Gespräch mit Mauthausen Komitee, Antifa-Netzwerk und IKG führt zu Maßnahmen
bei Anwendung des Verbotsgesetzes
Wien (mkö) - Am 13.04. legte Justizminister Wolfgang Brandstetter zu Ehren von Dr. Robert Winterstein
(1874 – 1940), der vor genau 76 Jahren dem NS-Regime zum Opfer gefallen ist, am Pötzleinsdorfer Friedhof einen
Kranz nieder. Damit gedenkt Brandstetter seines Amtsvorgängers jüdischen Glaubens, einen der wichtigsten
Repräsentanten der österreichischen Justiz in der Ersten Republik und im Ständestaat: „Sein Schicksal
möge uns daran erinnern, wie schnell Recht und Gerechtigkeit in einer Gesellschaft verloren gehen können,
und wie wichtig die Auseinandersetzung mit den Strukturen und Ereignissen ist, die zu einem derartigen Zustand
führen können, gerade auch innerhalb der Justiz“, sagt Brandstetter. Winterstein hat wie kaum ein anderer
die österreichische Justiz in den politisch und gesellschaftlich schwierigen Jahren nach dem Ende des Ersten
Weltkrieges bis 1938 mitgeprägt und gilt mit seinem großen Engagement sowie seiner großartigen
und pflichtbewussten Arbeitseinstellung auch heute noch als ein großes Vorbild. Neben den Angehörigen
von Winterstein waren bei der Kranzniederlegung auch Vertreter des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ)
sowie der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) anwesend, um einmal mehr an die schrecklichen Taten der NS-Zeit zu
erinnern.
Brandstetter betonte, wie wichtig es ist, aus der Geschichte zu lernen und für eine wirksame Bekämpfung
von NS-Wiederbetätigung zu sorgen. Erst kürzlich gab es dazu anlässlich der Verfahrenseinstellung
in der Causa „Aula“ und ihrer Begründung einen Termin bei Justizminister Brandstetter mit dem MKÖ, dem
Antifa-Netzwerk und der Israelitischen Kultusgemeinde. Davor hatten sich mehr als 50 Persönlichkeiten – darunter
Wissenschafter, Künstler, Bischöfe und KZ-Überlebende – in einem Offenen Brief an den Justizminister
gewandt und konkrete Maßnahmen vorgeschlagen. Ergebnis des Gespräches mit MKÖ, Antifa-Netzwerk
und IKG war unter anderem, dass künftig alle angehenden Staatsanwälte und Richter eine intensive Schulung
zum Thema NS-Wiederbetätigung absolvieren müssen. Bei dieser soll auch das notwendige Hintergrundwissen
über den historischen Nationalsozialismus und die heutige neonazistische Szene vermittelt werden. Das seit
dem Jahr 2009 veranstaltete Curriculum "Justizgeschichte" für Richteramtsanwärter wird nun
ein verpflichtender Teil der Ausbildung und beinhaltet einen Besuch der Gedenkstätte Am Spiegelgrund und der
Gedenkstätte Mauthausen. Ziel dieses Curriculums ist es, den Richteramtsanwärtern empirisches Grundlagenwissen
zur neueren Justizgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert zu vermitteln und anderseits zur Sensibilisierung für
politische Implikationen sowohl in zivil- als auch in strafrechtlichen Entscheidungen beizutragen.
Auch die geforderte Berichtspflicht der Staatsanwaltschaften gegenüber dem Ministerium bei Verbotsgesetzfällen
wurde angesprochen. Nachdem im Bundesministerium für Justiz die Berichtspflichten aber generell geringer gehalten
werden sollen, soll dieser Themenbereich noch weiter diskutiert werden.
Das Justizministerium will dafür sorgen, dass in wesentlichen Fällen die Kommunikation nach außen
optimiert wird. In wichtigen Fällen sollen Einstellungsbegründungen vermehrt als bisher nach § 35a
StAG veröffentlicht werden. Generell sollen die jeweiligen Mediensprecher der Staatsanwaltschaften und/oder
Oberstaatsanwaltschaften noch offensiver über Anklagen informieren. „Schulungspflicht und Informationspflicht
– das sind wichtige und erfreuliche Fortschritte“, betont Robert Eiter, Sprecher des Antifa-Netzwerks.
„Der Weg zu einer deutlich konsequenteren Anwendung des Verbotsgesetzes ist eingeschlagen“, sagt Willi Mernyi,
Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ).
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