Rechnungshofausschuss debattiert europäische Aspekte der Finanzkontrolle
Brüssel/Wien (pk) - Die Zahlungen aus EU-Förderprogrammen sind nach wie vor stark mit Fehlern
behaftet. Oskar Heric, der als österreichisches Mitglied des Europäischen Rechnungshofs am 14.04. im
Rechnungshofausschuss gemeinsam mit seinen MitarbeiterInnen Margit Spindelegger und Thomas Obermayer den Abgeordneten
Rede und Antwort stand, bezifferte die für 2014 geschätzte Fehlerquote mit 4,4% und leitete daraus die
Forderung nach einer grundlegenden Veränderung des EU-Finanzmanagements – von der Vergabe bis zur Kontrolle
– ab. Betroffen von den Unregelmäßigkeiten ist auch Österreich, das vor allem im Bereich der Mittelauszahlung
aus dem Struktur- und Kohäsionsfonds im negativen europäischen Spitzenfeld liegt.
Im Rahmen der Sitzung, die vor allem der europäischen Perspektive der Prüftätigkeit gewidmet war,
beklagten die Abgeordneten auch Prüfungslücken, etwa im Zusammenhang mit der EZB und dem Europäischen
Stabilitätsmechanismus (ESM). Heric, aber auch Rechnungshofpräsident Josef Moser bestätigten Kontrolldefizite,
sahen in dieser Frage aber die nationalen Parlamente am Zug. Ein Antrag der FPÖ auf Prüfung von EU-Fördermitteln,
die direkt an Förderungsempfänger ausbezahlt werden, fand keine Mehrheit.
Struktur- und Kohäsionsfonds: Österreich musste 1,5% der Förderungen zurückzahlen
Die Ausgaben sind nicht immer im Einklang mit den EU-Vorschriften erfolgt, das EU-Finanzmanagement erfüllt
noch nicht die Ansprüche der Union und ihrer Mitgliedstaaten, skizzierte Oskar Heric den vom Europäischen
Rechnungshof festgestellten Grundtatbestand. Am höchsten war die Fehlerquote mit 5,7% im Bereich der Regional-
und Sozialfonds, knapp dahinter folgte der Bereich Wachstum und Beschäftigung mit 5,6%. Auszahlungen beim
Programm für ländliche Entwicklung wiesen eine Fehlerhäufigkeit von 3,6% auf. Wie Heric präzisierte,
bestanden die Fehler im Wesentlichen in der Erfassung von nicht förderfähigen Kosten, der Verletzung
von Vergabevorschriften oder etwa der Angabe von falschen Flächengrößen bei landwirtschaftlichen
Förderungen.
Von den Fehlern war auch Österreich nicht ausgenommen. So waren von den 18 Transaktionen, die im Jahr 2014
stichprobenartig geprüft wurden, neun fehlerhaft. Eine besonders hohe Fehlerquote wiesen etwa Zahlungen im
Bereich des Struktur- und Kohäsionsfonds auf, wo Österreich mit 64% im EU-Vergleich den drittletzten
Platz einnimmt. Besser schnitt Österreich im Bereich der Förderungen aus dem Programm für den ländlichen
Raum ab. Hier betrug die Fehlerquote bei Stichproben 39% und lag damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 47%.
Insgesamt musste Österreich im Zeitraum von 2007 bis 2013 1,5% der erhaltenen EU-Zahlungen im Bereich Struktur-
und Kohäsionsfonds zurückzahlen.
Unbehagen über komplexe Förderrichtlinien
In der Debatte wiesen die Abgeordneten auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Förderbürokratie
und der Fehlerquote hin. So beklagten etwas SPÖ-Agrarsprecher Erwin Preiner und Bruno Rossmann von den Grünen
sowie Jessi Lintl (F) die hohe Komplexität der Vorgaben. Man frage sich, "ob man da überhaupt noch
mitmachen soll", brachte ÖVP-Abgeordneter Johann Singer das Unbehagen zahlreicher FörderungswerberInnen
auf den Punkt. Vereinfachung ist ein Thema in der EU, versicherte Oskar Heric, wies aber gleichzeitig auf die notwendige
Balance zwischen einem erleichterten Zugang zu EU-Förderungen auf der einen Seite und der Entfaltung der gewünschte
Wirkung der ausgezahlten Mittel auf der anderen Seite hin.
