Parlamentariertreffen in Wien zur Justizreform des zentralasiatischen Staates
Bischkek/Wien (pk) - Kirgisien treibt seine demokratiepolitische Entwicklung aktiv voran. Österreich
wird von dem postkommunistischen Land eine wichtige Ratgeberrolle zugeschrieben, gerade bei der Justizreform. Im
Rahmen ihrer Studienreise zum Thema Rechtsstaatlichkeit traf am 12.04. folglich eine sechzehn-köpfige Delegation
unter Leitung des kirgisischen Abgeordneten Omurbek Tekebaiev im Hohen Haus auf Mitglieder des Verfassungsausschusses.
Nicht nur MandatarInnen von Regierungsfraktionen wie Oppositionsparteien aus dem Jogorku Kenesh, dem kirgisischen
Einkammerparlament, begrüßte Vorsitzender Josef Cap (S), sondern auch RepräsentantInnen des Obersten
Gerichtshofs und der Präsidialverwaltung. Ebenso wie die übrigen österreichischen Gesprächsteilnehmer,
die Abgeordneten Rouven Ertlschweiger (V), Christian Lausch (F) und Nikolaus Scherak (N), betonte Cap, demokratische
Prozesse beziehungsweise die Vermittlung derselben bräuchten Zeit. Ein Rechtssystem sei, abgesehen von internationalen
Standards wie der Gewaltenteilung, immer an die jeweilige Gesellschaft anzupassen. Scherak hob dabei als positives
Beispiel aus Österreich die Schaffung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit hervor, die nun klarere
Zuständigkeiten und einen leichteren Zugang zum Recht biete. Man dürfe an autoritäre Verhältnisse
gewöhnte Menschen mit Neuerungen im politischen Gefüge nicht überfordern, so Lausch, der allerdings
auch am heimischen System kritisierte, es gebe zu wenig direkte Demokratie.
Aufbau der Demokratie von unten
Tatsächlich müsse eine neue politische und rechtliche Kultur "von unten" entstehen, bestätigte
Tekebaiev, um von den Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen zu werden. Zentrale Fragen in diesem Zusammenhang
sei das Rechtsverhältnis zwischen Staat und BürgerInnen sowie die Einrichtung einer effektiv und fair
arbeitenden Justiz. Seiner Einschätzung nach wird es in Kirgisien allerdings noch etwa 15 bis 20 Jahre dauern,
bis sich das Demokratieverständnis in der Bevölkerung verfestigt hat. Zur Unterstützung des neuen
Systems würden die kirgisischen Oppositionsparteien als Kontrollgremien bei der parlamentarischen Arbeit besonders
gefördert, außerdem dürfe keine der Parlamentsparteien über mehr als 50 Prozent verfügen.
"Wir bauen an einem demokratischen Staat", fasste Tekebaiev zusammen, verschwieg aber nicht, dass dies
für Kirgisien wir für viele Staaten nach einer Diktatur eine große Herausforderung darstelle. Nach
zwei Revolutionen in den letzten zehn Jahren ging das ehemals sowjetische Land - nun eine parlamentarische Republik
- tiefgreifende Reformen an, die bereits in international als transparent anerkannten Parlamentswahlen mündeten.
Nächstes Jahr stehen erneut Präsidentenwahlen an. Kirgisien sei mit seiner Entwicklung ein "echtes
Modell für die Region", beglückwünschte Cap die BesucherInnen und empfahl einen Ausbau der
politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen.
Zur Vertiefung der parlamentarischen Kontakte zwischen Bischkek und Wien besuchte schon diesen Februar eine kirgisische
Parlamentarierdelegation ihre österreichischen AmtskollegInnen, letztes Jahr kam Staatspräsident Almasbek
Atambajew. Stationen des aktuellen Besuchs Kirgisiens in der Bundeshauptstadt sind neben dem Parlament auch der
Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof sowie die Ressorts für Justiz und für Inneres.
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