Innsbruck (universität) - Ein Team um die Experimentalphysikerin Francesca Ferlaino und den Theoretiker
Peter Zoller hat erstmals in einem optischen Gitter die magnetische Wechselwirkung zwischen weit auseinanderliegenden,
ultrakalten Teilchen gemessen. Mit der nun in der Fachzeitschrift Science publizierten Arbeit eröffnen die
Forscherinnen und Forscher eine neue Dimension der Quantensimulation.
Simulationen sind ein beliebtes Werkzeug, um Probleme, die durch Experimente nicht zugänglich sind, im Detail
zu studieren. So können viele physikalische Prozesse in Materialien bis heute nicht untersucht werden. Die
Materialeigenschaften werden von den Wechselwirkungen einzelner Teilchen bestimmt und diese können nicht direkt
gemessen werden. Da klassische Computer bei solch komplexen Simulationen rasch an ihre Grenzen stoßen, hat
Richard Feynman bereits Anfang der 1980er-Jahre vorgeschlagen, diese Probleme in einem Quantensystem zu simulieren.
Ignacio Cirac und Peter Zoller präsentierten vor zwei Jahrzehnten konkrete Konzepte, wie Quantenprobleme mit
ultrakalten Atomen in einem optischen Gitter erforscht werden können. Diese Idee hat sich in den vergangenen
Jahren sehr bewährt und eine breite experimentelle Anwendung gefunden. „Wir können die ultrakalten Teilchen
im Labor sehr gut kontrollieren und erhalten so einen großartigen Einblick in deren physikalische Eigenschaften“,
erzählt Francesca Ferlaino vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und dem
Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Gemeinsam
mit Theoretikern um Peter Zoller hat ihr Team diesen Ansatz für Quantensimulationen einem weiteren wichtigen
Test unterzogen und damit die Forschung einen wesentlichen Schritt vorangebracht. Die Physiker bestimmten erstmals
quantitativ die langreichweitige Wechselwirkung zwischen magnetischen Atomen.
Experimentierkasten für Materie
Alle bisherigen Arbeiten waren auf die Wechselwirkung von Teilchen beschränkt, die sehr nahe beieinanderliegen.
„Wir arbeiten aber mit stark magnetischen Atomen, welche wir auch über große Distanzen aufeinander wirken
lassen können“, sagt Mitautor Manfred Mark. Zunächst erzeugen die Physiker im Labor ein Bose-Einstein-Kondensat
aus Erbiumatomen und laden es in ein dreidimensionales Gitter aus Laserstrahlen, das wie ein künstlicher Kristall
aus Licht funktioniert. In diesem simulierten Festkörperkristall ordnen sich die Teilchen wie in einem Eierkarton
an. Im Innsbrucker Experiment liegen die Teilchen etwa das Siebenfache der Ausdehnung ihrer Wellenfunktion voneinander
entfernt. „Mit einem Magnetfeld können wir die Ausrichtung der vielen Minimagneten direkt verändern und
damit sehr genau steuern, wie die Teilchen miteinander wechselwirken – ob sie sich anziehen oder abstoßen“,
erläutert Erstautor Simon Baier.
Suche nach exotischen Quantenphasen
„Die Zusammenarbeit mit Peter Zoller, Cai Zi und Mikhail Baranov war enorm wichtig, um unsere Messergebnisse umfassend
zu verstehen“, betont Francesca Ferlaino. „Unsere Arbeit ist ein weiterer Schritt für ein besseres Verständnis
der Materie, denn die Verhältnisse sind hier wesentlich komplizierter als in bisher untersuchten ultrakalten
Quantengasen.“ Das Experiment ist auch ein wichtiger Schritt auf der Suche nach exotischen Quantenphasen wie Schachbrett-
oder Streifenmuster, die durch diese langreichweitigen Wechselwirkungen entstehen können. „Unsere Arbeit ebnet
den Weg, um solche Phasen bald messen zu können“, blickt Simon Baier bereits in die Zukunft. „Auch in unserem
Experiment sollte dies grundsätzlich möglich sein. Dafür müssen wir die Atome aber noch weiter
abkühlen – von momentan 70nK auf etwa 2nK.“
Finanziell unterstützt wurden die Forschungen unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF
und dem europäischen Forschungsrat ERC.
Publikation
Extended Bose-Hubbard models with ultracold magnetic atoms. S. Baier,
M. J. Mark, D. Petter, K. Aikawa, L. Chomaz, Z. Cai, M. Baranov, P. Zoller, F. Ferlaino. Science 2016
DOI: 10.1126/science.aac9812
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