EU will energiepolitischen Alleingängen Grenzen setzen

 

erstellt am
31. 03. 16
11:00 MEZ

EU-Ausschuss des Bundesrats: Bessere Koordinierung im Energiebereich nicht ohne Mitsprache der Mitgliedstaaten
Brüssel/Wien (pk) - Die Europäische Kommission will nicht erst im Nachhinein über bilaterale Energieabkommen von EU-Mitgliedstaaten mit Drittländern erfahren. Nur so sei die Übereinstimmung der Vereinbarungen mit dem EU-Recht sicherzustellen. Das ist die Quintessenz des Kommissionsvorhabens, den Informationsaustausch über zwischenstaatliche energiepolitische Vereinbarungen von Mitgliedstaaten und Ländern außerhalb der Union schon frühzeitig zu starten. Der EU-Ausschuss des Bundesrats kann grundsätzlich einer frühzeitigen Einbindung der Kommission einiges abgewinnen, wenn es darum geht, juristische Probleme zu vermeiden. Das kommissionelle Einspruchsrecht sei allerdings auf rechtliche Aspekte eines Energieabkommens zu beschränken, halten die Bundesrätinnen und Bundesräte in einer einstimmig beschlossenen begründeten Stellungnahme an die Kommission fest.

Schärfer rügt der Ausschuss im Schreiben an Brüssel einen weiteren Verordnungsentwurf aus dem EU-Energiepaket, in dem bei der Gasversorgung mehr zwischenstaatliche Kooperation im Unionsraum angeregt wird. Konkret schlägt die EU-Kommission vor, dass die Mitgliedstaaten einer Region enger zusammenarbeiten, wenn sie Risikobewertungen vornehmen und Vorkehrungen für eventuelle Gasengpässe treffen. Gegen verbesserte Versorgungssicherheit bestehen in der Länderkammer zwar keine Einwände, auf Missfallen bei allen Fraktionen stößt aber der Gedanke, sich von der Kommission mittels delegierter Rechtsakte in Regionen zusammenschließen zu lassen – das widerspreche eindeutig dem Subsidiaritätsprinzip.

EU-Kommission vermisst Vorabinformation über bilaterale Energieabkommen
Als Argument für den Vorschlag, die EU-Kommission schon vor dem Abschluss von Energieabkommen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland einzubinden, wird im Verordnungsentwurf aus der Strategie für die Energieunion zitiert: "Ein wichtiges Element bei der Sicherstellung der Energieversorgung (insbesondere der Gasversorgung) ist die vollständige Übereinstimmung der Abkommen, die den Kauf von Energie aus Drittländern betreffen, mit dem EU-Recht". Vor allem der Gaseinkauf bei externen Lieferanten habe auf einer EU-rechtlich sicheren Grundlage zu erfolgen. 2012 wurde aus diesem Grund ein Verfahren beschlossen, bei dem die Kommission die Übereinstimmung zwischenstaatlicher Abkommen mit dem Unionsrecht prüft, nachdem ein Mitgliedstaat ein solches Abkommen mit einem Drittland geschlossen hat. Da allerdings eine Neuverhandlung derartiger Abkommen schwierig ist, hält Brüssel es für sinnvoller, Unstimmigkeiten, die zu rechtlichen Konflikten führen können, schon im Vorfeld auszuräumen. Deswegen sollen die Mitgliedstaaten nun über ihre externen Energievorhaben bereits vor Unterzeichnung eines diesbezüglichen Vertragswerks die Kommission informieren.

