EU-Ausschuss des Bundesrats: Bessere Koordinierung im Energiebereich nicht ohne Mitsprache
der Mitgliedstaaten
Brüssel/Wien (pk) - Die Europäische Kommission will nicht erst im Nachhinein über bilaterale
Energieabkommen von EU-Mitgliedstaaten mit Drittländern erfahren. Nur so sei die Übereinstimmung der
Vereinbarungen mit dem EU-Recht sicherzustellen. Das ist die Quintessenz des Kommissionsvorhabens, den Informationsaustausch
über zwischenstaatliche energiepolitische Vereinbarungen von Mitgliedstaaten und Ländern außerhalb
der Union schon frühzeitig zu starten. Der EU-Ausschuss des Bundesrats kann grundsätzlich einer frühzeitigen
Einbindung der Kommission einiges abgewinnen, wenn es darum geht, juristische Probleme zu vermeiden. Das kommissionelle
Einspruchsrecht sei allerdings auf rechtliche Aspekte eines Energieabkommens zu beschränken, halten die Bundesrätinnen
und Bundesräte in einer einstimmig beschlossenen begründeten Stellungnahme an die Kommission fest.
Schärfer rügt der Ausschuss im Schreiben an Brüssel einen weiteren Verordnungsentwurf aus dem EU-Energiepaket,
in dem bei der Gasversorgung mehr zwischenstaatliche Kooperation im Unionsraum angeregt wird. Konkret schlägt
die EU-Kommission vor, dass die Mitgliedstaaten einer Region enger zusammenarbeiten, wenn sie Risikobewertungen
vornehmen und Vorkehrungen für eventuelle Gasengpässe treffen. Gegen verbesserte Versorgungssicherheit
bestehen in der Länderkammer zwar keine Einwände, auf Missfallen bei allen Fraktionen stößt
aber der Gedanke, sich von der Kommission mittels delegierter Rechtsakte in Regionen zusammenschließen zu
lassen – das widerspreche eindeutig dem Subsidiaritätsprinzip.
EU-Kommission vermisst Vorabinformation über bilaterale Energieabkommen
Als Argument für den Vorschlag, die EU-Kommission schon vor dem Abschluss von Energieabkommen zwischen
einem Mitgliedstaat und einem Drittland einzubinden, wird im Verordnungsentwurf aus der Strategie für die
Energieunion zitiert: "Ein wichtiges Element bei der Sicherstellung der Energieversorgung (insbesondere der
Gasversorgung) ist die vollständige Übereinstimmung der Abkommen, die den Kauf von Energie aus Drittländern
betreffen, mit dem EU-Recht". Vor allem der Gaseinkauf bei externen Lieferanten habe auf einer EU-rechtlich
sicheren Grundlage zu erfolgen. 2012 wurde aus diesem Grund ein Verfahren beschlossen, bei dem die Kommission die
Übereinstimmung zwischenstaatlicher Abkommen mit dem Unionsrecht prüft, nachdem ein Mitgliedstaat ein
solches Abkommen mit einem Drittland geschlossen hat. Da allerdings eine Neuverhandlung derartiger Abkommen schwierig
ist, hält Brüssel es für sinnvoller, Unstimmigkeiten, die zu rechtlichen Konflikten führen
können, schon im Vorfeld auszuräumen. Deswegen sollen die Mitgliedstaaten nun über ihre externen
Energievorhaben bereits vor Unterzeichnung eines diesbezüglichen Vertragswerks die Kommission informieren.
