Arbeitnehmerschutz außerhalb Europas beschäftigt EU-Ausschuss des Bundesrats
Brüssel/Wien (pk) - Die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen unterstreicht ein Arbeitsbericht
der Europäischen Kommission. Aufgezeigt wird darin, in welchen Bereichen auf EU-Ebene eine Durchsetzung der
UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten schon gelungen ist – und wo noch Handlungsbedarf besteht. Der
Schutz von ArbeitnehmerInnenrechten in globalen Lieferketten ist nach Einschätzung der Kommission ein solcher
Brennpunkt. Das Unglück in der Textilfabrik von Rana Plaza nannte im EU-Ausschuss des Bundesrats Stefan Schennach
(S/W) als trauriges Beispiel für arbeitsrechtliche Missstände. Der Einsturz dieses Fabrikgebäudes
vor drei Jahren kostete unzähligen Näherinnen, die für westliche Firmen Kleider anfertigten, das
Leben.
Die französische Nationalversammlung hat Schennach zufolge mit einer "Green Card" auf diesen Vorfall
reagiert, damit die EU-Kommission rechtlich die Verantwortung von Unternehmen für Zulieferer beziehungsweise
Arbeitsbedingungen in außereuropäischen Produktionsstätten klarer definiert. Mit der Grünen
Karte können die EU-Ausschüsse der Mitgliedstaaten der EU-Kommission Empfehlungen zu Legislativvorschlägen
übermitteln. Weil die Frist zur Unterzeichnung der französischen Initiative Ende Mai ausläuft, wie
Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) erinnerte, will der Ausschuss das Thema auch bei seiner nächsten Sitzung
behandeln. Seitens des Sozialministeriums (BMASK) wurde zugesagt, die nötigen Informationen liefern zu wollen;
allerdings teile man dabei die Zuständigkeit mit den Ressorts für Wirtschaft und Umwelt, verwies die
BMASK-Mitarbeiterin im Ausschuss auf unterschiedliche Sichtweisen im Arbeitnehmerschutz. Vor diesem Hintergrund
könne auch die Frage nach möglichen Sanktionen gegenüber Unternehmen – angesprochen von FPÖ-Mandatarin
Monika Mühlwerth (F/W) – derzeit nicht beantwortet werden.
Arbeitsrechtliche Sorgfalt eingemahnt
Die internationalen Anstrengungen, Menschenrechtsverstöße der Wirtschaft zu verhindern beziehungsweise
zu ahnden, kumulierten 2011 im einstimmigen Beschluss der Vereinten Nationen, menschenrechtliche Standards als
Leitprinzipien für die Wirtschaft festzulegen. Obwohl rechtlich nicht bindend, dienen die UN Guiding Principles
on Business and Human Rights gemeinsam mit den Anti-Diskriminierungsbestimmungen in den EU-Verträgen und der
Europäischen Corporate Social Responsibilty (CSR)-Strategie als Richtwert für EU-Regelungen. Etwa jenen
zur Verordnung für Arbeitsmigration, mit denen ein unfairer Wettbewerb am Arbeitsmarkt aufgrund von arbeitsrechtlicher
Schlechterstellung von Drittstaatenangehörigen untersagt wird.
Generell regt die EU-Kommission gegenüber den Mitgliedsländern an, die UN-Leitprinzipien mittels Nationaler
Aktionspläne (NAPs) umzusetzen. Ebenso versucht die Union, Menschenrechtsstandards in ihren wirtschaftlichen
Außenkontakten mehr Gewicht zu verleihen, geht aus dem Kommissionsbericht hervor. Als Beispiel wird eine
angestrebte Richtlinie zur Offenlegung der gesamten Lieferkette bei der Einfuhr von Mineralien aus Konfliktgebieten
angeführt. Im Rahmen des Förderregimes für den Privatsektor und der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit
soll gemäß CSR-Strategie die Unterstützung von Unternehmen mit EU-Geldern eng an deren menschenrechtskonformes
Agieren geknüpft sein – in sozialer, umweltpolitischer und finanzieller Hinsicht. Bundesrat Schennach erwartet
jedoch von der Kommission eine "echte Richtlinie, nicht nur Erklärungen", die zum verantwortungsvollen
Wirtschaften auffordern. Ihre Unterstützung bei der Aktivierung einer entsprechenden legislativen Initiative
der Kommission verdeutlichte Grünen-Sprecherin Heidelinde Reiter (G/S), die außerdem die Rolle der Parlamente
in diesem Zusammenhang betonte.
Lieferketten-Verwaltung: Öffentlicher Sektor soll mit gutem Beispiel vorangehen
Mehrfach verweist der Arbeitsbericht aus Brüssel auf die Sorgfaltspflicht bei Importen: Nicht nur die Transparenz
der Lieferketten multinationaler Konzerne sei zu verbessern, sondern auch Hilfestellungen für jene, die unter
unmenschlichen Bedingungen im Rahmen der Beschaffungsprozesse leiden. Dementsprechend soll die öffentliche
Hand bei ihren Auftragsvergaben beispielgebend sein in Bezug auf die menschenrechtliche Prüfung der Unternehmen
einer Lieferkette. Hingewiesen wird im Kommissionsbericht jedoch auf die eingeschränkte rechtliche Handhabe
gegen Betriebe, die außerhalb der Europäischen Union angesiedelt sind. In der EU registrierte Betriebe
könnten dagegen von den Mitgliedstaaten auch für Menschenrechtsverstöße belangt werden, wenn
diese im Namen des Unternehmens in einem Drittstaat erfolgen. Weitere Initiativen auf EU-Ebene, um Menschenrechtsstandards
in der Wirtschaft zu gewährleisten, umfassen verstärkte Offenlegungsverpflichtungen von Konzernen, Kooperationen
zwischen Wirtschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie die Einbeziehung von CSR-Bestimmungen und
Folgenabschätzungen in die Verhandlungen über Handelsabkommen mit Drittstaaten.
Aufgebaut sind die 31 menschenrechtlichen UN-Leitlinien für die Wirtschaft auf drei Säulen: Der staatlichen
Pflicht, vor Menschenrechtsverstößen durch entsprechende Regelungen zu schützen; der unternehmerischen
Verantwortung, Grundrechte zu respektieren und entsprechend zu handeln; sowie der Notwendigkeit eines verbesserten
Zugangs für Opfer von Ausbeutung zu Rechtsmitteln und außergerichtlichen Rechtsbehelfen, etwa in Form
von unternehmensinternen Beschwerdestellen.
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