Opposition sieht Prüfungslücken bei ESM und EU-Förderungen
NEOS-Mandatarin Claudia Gamon lenkte den Blick auf die Bankenaufsicht und ortete eine Prüfungslücke bei
der Europäischen Zentralbank EZB, wobei sie bemerkte, hier werde Macht ohne Kontrolle ausgeübt. Diesen
auch von Bruno Rossmann (G) aufgegriffenen Themenbereich nahm Rechnungshofpräsident Josef Moser zum Anlass
für seine Anregung, die europäische Kontrollarchitektur auf neue Beine zu stellen. Es müsse jedenfalls
verhindert werden, dass im Zuge der Verschiebung von Kompetenzen auf die EU-Ebene oder etwas bei der Abwanderung
von systemrelevanten Banken zur Europäischen Zentralbank Prüfungslücken entstehen, mahnte er. Gleiches
gelte im Zusammenhang mit Direktzahlungen, die derzeit nur im Falle einer geteilten Mittelverantwortung der Kontrolle
durch die nationalen Rechnungshöfe unterliegen. Auch Oskar Heric sprach das Problem der Prüfungslücken
an und verwies in diesem Zusammenhang auf die Bestrebungen einzelner EU-Länder in Richtung einer gemeinsamen
Prüfung des Stabilitätsmechanismus.
EU-Haushalt 2013 – am meisten Geld bekamen Polen und Ungarn
Das Anliegen einer größeren Transparenz bei den Zahlungen der EU an Österreich, bei der Einordnung
Österreichs in den EU?Haushalt und bei der Verwendung von EU?Mitteln in Österreich bestimmte die Ausschussdebatte
auch bei der einstimmigen Vertagung des EU-Finanzberichts 2013 ( III-204 d.B.). Österreich leistete im Jahr
2013 3,191 Mrd. € an EU-Beiträgen und verbuchte 1,862 Mrd. € an Rückflüssen, teilte Rechnungshofpräsident
Josef Moser den Abgeordneten bei seiner Präsentation des umfangreichen Zahlenwerks mit. Österreichs Nettobeitrag
lag 2013 somit bei 1,329 Mrd. € und damit über dem Durchschnitt von 795,67 Mio. € in den Jahren 2007 bis 2013,
rechneten die Prüfer den Abgeordneten vor. Von 2007 bis Ende 2013 nutzte Österreich Mittel des Europäischen
Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) zu 89,5%, des Europäischen
Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) zu 52,9% und des Europäischen Sozialfonds (ESF) zu 85,6%. Österreich
nützte die ihm in beiden Strukturfonds zugewiesenen Mittel zu 67,1%. Im Auslaufzeitraum bis Ende 2015 kann
Österreich die ihm zugewiesenen ELER- und ESF-Mittel vollständig auszuschöpfen, schreibt der Rechnungshof,
für nicht realistisch halten die Prüfer hingegen eine vollständige Ausschöpfung der EFRE-Mittel.
Die größten Rückflüsse an Mitteln aus dem EU-Haushalt erzielten in absoluten Zahlen Polen
und relativ zum BNP Ungarn, die geringsten Schweden, Dänemark und Deutschland. In der Reihe der Länder
mit den absolut größten Rückflüssen nahm Österreich den 18. Platz ein. 17 EU-Mitgliedstaaten
erhielten mehr und 10 weniger Rückflüsse als Österreich. Auf der Liste der 11 Nettozahler der EU
lag Österreich 2013 an 9. Stelle, geht aus dem Rechnungshofbericht hervor.
Der EU-Beitrag Österreichs wird 2013 zu 73,6% vom Bund, zu 22,5% von den Ländern und zu 3,9% von den
Gemeinden getragen. Zu der seit 2011 diskutierten Reform des EU-Eigenmittelsystems wurde eine interinstitutionelle
Arbeitsgruppe eingesetzt. Für 2016 ist eine interparlamentarische Konferenz geplant. Die Finanztransaktionssteuer
soll im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit eingeführt werden, berichtete der RH-Präsident.
Kontrolllücken ortete Rechnungshofpräsident Moser bei den Direkt-Förderungen der EU, die 2013 245
Mio. € ausmachten. Davon gingen 48,7% an öffentliche, 50,8% an private Einrichtungen und 0,5% an natürliche
Personen, wobei Private grundsätzlich nicht geprüft werden können, kritisierte der Rechnungshofpräsident.
