Im böhmischen Schloss Lany erörterten der Bundespräsident und der Präsident
der Tschechischen Republik ihre Ansichten zum Thema Flüchtlingskrise, den EU-Türkei-Deal und die Bemühungen
um "gerechte Lösungen"
Lany/Prag/Wien (hofburg) - Der tschechische Präsident Milos Zeman sieht im EU-Türkei-Deal über
die Flüchtlingskrise seitens Ankaras "eine Erpressung". Die Türkei "hätte ursprünglich
drei Milliarden Euro erhalten sollen, jetzt bekommt sie sechs Milliarden und in den Hinterzimmern wird davon gesprochen,
dass sie 20 Milliarden verlangt", sagte Präsident Zeman nach einem Gespräch mit Bundespräsident
Heinz Fischer am 11.04. im böhmischen Schloss Lany.
Auch Bundespräsident Heinz Fischer äußerte eine gewisse Skepsis gegenüber der Vereinbarung.
Er habe "Zweifel, ob das so funktioniert" und "es gibt etliche Gründe, mit vorschnellem Optimismus
vorsichtig zu sein". Der Bundespräsident plädierte für sichere und direkte Wege nach Europa,
statt Flüchtlinge, die von der Türkei nach Griechenland gekommen sind, wieder in die Türkei zurückzuschicken
und dafür andere Menschen nach Europa zu lassen. Präsident Zeman wiederholte seine Ablehnung der Verteilung
von Migranten auf die EU-Staaten, weil "am Ende dann doch alle nach Deutschland wollen".
Heinz Fischer dagegen meinte, dass kein Land, auch nicht Deutschland, die Flüchtlingskrise allein lösen
könne: In Österreich, das von der Frage besonders betroffen sei, gebe es "den Ruf nach gerechten
Lösungen". Vor allem müsse klargestellt werden, dass "Deutschland auch nicht alle nehmen kann"
und dass sich die Flüchtlinge ihr Ziel nicht aussuchen können. Zeman kündigte an, dass Tschechien
die Grenzen zu Österreich schließen werde, sollten mehrere Tausend Migranten pro Tag ins Land wollen.
Von solchen Zahlen sei man aber weit entfernt: Derzeit würden zehn bis 30 Menschen pro Woche aufgegriffen.
Bundespräsident Heinz Fischer betonte als überzeugter "Europäer gegen das Schließen europäischer
Binnengrenzen" zu sein. Er verteidigte die österreichische Politik: Die Pläne für den Brenner
"verstehe ich nicht so, dass wir am Brenner eine Mauern machen oder einen Stacheldraht". Er verstehe
sie als Grenzmanagement, das den freien Waren- und Personenverkehr möglichst wenig behindert, aber "mehr
Kontrollen schafft, wer da nach Europa hinein will", sagte der Bundespräsident. Die Asylobergrenze von
35.000 Flüchtlingen, die Österreich pro Jahr aufnehmen will, sei "nicht ein Schwert, das einen scharfen
Schnitt setzt". Es handle sich um einen "Richtwert", damit es nicht wieder wie im Vorjahr zu über
80.000 Asylanträgen komme. Bundedspräsident Heinz Fischer und Präsident Zeman lobten beide die bilateralen
Beziehungen und sahen gleichzeitig noch Problem bei den Verkehrsverbindungen.
"Immer, wenn wir glauben, wir sind auf dem guten Weg, kommt die EU-Kommission in Brüssel und denkt sich
einen neuen Unsinn aus", beklagte Zeman und sprach damit die geforderte neuerliche Umweltverträglichkeitsprüfung
(UVP) für die geplante Autobahn Budweis-Linz an. Heinz Fischer sprach von Bemühungen, aus der "toten
Grenze der Vergangenheit eine lebendige Grenze zu machen". Auch über das Streitthema Atomenergie redeten
die beiden Präsidenten. Bundespräsident Heinz Fischer betonte, dass der Informationsaustausch und das
"gegenseitige Zuhören in Bezug auf Kernkraftwerke viel besser geworden" sind.
Jedes Land sei berechtigt, über seine Energiepolitik selbst zu entscheiden. Das sei aber noch "kein Liebesbekenntnis
zur Kernkraft". Äußerst freundliche Worte fanden die Staatsoberhäupter zum jeweils anderen.
Präsident Zeman drückte sein Bedauern aus, dass Heinz Fischer nach zwei Amtszeiten abtrete. Heinz Fischer
sagte, er "empfehle", dass "Zeman für eine zweite Amtszeit kandidiert, wenn das sein freier
Wille ist". Und auch wenn dies sein letzter Staatsbesuch sei, so werde er sicher wieder nach Tschechien reisen,
versprach Bundespräsident Heinz Fischer.
ade/fat/at / Quelle: APA/PrK
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