Dies würde zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zur Energiesicherheit beitragen, wertet die EU-Kommission ihr Vorgehen angemessen. Zumal die erhöhte Transparenz nationalstaatlicher Energiepolitiken mehr Kosteneffizienz in der Energieversorgung der EU und eine größere Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten bringe. Um diese Ziele zu erreichen, werden neben einer Ex-ante-Prüfung der zwischenstaatlichen Abkommen vor ihrer Unterzeichnung auch fakultative Musterklauseln für die Verträge vorgeschlagen. Im Detail sollen die Mitgliedstaaten laut Verordnungsentwurf verpflichtet sein, die Kommission schon über die Absicht zu informieren, Verhandlungen mit Drittstaaten über den Abschluss neuer oder die Änderung bestehender zwischenstaatlicher Abkommen aufzunehmen. In weiterer Folge sei Brüssel über den Fortgang der Verhandlungen zu unterrichten, wobei Abkommensentwürfe zu übermitteln wären, damit bei rechtlichen oder politischen Unvereinbarkeiten beratend eingegriffen werden kann. Der Abschluss eines vorgeschlagenen zwischenstaatlichen Abkommens wäre erst zulässig, wenn die Kommission dem Mitgliedsland innerhalb von 12 Wochen etwaige Zweifel mitgeteilt hat. Eine entsprechende Stellungnahme hätten die Mitgliedstaaten weitestgehend zu berücksichtigen. Unter Beachtung der Geheimhaltungspflicht würden die Informationen und Dokumente zum geplanten Abkommen auch anderen Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellt. Vereinbarungen zwischen Unternehmen fallen nicht unter diese Notifizierungspflicht, sondern können freiwillig übermittelt werden.

Einen ex-post Mechanismus zur Kontrolle eines Abkommens mit dem Unionsrecht sieht der Entwurf nur noch für nicht-verbindliche Instrumente wie etwa Memoranda of Understanding vor, erläuterte ein Experte des Wirtschaftsministeriums. Auf Nachfrage von Ausschussobmann Edgar Mayer (V/V) gab er zu bedenken, falls sämtliche zwischenstaatliche Vereinbarungen im Energiesektor vorab notifiziert werden müssen, brächte das für die Verwaltung einen überschießenden Aufwand mit sich. In seiner Stellungnahme vermutet der EU-Ausschuss ebenfalls, eine Ausweitung der frühzeitigen Information auf nicht-verbindliche Instrumente im Energiebereich, beziehungsweise auf nicht-juristische Belange, führe fraglos zu mehr Bürokratie.

Gasversorgung soll EU-weit besser abgestimmt werden
Alle Mitgliedsstaaten sollen ausreichend auf die Bewältigung eines Gasversorgungsengpasses vorbereitet sein, findet die Europäische Kommission und will deshalb Maßnahmen der Versorgungssicherheit auf regionaler Ebene besser koordiniert wissen. Wiewohl die Erstverantwortung für die Gasversorgung bei den Erdgasunternehmen gesehen wird, sieht die Kommission im Falle eines Marktversagens in einem Mitgliedstaat die zuständigen nationalen Behörden und die übrigen EU-Länder einer Region gefordert, zu handeln. Ziel dieser Maßnahmen sei vor allem, die Gasversorgung von besonders zu behandelnden VerbraucherInnen ("geschützten KundInnen") sicherzustellen. Dazu würden auf EU-Ebene bestimmte Grundsätze und Standards für verpflichtende regionale Risikobewertungen festgelegt. Sämtliche Risiken, die dabei ermittelt werden, sollen dann Gegenstand regionaler Präventions- und Notfallpläne sein, die einer Begutachtung durch Sachverständige unterzogen und von der Kommission, der die allgemeine Koordinierung obliegt, gebilligt werden müssen. Weitere Punkte im Vorschlag sind Vorgaben zur Dimensionierung der Erdgasinfrastruktur und – mit einigen Ausnahmen - der Kapazitäten für Gasflüsse in beide Richtungen auf den zwischenstaatlichen Verbindungsleitungen. Auch Mindestversorgungszeiträume unter definierten Bedingungen werden festgelegt.

