Brüssel/Wien (universität) - Die Mikrobiologin Christa Schleper beschäftigt sich seit vielen
Jahren mit Archaea. Diese Mikroorganismen gehören zusammen mit Bakterien zu den ersten Lebewesen auf der Erde.
Für ein neues innovatives Forschungsprojekt erhält sie einen mit rund 2,5 Mio. Euro dotierten ERC Advanced
Grant des Europäischen Forschungsrates. Das Geld wird in Grundlagenforschung investiert: Christa Schleper
will damit neu entdeckte Archaea erforschen, die Einblicke in die frühe Evolution von Mikroorganismen und
komplexerer Lebewesen versprechen.
"Die Universität Wien freut sich über den 35. ERC-Grant", so Rektor Heinz W. Engl. "Diese
Grants sind eine hohe Auszeichnung für die WissenschafterInnen und ein Beleg für die erfolgreiche Berufungspolitik
der Universität Wien. Zudem bekommen JungwissenschafterInnen die Möglichkeit, an höchst innovativen
Forschungsprojekten mitzuarbeiten."
Das Forschungsprojekt von Christa Schleper im Fokus
Wie aus einfachen, bakterienähnlichen Zellen komplexere höhere Lebewesen wie Pflanzen und Tiere entstanden
sind, ist eine der großen unbeantworteten Fragen in der Biologie. Archaea gehören mit den Bakterien
zu den sogenannten Prokaryonten und damit zu den ältesten Lebewesen auf der Erde. Ihre molekularen Strukturen
zeigen aber erstaunliche Ähnlichkeiten mit Pflanzen und Tieren, sogenannten Eukaryonten.
Im Projekt "TACK Superphylum and Lokiarchaeota Evolution – Dissecting the Ecology and Evolution of Archaea
to Elucidate the Prokaryote to Eukaryote Transition" untersucht Christa Schleper zwei Gruppen von Archaea,
die Aufschluss über wichtige Übergänge in der frühen Evolution geben können: Lokiarchaeota
und Thaumarchaeota. Lokiarchaeota wurden erst 2015 in Tiefseesedimenten entdeckt und gelten derzeit als die nächsten
Verwandten der Eukaryoten. Sie können aber bislang lediglich mit molekularen Techniken vorhergesagt und noch
nicht im Labor gehalten werden. Thaumarchaeota sind die einzigen Archaea, die es – ausgehend von einem Leben in
heißen Quellen – geschafft haben, sich überall auf der Erde auszubreiten und im Meer sowie in Böden
eine wichtige ökologische Funktion im Stickstoffkreislauf zu übernehmen. "Mit der Erforschung dieser
beiden Archaeagruppen erwarte ich mir neue Einblicke in die frühe Evolution der Eukaryonten und in weit verbreitete
und ökologisch relevante Mikroorganismen", so Christa Schleper.
Über Christa Schleper
Christa Schleper, geboren 1962 in Oberhausen/Deutschland, ist seit 2007 Professorin für Ökogenetik/Mikrobiologie
an der Universität Wien. 1989 Diplom in Biologie an der Universität Konstanz, 1993 Promotion am Max-Planck-Institut
für Biochemie in München, 1993-95 Postdoktorat am MPI in München, von 1995-97 Postdoktorat am California
Institute of Technology (Caltech, USA) und University of Santa Barbara (USA). 1998-2003 Universitätsassistentin
an der Technischen Universität Darmstadt, 2002 Habilitation in Mikrobiologie und Genetik, 2003-07 Professorin
für Mikrobiologie an der Universität Bergen (Norwegen). 2007 Rufe an die ETH Zürich und TU München
abgelehnt.
2001 EMBO Young-Investigator Award, 2011 gewähltes Mitglied der Amerikanischen Akademie für Mikrobiologie,
seit 2013 korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Christa Schleper ist Sprecherin des 2016 gestarteten und durch den FWF mit 1,5 Millionen Euro geförderten
Doktoratskollegs "Microbial Nitrogen Cycling – From Single Cells to Ecosytems", an dem insgesamt neun
Arbeitsgruppen der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien beteiligt sind. Darüber
hinaus startet im Sommer das mit rund 1,6 Millionen Euro dotierte WWTF-Projekt für eine Vienna Research Group
mit dem Thema "Pan-metabolic profiling of Archaea: The ecology of genomics", für das Schleper die
Molekularbiologin Filipa Sousa als Gruppenleiterin gewinnen konnte.
Zu Schlepers Forschungsschwerpunkten zählen Ökologie, Molekularbiologie und Evolution von Archaea, Virus-Wirt-Interaktionen
sowie die Erforschung nicht kultivierbarer Mikroorganismen mithilfe der Metagenomik.
European Research Council
Die Förderung von grundlagenorientierter Pionierforschung ist einer der Schwerpunkte der Europäischen
Union. Dafür wurde der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) geschaffen. Der ERC
Advanced Grant ist die wichtigste europäische Forschungsförderung und unterstützt Projekte mit hohem
Potenzial für Innovationen; er wird durch ein internationales Gutachtergremium mit renommierten ExpertInnen
vergeben. Den ausgewählten ForscherInnen wird entsprechender Freiraum zur Verwirklichung ihrer Visionen zugestanden.
13 ERC Advanced Grant – insgesamt bereits 35 ERC Grants für die Universität Wien
Christa Schleper ist die dreizehnte WissenschafterIn der Universität Wien, die einen ERC Advanced Grant erhält.
Diese seit 2007 vergebene Forschungsförderung ging ebenso an Walter Pohl (Geschichte), Gerhard J. Herndl (Meeresbiologie),
Herlinde Pauer-Studer und Martin Kusch (Philosophie), Tecumseh Fitch (Kognitionsbiologie), Michael Wagner (Mikrobielle
Ökologie), Anton Zeilinger und Markus Arndt (Physik), Monika Henzinger (Informatik) sowie Adrian Constantin,
Walter Schachermayer und Ludmil Katzarkov (alle Mathematik). Dank 16 weiterer ERC Starting Grants, fünf ERC
Consolidator Grants und eines ERC Proof of Concept liegt die Universität Wien nunmehr bei 35 ERC-Förderungen.
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