Dies würde zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zur Energiesicherheit beitragen, wertet die
EU-Kommission ihr Vorgehen angemessen. Zumal die erhöhte Transparenz nationalstaatlicher Energiepolitiken
mehr Kosteneffizienz in der Energieversorgung der EU und eine größere Solidarität zwischen den
Mitgliedstaaten bringe. Um diese Ziele zu erreichen, werden neben einer Ex-ante-Prüfung der zwischenstaatlichen
Abkommen vor ihrer Unterzeichnung auch fakultative Musterklauseln für die Verträge vorgeschlagen. Im
Detail sollen die Mitgliedstaaten laut Verordnungsentwurf verpflichtet sein, die Kommission schon über die
Absicht zu informieren, Verhandlungen mit Drittstaaten über den Abschluss neuer oder die Änderung bestehender
zwischenstaatlicher Abkommen aufzunehmen. In weiterer Folge sei Brüssel über den Fortgang der Verhandlungen
zu unterrichten, wobei Abkommensentwürfe zu übermitteln wären, damit bei rechtlichen oder politischen
Unvereinbarkeiten beratend eingegriffen werden kann. Der Abschluss eines vorgeschlagenen zwischenstaatlichen Abkommens
wäre erst zulässig, wenn die Kommission dem Mitgliedsland innerhalb von 12 Wochen etwaige Zweifel mitgeteilt
hat. Eine entsprechende Stellungnahme hätten die Mitgliedstaaten weitestgehend zu berücksichtigen. Unter
Beachtung der Geheimhaltungspflicht würden die Informationen und Dokumente zum geplanten Abkommen auch anderen
Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellt. Vereinbarungen zwischen Unternehmen fallen nicht unter diese Notifizierungspflicht,
sondern können freiwillig übermittelt werden.
Einen ex-post Mechanismus zur Kontrolle eines Abkommens mit dem Unionsrecht sieht der Entwurf nur noch für
nicht-verbindliche Instrumente wie etwa Memoranda of Understanding vor, erläuterte ein Experte des Wirtschaftsministeriums.
Auf Nachfrage von Ausschussobmann Edgar Mayer (V/V) gab er zu bedenken, falls sämtliche zwischenstaatliche
Vereinbarungen im Energiesektor vorab notifiziert werden müssen, brächte das für die Verwaltung
einen überschießenden Aufwand mit sich. In seiner Stellungnahme vermutet der EU-Ausschuss ebenfalls,
eine Ausweitung der frühzeitigen Information auf nicht-verbindliche Instrumente im Energiebereich, beziehungsweise
auf nicht-juristische Belange, führe fraglos zu mehr Bürokratie.
Gasversorgung soll EU-weit besser abgestimmt werden
Alle Mitgliedsstaaten sollen ausreichend auf die Bewältigung eines Gasversorgungsengpasses vorbereitet sein,
findet die Europäische Kommission und will deshalb Maßnahmen der Versorgungssicherheit auf regionaler
Ebene besser koordiniert wissen. Wiewohl die Erstverantwortung für die Gasversorgung bei den Erdgasunternehmen
gesehen wird, sieht die Kommission im Falle eines Marktversagens in einem Mitgliedstaat die zuständigen nationalen
Behörden und die übrigen EU-Länder einer Region gefordert, zu handeln. Ziel dieser Maßnahmen
sei vor allem, die Gasversorgung von besonders zu behandelnden VerbraucherInnen ("geschützten KundInnen")
sicherzustellen. Dazu würden auf EU-Ebene bestimmte Grundsätze und Standards für verpflichtende
regionale Risikobewertungen festgelegt. Sämtliche Risiken, die dabei ermittelt werden, sollen dann Gegenstand
regionaler Präventions- und Notfallpläne sein, die einer Begutachtung durch Sachverständige unterzogen
und von der Kommission, der die allgemeine Koordinierung obliegt, gebilligt werden müssen. Weitere Punkte
im Vorschlag sind Vorgaben zur Dimensionierung der Erdgasinfrastruktur und – mit einigen Ausnahmen - der Kapazitäten
für Gasflüsse in beide Richtungen auf den zwischenstaatlichen Verbindungsleitungen. Auch Mindestversorgungszeiträume
unter definierten Bedingungen werden festgelegt.
