Analyse von Oberflächen als Beispiel für Wissenstransfer
St. Pölten (fh) - Das EU-Projekt „3D-Pitoti “ untersuchte in Norditalien prähistorische Felsgravuren
mit moderner Medientechnik. Dabei wurden Verfahren für 3D-Scans und die automatische Analyse der Daten weiterentwickelt.
Diese Techniken könnten in Zukunft auch in der Industrie eingesetzt werden.
Im norditalienischen Tal Valcamonica haben Menschen prähistorischer Kulturen mehr als 50.000 Bilder, sogenannte
Pitoti, in den Fels gemeißelt. Die meist Jahrtausende alten Darstellungen von Menschen, Gegenständen
und abstrakten Mustern sind jedoch nur schwer zugänglich – und verletzlich. Das EU-Projekt 3D-Pitoti erfasste
in den letzten drei Jahren den Stand der Gravuren und machte diese mit moderner Medientechnik für ein breites
Publikum zugänglich. Der Einsatz von 3D-Kameras, Drohnen und neuen Analysemethoden erleichterte zudem Archäologinnen
und Archäologen ihre Arbeit.
Dritte Dimension der Felsgravuren
Im Rahmen des Projekts wurde erstmals die dreidimensionale Struktur der Steinbilder untersucht und aufgezeichnet.
In diesem Projekt arbeitete die FH St. Pölten unter der Leitung der Universität Nottingham an der Entwicklung
intelligenter Datenverarbeitungstechnologien, um Strukturen in den 3D-Daten der Steinfiguren zu erkennen und nutzbar
zu machen.
Altersbestimmung am Fels
Die detaillierte Analyse der dreidimensionalen Werkzeugspuren im Stein zeigt, in welchen Schritten übereinander
gravierte Figuren bearbeitet wurden. „Diese Analyse der Arbeitsschichten ermöglicht das relative Datieren
der Figuren, denn eine Altersbestimmung mittels Kohlenstoffmethode ist am Stein nicht möglich“, erklärt
Markus Seidl, Leiter des Instituts für Creative\Media/Technologies (IC\M/T) und Projektleiter für „3D-Pitoti
“ an der FH St. Pölten.
Bei der klassischen archäologischen Analyse wurden die Steinbilder in einem langwierigen Prozess von der Steinoberfläche
abgepaust. Das Untersuchen der feinen dreidimensionalen Spuren so wie es das Projekt 3D-Pitoti verwirklicht ist
bei der klassischen Dokumentation nicht möglich. Seidl hat mit Kolleginnen und Kollegen im Projekt zudem eine
Methode zum automatisierten Vergleich einer hohen Zahl an Abbildern von mehreren Fundorten entwickelt. Auch dies
erleichtert die Altersbestimmung, denn ähnliche Symbole stammen meist aus der gleichen Zeit.
Verbesserte Denkmalpflege
Am Projekt beteiligt war auch das deutsche Unternehmen ArcTron 3D. Es arbeitet im Bereich der Vermessungstechnik
und nutzt Methoden des 3D-Laserscannings und der Photogrammetrie. „Für uns war die intensive Zusammenarbeit
mit den verschiedenen universitären Partnern hochinteressant. Wir halten den Beitrag der FH St. Pölten
zur Mustererkennung in 2D und 3D für besonders wertvoll und zukunftsweisend. Sollte sich dieser Ansatz zukünftig
weiterverfolgen lassen, würden sich insbesondere für Forschungen in der Archäologie und Denkmalpflege
zahlreiche Möglichkeiten ergeben, automatisiert Strukturen in 3D-Daten zu erkennen und zu klassifizieren.
Zurzeit ist dies für die eigentliche Aufgabenstellung im Projekt, die prähistorische Felsbildkunst, möglich,
doch die Technik wird in diesem Bereich zahlreiche neue Perspektiven eröffnen“, sagt Martin Schaich, ausgebildeter
Archäologe und Geschäftsführer von ArcTron 3D.
Die Technik der FH St. Pölten wurde auf der international führenden Digital-Heritage-Konferenz in Granada
2015 mit dem „Best Paper Award“ ausgezeichnet.
Anwendung in der Industrie
„Wir haben mit den Partnerinnen und Partnern im Projekt Machine-Learning-Verfahren zur Oberflächenklassifikation
entwickelt: Bearbeitete werden von unbearbeiteten Flächen unterschieden und große Mengen an 3D-Daten
werden automatisch verarbeitet, um Muster zu erkennen. Dies lässt sich auch für bildgebende Verfahren
in der Industrie einsetzen, etwa zur Materialprüfung, zur Analyse von Oberflächen und in der Qualitätssicherung“,
sagt Seidl. So könnten zum Beispiel an gefrästen Oberflächen feine Krater und Risse erkannt werden.
Solche möglichen Anwendungen sind ein Beispiel für den Einsatz moderner Medientechnik in der sogenannten
„Industrie 4.0“.
Radiobeitrag
Vor kurzem war Markus Seidl zum Thema zu Gast auf einen „Campus Talk“ im Campus & City Radio 94.4. Sendung
zum Nachhören:
https://www.fhstp.ac.at/de/newsroom/news/medientechnik-in-archaeologie-und-industrie
Projekt 3D-Pitoti
Das Projekt “3D Pitoti – 3D acquisition, processing and presentation of prehistoric European rock-art” wird
von der Europäischen Union im Rahmen des 7. Rahmenprogramm finanziert. Projektpartner sind die Universität
Nottingham (Human Factors Research Group/Faculty of Engineering, Leitung), die Universität Cambridge, die
Bauhaus Universität Weimar, die Technische Universität Graz, die ARCTRON 3D GMBH sowie ASSOCIAZIONE CENTRO
CAMUNO DI STUDIPREISTORICI ED ETNOLOGICI. Laufzeit: März 2013 bis Februar 2016
https://www.fhstp.ac.at/de/forschung/projekte/pitoti-3d
http://3d-pitoti.eu
Über die Fachhochschule St. Pölten
Die Fachhochschule St. Pölten ist Anbieterin praxisbezogener und leistungsorientierter Hochschulausbildung
in den sechs Themengebieten Medien & Wirtschaft, Medien & Digitale Technologien, Informatik & Security,
Bahntechnologie & Mobilität, Gesundheit und Soziales. In mittlerweile 17 Studiengängen werden rund
2.600 Studierende betreut. Neben der Lehre widmet sich die FH St. Pölten intensiv der Forschung. Die wissenschaftliche
Arbeit erfolgt zu den oben genannten Themen sowie institutsübergreifend und interdisziplinär. Die Studiengänge
stehen in stetigem Austausch mit den Instituten, die laufend praxisnahe und anwendungsorientierte Forschungsprojekte
entwickeln und umsetzen.
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