultusgemeinde
1852 ein Grundstück, auf dem der Leopoldstädter Tempel errichtet wurde, der größer war als
der 1826 eröffnete Wiener Stadttempel in der Seitenstettengasse. Die jüdische Gemeinde in Wien wuchs
im Laufe der zwei Jahre zur drittgrößten in ganz Europa an und die Gegend zwischen dem Leopoldstädter
Tempel und dem Nordbahnhof entwickelte sich zum wichtigsten Siedlungsgebiet für die nach Wien zuwandernden
JüdInnen. Die zahlreichen Vergnügungsetablissements, die sich in dort ansiedelten, übten eine wichtige
Kommunikations- und Integrationsfunktion für die MigrantInnen in diesem großteils ärmlichen und
vollkommen überbelegten Wohnbezirk aus.
Zur Ausstellung im Detail
Das Jüdische Museum Wien spürt den interessantesten Darbietungsorten nach, wie dem 1781 eröffneten
Leopoldstädter Theater, dem Carltheater, den Tanzsälen Odeon und Sperl, den zahlreichen Zirkusbauten,
die Wien einst zu einer glanzvollen Zirkusstadt machten, aber auch den unzähligen Kinos und deren Boom, der
in der Nachkriegszeit seinen Höhepunkt erreichte, wovon heute kaum mehr etwas übrig ist. Die Ausstellung
erzählt von den unterschiedlichsten Ensembles, wie der Freien Jüdischen Volksbühne, der Budapester
Orpheumgesellschaft oder der Wilnaer Truppe und erklärt, was „Die Klabriaspartie“ oder „Der Dibbuk“ waren
und warum diese Bühnenwerke in Wien so populär wurden. Es wird aufgezeigt, wie sich die unterschiedlichen
Lebensformen und Sprachen auf der Bühne widerspiegelten, welchen Einfluss die zeitgenössische deutsche
Inszenierungspraxis auf jiddische Texte hatte und was es mit dem so genannten „Jüdeln“, einem lokalen Sprachkonglomerat,
basierend auf der wienerischen Färbung des Deutschen, auf sich hatte. Sowohl Zuschauer, Zensur und Presse,
als auch die damals gefeierten Stars der urbanen Szene wie Heinrich Eisenbach, Abisch Meisels, Gisela Werbezirk,
Gertrud Kraus oder Hans Moser kommen zu Wort. Plakate, Fotos und Programmhefte, aber auch Schellackaufnahmen, Kritiken,
Baupläne und persönliche Erinnerungen geben einen Einblick in die enorme Vielfalt der Unterhaltung rund
um den Prater.
Zu der von Lisa Noggler und Brigitte Dalinger kuratierte und von Celia Di Pauli und Larissa Cerny gestalteten Ausstellung
erscheint ein zweisprachiger Katalog (ISBN-Nr. 978-3-99300- 262-6) im Metroverlag zum Preis von EUR 19,90, der
ab sofort im Bookshop des Museums und im Buchhandel erhältlich ist.
Die Ausstellung läuft von 16. März bis 18. September 2016 Die Ausstellung „Wege ins Vergnügen“ ist
von 16. März bis 18. September 2016 im Museum Dorotheergasse, einem Museum der Wien Holding, zu sehen. Das
Museum in 1010 Wien, Dorotheergasse 11, ist von Sonntag bis Freitag 10 bis 18 Uhr geöffnet. Am zweiten Standort,
im Museum Judenplatz, Judenplatz 8, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr, Freitag 10 bis
14 Uhr (während der Sommerzeit bis 17 Uhr) geöffnet. Für beide Museen gibt es ein gemeinsames Ticket
(gültig vier Tage ab Ausstellungsdatum) zum Preis von EUR 10, ermäßigt EUR 8, Gruppen EUR 7, Kinder
und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr frei, StudentInnen (bis 27 Jahre), Zivil- und Präsenzdiener
EUR 5, Schulklassen haben nach wie vor freien Eintritt, für die Schülerführung ist ein Kostenbeitrag
von EUR 20 zu leisten.
Parallel zur Ausstellung im Jüdischen Museum Wien, zeigt das Wien Museum von 10. März bis 21. August
2016 die Ausstellung „In den Prater! Wiener Vergnügungen seit 1766“, Dienstag bis Sonntag und Feiertag 10-18
Uhr, Wien Museum, Karlsplatz, 1040 Wien.
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