Begleitevaluation zeigt: Verfahrenseinstellungen durch Clearing bei einem Drittel der Fälle
Wien (bmj) - Im Zeitraum von März 2014 bis Dezember 2015 wurde an insgesamt 18 Gerichtsstandorten das
Modellprojekt „Unterstützung zur Selbstbestimmung“ durchgeführt, das auf einem Konzept des Vereins VertretungsNetz
aufbaut. Wesentlicher Bestandteil dieses Projektes ist die Ausweitung des schon bisher genutzten Clearings zum
sogenannten Clearing Plus. Beim Clearing überprüft ein Sachwalterverein gemeinsam mit den Betroffenen
und deren Angehörigen, ob die Bestellung eines Sachwalters notwendig ist oder vermieden werden kann, weil
zum Beispiel eine Vorsorgevollmacht vorliegt oder eine Angehörigenvertretung möglich ist. Beim Clearing
Plus wird durch intensive Zusammenarbeit von Verein und Betroffenen ein konkreter Plan zur Umsetzung alternativer
Lösungen entwickelt. Gemeinsames Ziel ist es, Sachwalterschaften soweit wie möglich zu vermeiden und
betroffenen Menschen zu ermöglichen, dass sie ihr Leben so lange wie möglich nach ihren Wünschen
und Vorstellungen gestalten können. In vielen Fällen konnten durch das Clearing Plus dazu subsidiäre
Hilfen oder regionale Unterstützungsangebote in den Bundesländern gefunden werden.
Das zeigt auch die Begleitevaluation des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS). Den Abschlussbericht
stellt Justizminister Wolfgang Brandstetter am 22.03. gemeinsam mit Dr. Walter Hammerschick und Dr. Hemma Mayrhofer
vom IRKS vor. „Nicht nur die Erfahrungen in der Praxis, sondern auch die Begleitevaluation zeigen, dass dieses
Modellprojekt wirklich ein Erfolg war. Denn durch das sogenannte Clearing ging die Zahl der Sachwalter-Bestellungen
insgesamt deutlich zurück. Das zeigt uns auch, dass oft schon sehr früh der Ruf nach einem Sachwalter
kommt, ohne dass man sich je mit der betroffenen Person selbst auseinandergesetzt hätte. Unser oberstes Ziel
muss es daher nun sein, das Clearing in ganz Österreich verpflichtend zu machen und die Reform des Sachwalterrechts
möglichst rasch umzusetzen“, so Justizminister Brandstetter. Die StudienautorInnen ergänzen: "Das
Modellprojekt hat auch sichtbar gemacht, dass mehr mobile und individuelle soziale Unterstützungsangebote
als Alternativen zu Sachwalterschaft notwendig sind. Solche Dienste fallen überwiegend in die Zuständigkeit
der Länder. Eine enge Kooperation zwischen Bund und Ländern erweist sich deshalb als essenziell, um Sachwalterschaft
nachhaltig reduzieren zu können."
Wesentliche Erkenntnisse aus der Begleitevaluation als Basis für Reform des Sachwalterrechts
Die Evaluation des Projektes durch das IRKS zeigt, dass in herkömmlichen Clearingverfahren in mehr als einem
Drittel der Fälle eine Einstellung des Verfahrens empfohlen werden konnte. In der ganz überwiegenden
Zahl der Fälle folgten die Gerichte diesen Empfehlungen auch. Es kann also ein großer Teil der Sachwalter-Bestellungen
bereits effektiv durch das herkömmliche Clearing vermieden werden. Bei den Clearing Plus-Verfahren konnten
in rund zwei Drittel der Fälle alternative Unterstützungsangebote gefunden werden oder es ließ
sich in der Bearbeitung und Beobachtung klären, dass kein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte erforderlich
ist.
Die Ergebnisse aus dem Modellprojekt fließen auch in die Reform des Sachwalterrechts ein, an der das Bundesministerium
für Justiz parallel schon arbeitet. Ziel der Reformbemühungen ist es, die Sachwalterschaft nur mehr in
den Fällen einzusetzen, in denen sie unbedingt erforderlich ist und Alternativen wie die Vorsorgevollmacht
und die Angehörigenvertretung auszubauen. Daher soll die verpflichtende Durchführung eines Clearings
im Gesetz verankert werden. Das Clearing Plus soll im Bedarfsfall ergänzend in Anspruch genommen werden können.
Der gesamte Reformprozess findet unter Einbeziehung der betroffenen Personen („SelbstvertreterInnen“), aber auch
anderer Personengruppen (Rechtsprechung, Anwaltschaft, Notariat, Behinderteneinrichtungen, SeniorenvertreterInnen,
HeimvertreterInnen, Sachwaltervereine, Volks-anwaltschaft, etc.) statt. Ein Entwurf soll bis zum Sommer 2016 vorliegen.
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