Maßnahmen, die zur Gewährleistung der sicheren grenzüberschreitenden Erdgasversorgung beitragen, befürworten die BundesrätInnen natürlich, wie sie in ihrer Stellungnahme zu verstehen geben. Harsche Kritik erhält aber der Vorschlag, dass die Kommission künftig aus mehreren EU-Ländern zusammengesetzte Regionen definieren soll. Den Mitgliedsländern kämen dabei keinerlei Mitwirkungsrechte zu, da seitens der Kommission die Regionen über delegierte Rechtsakte definiert würden. Dagegen legte unter anderem Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W) Protest ein und sah sich in ihrer Reaktion eines Sinnes mit dem gesamten Ausschuss. Laut Kommissionsvorschlag wäre Österreich gemeinsam mit Kroatien, Ungarn, Italien und Slowenien der Region Südost zugeordnet. Ungeachtet der Tatsache, dass schon jetzt andersgeartete Zusammenschlüsse in der Gasversorgung bestehen, nannte Bundesrat Edgar Mayer (V/V) als Beispiel die Verbindungen zwischen Vorarlberg, Tirol und Deutschland.

Auch von den Bundesländern kommt gegen die von Brüssel gesteuerte Regionenbildung vehementer Widerstand. Dadurch greife die Kommission in die Souveränität der Mitgliedstaaten ein, was dem Subsidiaritätsprinzip widerspreche, halten die Länder unisono in ihrer Stellungnahme zu dem Verordnungsentwurf fest. Oberösterreich verurteilt in einer eigenen Mitteilung besonders die "Fixierung auf Gas" als Energieträger, auf Kosten alternativer Energieformen. Für SPÖ und Grüne werden im Kommissionspapier die länderspezifischen Bemühungen zur Schaffung Erneuerbarer Energieformen tatsächlich unzureichend adressiert, obwohl dies essentiell für die regionale Kooperation im Energiebereich sein sollte, sind sich die Ausschussmitglieder Stefan Schennach (S/W) und Heidelinde Reiter (G/S) einig. Immerhin bilde auch Gas eine fossile Energieform, erinnerte Reiter. Schennach hinterfragte zudem den im Entwurf benutzten Solidaritätsbegriff, wonach einzelne EU-Mitglieder zu "Solidarregionen" würden. Dieser Ansatz entspreche nicht dem unionsweiten Solidaritätsverständnis. Auf eine Neuorientierung der Energiepolitik ziele der vorliegende Verordnungsentwurf kaum ab, schwächte ein Experte des Wirtschaftsministeriums dahingehende Erwartungen ab, diene die Neufassung bestehender Regelungen doch einzig der krisenresistenten Gasversorgung in der EU. Große Bedenken herrschen im Wirtschaftsministerium (BMWFW) dennoch, nämlich hinsichtlich der "starren Regionsstrukturen", so der Ressortexperte, und der Solidaritätsklausel. Bei letzterem Punkt sei unklar, unter welchen Voraussetzungen ein Mitgliedstaat Solidarität von anderen Ländern seiner Region einfordern kann bzw. welche Schritte in weiterer Folge erforderlich sind. Ähnliche Vorbehalte hat die Wirtschaftskammer, wiewohl die WKO-Expertin im Ausschuss den Vorsatz, die Energieversorgung unionsweit sicherzustellen, an sich lobte.

Krisenfeste Versorgung angestrebt
Insgesamt soll die Verordnung einen weiteren Beitrag zur sicheren Erdgasversorgung im gesamten Unionsraum bieten, verweist die Kommission auf mögliche Versorgungsprobleme, beispielsweise aufgrund der "anhaltenden Spannungen zwischen der Ukraine und Russland". Bei dem im Sommer 2014 durchgeführten Stresstest habe sich gezeigt, dass eine gravierende Unterbrechung der Gaslieferungen aus Ländern wie Russland noch immer erhebliche Folgen für die gesamte EU hätte. In einigen Gebieten, vor allem in Osteuropa, wären die wirtschaftlichen und sozialen Folgen einer Gasverknappung nach wie vor schwerwiegend. Während der Kältewelle 2012 stiegen die "Day-ahead"-Großhandelspreise für Gas auf europäischen Handelsplätzen um mehr als 50 % im Vergleich zu den Preisen vor der Kältewelle. In Italien erhöhten sich die Preise von 38 €/MWh auf 65 €/MWh, während sie im Vereinigten Königreich, in Deutschland und in Österreich 38 €/MWh (zuvor 23 €/MWh) erreichten.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

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