Weitere Prüfungslücken bestehen laut Moser im Bereich der Europäischen Banken-Union. Bei der Investitionsoffensive
sei die Abstimmung auf die Bedürfnisse der Realwirtschaft sicherzustellen, sagte Moser.
Die Fehlerquote, die bis 2009 auf 3,3% sank, stieg seither wieder auf 4,7%. Daher verweigerte das Europäische
Parlament dem Generalsekretär des Rates auch 2015 die Entlastung für den Haushaltsplan 2013, ebenso dem
Direktor des EU-Innovations- Technologieinstituts und dem Exekutivdirektor des Gemeinsamen Unternehmens ECSEL.
In der Debatte schlug Bruno Rossmann (G) vor, die EU-Finanzen neu auszurichten und bedauerte, dass niemand wisse
ob und wann eine Finanztransaktionssteuer komme, die diesen Namen verdient. Laut Rossmann liegt der Fokus der EU-Finanzen
zu sehr auf der ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik, wo die Fehlerquote besonders hoch sei. Europa brauche
mehr Mittel für den Arbeitsmarkt und für die Finanzierung der Flüchtlingsbewegungen.
Eine geplante Exkursion des Ausschusses zum Europäischen Rechnungshof unterstützte Elmar Mayer (S) ebenso
wie die gemeinsame Feststellung von Lücken bei der Prüfung der Bankenaufsicht. Angesichts der Relation
zwischen finanziellen Rückflüssen europäischer Finanzmittel nach Polen und Ungarn und den Beiträgen
dieser beiden Länder zur Lösung der Flüchtlingsproblematik hielt Mayer Maßnahmen für
notwendig. Auf fehlende Sanktionen nach der verweigerten Entlastung von der Verantwortung für Haushaltmittel
der EU drängte Claudia Angela Gamon (N).
In Antworten auf Fragen der Abgeordneten Jessi Lintl (F) und Andreas Ottenschläger (V) empfahl Rechnungshofpräsident
Josef Moser Wirtschaftlichkeits-Prüfungen, um die Fehlerquote bei der Verwendung von EU-Mitteln zu verringern.
Es gelte zu klären, warum Fehler auftreten und Konsequenzen daraus zu ziehen.
Ausschussmehrheit lehnt RH-Prüfung von EU-Direktförderungen ab
Von Seiten der FPÖ lag dem Ausschuss der bereits einmal vertagte Antrag vor, die Prüfzuständigkeit
des Rechnungshofs auf direkt an Empfänger ausbezahlte EU-Fördermittel zu erweitern ( 411/A(E)). Zur Begründung
erinnerte Edith Mühlberghuber (F) an den EU-Finanzbericht 2011, demzufolge Österreich 1,876 Mrd. € an
EU-Mitteln erhielt, von denen 1,481 Mrd. € über den Bundeshaushalt nach Österreich flossen. Der Rest
ging direkt an Forschungseinrichtungen oder Energieunternehmen. Diese 395 Mio. € wurden ohne konkrete Prüfung
ausbezahlt, sagte Mühlberghuber (F) und sprach die Erwartung einer Zustimmung aus, wie dies "dem Verlauf
der Debatte entspricht".
Diese Zustimmung verweigerte Claudia Durchschlag (V) mit dem Argument, eine Prüfung Privater entspreche nicht
dem System des öffentlichen Finanzkontrollsystems. Überdies seien sowohl der europäische als auch
der österreichische Rechnungshof ausgelastet. Die Oppositionsparteien reagierten mit Unverständnis auf
diese Haltung. Es sei nicht einzusehen, dass der Rechnungshof nicht prüfen soll, wo Kontrolllücken bestehen
und nachwiesenermaßen öffentliche Mittel verschwendet werden, sagten Bruno Rossmann (G) und Claudia
Gamon (N). Die "bremsende Haltung der ÖVP" sei unverständlich, weil die Kontrolle von EU-Direktzahlungen
in der Vergangenheit auch von ÖVP-Abgeordneten gefordert wurde. Überdies sollen nicht Private kontrolliert
werden, sondern öffentliche Hände bei der Vergabe von Direktförderungen, erklärte Gabriela
Moser (G). Die Ablehnung des Antrags erfolgte mit der Mehrheit der Regierungsparteien. Rechnungshofbericht III-247
d.B. vertagte der Ausschuss – zur Fristwahrung - einstimmig.
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