Maßnahmen, die zur Gewährleistung der sicheren grenzüberschreitenden Erdgasversorgung beitragen,
befürworten die BundesrätInnen natürlich, wie sie in ihrer Stellungnahme zu verstehen geben. Harsche
Kritik erhält aber der Vorschlag, dass die Kommission künftig aus mehreren EU-Ländern zusammengesetzte
Regionen definieren soll. Den Mitgliedsländern kämen dabei keinerlei Mitwirkungsrechte zu, da seitens
der Kommission die Regionen über delegierte Rechtsakte definiert würden. Dagegen legte unter anderem
Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W) Protest ein und sah sich in ihrer Reaktion eines Sinnes mit dem gesamten
Ausschuss. Laut Kommissionsvorschlag wäre Österreich gemeinsam mit Kroatien, Ungarn, Italien und Slowenien
der Region Südost zugeordnet. Ungeachtet der Tatsache, dass schon jetzt andersgeartete Zusammenschlüsse
in der Gasversorgung bestehen, nannte Bundesrat Edgar Mayer (V/V) als Beispiel die Verbindungen zwischen Vorarlberg,
Tirol und Deutschland.
Auch von den Bundesländern kommt gegen die von Brüssel gesteuerte Regionenbildung vehementer Widerstand.
Dadurch greife die Kommission in die Souveränität der Mitgliedstaaten ein, was dem Subsidiaritätsprinzip
widerspreche, halten die Länder unisono in ihrer Stellungnahme zu dem Verordnungsentwurf fest. Oberösterreich
verurteilt in einer eigenen Mitteilung besonders die "Fixierung auf Gas" als Energieträger, auf
Kosten alternativer Energieformen. Für SPÖ und Grüne werden im Kommissionspapier die länderspezifischen
Bemühungen zur Schaffung Erneuerbarer Energieformen tatsächlich unzureichend adressiert, obwohl dies
essentiell für die regionale Kooperation im Energiebereich sein sollte, sind sich die Ausschussmitglieder
Stefan Schennach (S/W) und Heidelinde Reiter (G/S) einig. Immerhin bilde auch Gas eine fossile Energieform, erinnerte
Reiter. Schennach hinterfragte zudem den im Entwurf benutzten Solidaritätsbegriff, wonach einzelne EU-Mitglieder
zu "Solidarregionen" würden. Dieser Ansatz entspreche nicht dem unionsweiten Solidaritätsverständnis.
Auf eine Neuorientierung der Energiepolitik ziele der vorliegende Verordnungsentwurf kaum ab, schwächte ein
Experte des Wirtschaftsministeriums dahingehende Erwartungen ab, diene die Neufassung bestehender Regelungen doch
einzig der krisenresistenten Gasversorgung in der EU. Große Bedenken herrschen im Wirtschaftsministerium
(BMWFW) dennoch, nämlich hinsichtlich der "starren Regionsstrukturen", so der Ressortexperte, und
der Solidaritätsklausel. Bei letzterem Punkt sei unklar, unter welchen Voraussetzungen ein Mitgliedstaat Solidarität
von anderen Ländern seiner Region einfordern kann bzw. welche Schritte in weiterer Folge erforderlich sind.
Ähnliche Vorbehalte hat die Wirtschaftskammer, wiewohl die WKO-Expertin im Ausschuss den Vorsatz, die Energieversorgung
unionsweit sicherzustellen, an sich lobte.
Krisenfeste Versorgung angestrebt
Insgesamt soll die Verordnung einen weiteren Beitrag zur sicheren Erdgasversorgung im gesamten Unionsraum bieten,
verweist die Kommission auf mögliche Versorgungsprobleme, beispielsweise aufgrund der "anhaltenden Spannungen
zwischen der Ukraine und Russland". Bei dem im Sommer 2014 durchgeführten Stresstest habe sich gezeigt,
dass eine gravierende Unterbrechung der Gaslieferungen aus Ländern wie Russland noch immer erhebliche Folgen
für die gesamte EU hätte. In einigen Gebieten, vor allem in Osteuropa, wären die wirtschaftlichen
und sozialen Folgen einer Gasverknappung nach wie vor schwerwiegend. Während der Kältewelle 2012 stiegen
die "Day-ahead"-Großhandelspreise für Gas auf europäischen Handelsplätzen um mehr
als 50 % im Vergleich zu den Preisen vor der Kältewelle. In Italien erhöhten sich die Preise von 38 €/MWh
auf 65 €/MWh, während sie im Vereinigten Königreich, in Deutschland und in Österreich 38 €/MWh (zuvor
23 €/MWh) erreichten.
|