Neue Aminosäure von Arzneistoffrezeptor an Kaliumkanal des Herzmuskels identifiziert
Wien (universität) - Am Department für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien
untersuchen WissenschafterInnen seit Jahren den Öffnungs- und Schließmechanismus von so genannten Ionenkanälen.
Diese bestimmen u.a. die Kontraktion des Herzmuskels: Kalzium löst die Kontraktion aus, Kalium sorgt für
die anschließende Entspannung. Ionenkanäle sind damit wichtige Angriffspunkte zahlreicher Medikamente:
Die Erforschung dieser Proteine hilft festzustellen, ob Medikamente im Körper unerwünschte Störungen
des Herzrhythmus' auslösen können. Nun konnten die ForscherInnen eine weitere wichtige Aminosäure
identifizieren. Ihre Erkenntnisse publizieren sie in der renommierten Fachzeitschrift "Scientific Reports".
Wenn das Herz schlägt, strömen zunächst depolarisierende Natrium- und Kalziumionen durch Ionenkanäle
der Herzzellen. Der Einstrom von Kalzium löst eine Kontraktion aus und ein anschließender Kaliumausstrom
sorgt dafür, dass sich das Potential an der Zellmembran wieder dem Ruhepotential annähert.
Der wichtigste Kaliumkanal für diese Repolarisation ist der sogenannte HERG-Kaliumkanal. Bekannt wurde dieser
Kanal, weil er durch eine Vielzahl unterschiedlichster Arzneistoffe blockiert werden kann, was wiederum schwere
Herzrhythmusstörungen auslöst. Wenn neue Wirkstoffe diesen Kanal hemmen, wird die Arzneistoffentwicklung
häufig eingestellt, weswegen der HERG-Kanal auch als "drug killer" bezeichnet wird. Bisher konnten
WissenschafterInnen sechs Aminosäuren in der Kanalpore identifizieren, die wahrscheinlich den Rezeptor für
diese unterschiedlichen Arzneistoffe bilden.
Priyanka Saxena, einer Studentin des Doktoratskollegs "Ionenkanäle und Transporter als molekulare Drug
Targets (MolTag)", ist es nun am Department für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien
gelungen, eine weitere wichtige Aminosäure zu identifizieren: Phenylalanin 557 ist eine neue Bindungsdeterminante,
die eine wichtige Rolle bei der Hemmung von HERG-Kanälen durch Arzneistoffe spielt. Diese neuen Erkenntnisse
beruhen auf einer theoretischen Vorhersage der Molecular Modelling Gruppe des Departments. Anna Weinzinger: "Die
Hypothese, dass auch andere Aminosäuren an der Interaktion mit HERG-Blockern beteiligt sind, haben wir bereits
vor einigen Jahren aufgestellt. Eine Kombination von molekularem Modeling, gerichteter Mutagenese und direkten
Messungen von Ionenströmen durch mutierte HERG-Kanäle von Priyanka Saxena machte den Beweis möglich.
Spannend ist, dass sich Phenylalanin in Position 557 nicht in der Kanalpore befindet, wo bisher der Rezeptor für
Kanalblocker vermutet wird, sondern sozusagen in einer Seitentasche des Moleküls."
"Da die Interaktion von Arzneistoffkandidaten mit dem HERG-Kanal in industrieller Forschung häufig zunächst
in silico, d.h. an Computermodellen des Kanals getestet wird, müssen diese Modelle weltweit durch die von
uns vorhergesagte Aminosäure (Phenylalanin 557) ergänzt werden. Da es sich um einen sehr wichtigen Teil
des Arzneistoffrezeptors handelt, können Aussagen an Computermodellen künftig mit höherer Präzision
erfolgen. Diese Arbeit hat einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit künftiger Arzneistoffe
geleistet", schließt Steffen Hering, Leiter des Doktoratskollegs.
Publikation in "Scientific Reports": New
potential binding determinant for hERG channel inhibitors: P. Saxena, E.-M. Zangerl-Plessl, T. Linder, A. Windisch,
A. Hohaus, E. Timin, S. Hering & A. Stary-Weinzinger; Scientific Reports, April 2016; DOI: 10.1038/srep24182
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