LTP Sonderegger bei Landtagsenquete: "Unterschiedliche Standpunkte zum Leben und Sterben
in Würde"
Koblach/Bregenz (vlk) - "Selbstbestimmt leben! Selbstbestimmt sterben?" – diesen komplexen Zwiespalt
rückte eine Enquete des Vorarlberger Landtags am 22.04. im Koblacher Gemeindezentrum DorfMitte in den Mittelpunkt.
"Dieses facettenreiche Thema ist höchst sensibel und wichtig. Die durch den Fortschritt bedingten Veränderungen
des Lebens und Sterbens gehen uns alle an", betonte Landtagspräsident Harald Sonderegger.
Das menschliche Leben ist ein hohes und fundamentales Gut – für den Einzelnen und für die Gemeinschaft.
Doch es gibt Situationen der unheilbaren und unerträglichen Krankheit und des Schmerzes, in denen dieses Leben
zur Last wird für die Person, die es leben darf bzw. muss.
Landtagspräsident Sonderegger erklärte zum Hintergrund der Enquete: Das Wissen und die Leistungen der
Palliativmedizin und -pflege sowie die Erfahrungen von Hospizbewegungen und -zentren schärfen das Bewusstsein
für die schwierigen Fragen, mit denen sich Menschen in solchen Lebenslagen konfrontiert sehen. Das verstärkt
die öffentliche Diskussion über ein Leben bzw. Sterben in Würde und den Umgang mit dem Wunsch nach
Selbstbestimmung. In dieser Diskussion können verschiedene ethische, gesellschaftliche und persönliche
Standpunkte vertreten werden und sind legitim, so Sonderegger: "Die diesjährige Enquete setzt sich daher
nicht zum Ziel, abschließende Antworten auf ethische Fragen zu geben oder gar Positionen in 'richtig' oder
'falsch' einzustufen. Vielmehr ist sie ein Angebot, fachliche Informationen auszutauschen und möglichst viele
Aspekte dieses vielschichtigen Themas zu beleuchten."
Der Graubereich zwischen Leben und Tod konfrontiert auch die Wissenschaften mit komplexen Problemen, wie Sonderegger
ausführte: "Rechtswissenschaft, Medizin, Theologie, Ethik wie auch Philosophie setzen sich in diesem
Rahmen mit den Fragen auseinander, die sich für viele Menschen am Ende des Lebens stellen. Da Fragen der medizinischen
Technologie in der Zukunft zunehmen werden, kommen wir nicht umhin, diese Fragen auch in einem offenen Diskurs
unter Beteiligung von Experten, Ärzten, Pflegepersonal, Menschen, die täglich am Krankenbett stehen,
zu diskutieren."
Drei Impulsreferate
In Impulsreferaten wurde das Thema der Landtagsenquete aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln behandelt. Gunnar
Duttge von der Universität Göttingen beleuchtete die Regulierung der geschäftsmäßigen
Suizidvermittlung in Deutschland mit Fokus auf Vorgeschichte, Motive und Resultat. Herbert Watzke von der Medizinischen
Universität Wien rückte das Ende des Lebens in Bezug auf die Wünsche der Betroffenen, Positionen
der Gesellschaft, Rechtslage und Graubereiche in den Mittelpunkt. Zuletzt referierte Angelika Feichtner von der
Universität Klagenfurt über den Wunsch zu sterben und die Verantwortung der Betreuenden.
An der anschließenden Diskussion im Foyer im Koblacher Dorfzentrum nahmen u.a. Landeshauptmann Markus Wallner
und weitere Mitglieder der Landesregierung teil, weiters waren die beiden Landtagsvizepräsidenten ebenso anwesend
wie sämtliche Klubobleute. Moderiert wurde die Veranstaltung von Kriemhild Büchel-Kapeller und Michael
Lederer vom Büro für Zukunftsfragen.
Die Erkenntnisse aus der Enquete werden in die Landtagsarbeit einfließen, so Sonderegger: "Das kann
beispielsweise in konkrete Anfragen der Abgeordneten münden oder sich in neuen Konzepten wiederfinden. Als
Landtagspräsident wünsche ich mir, dass die aus der Enquete gewonnenen Erkenntnisse für die Meinungsbildung
genutzt werden können und uns eine Grundlage bieten, um Entscheidungen zu treffen, wenn sie von uns gefordert
sind."
Zu den Referenten:
Professor Gunnar Duttge ist Direktor der Abteilung für strafrechtliches Medizin- und Biorecht an der Georg-August-Universität
Göttingen sowie Gründungsdirektor und Vorstandsmitglied des Zentrums für Medizinrecht. Sein Forschungsinteresse
gilt u.a. den Grundrechten der Verfassung insbesondere der Menschenwürde, Leben und Sterben sowie dem Lebensbeginn.
Er war bis Februar 2014 Mitglied der Ethikkommission der Universitätsmedizin Göttingen und ist Mitglied
des dortigen Klinischen Ethik-Komitees. Duttge ist u.a Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin
sowie Mitherausgeber der deutschen Zeitschrift "Leben & Tod".
Professor Herbert Watzke ist Leiter der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin am AKH Wien, Professor für
Palliativmedizin an der Medizinischen Universität Wien sowie Vorstandsmitglied und ehemaliger Präsident
der Österreichischen Palliativgesellschaft. Watzke ist Mitglied der Europäischen Palliativgesellschaft
sowie Koordinator der Austrian Palliative Care Study (AUPACS) Group, die Studien zum Thema Palliativmedizin an
den österreichischen Palliativstationen durchführt. Er ist verantwortlich für mehr als 100 Publikationen
in nationalen und internationalen Zeitschriften auf dem Gebiet der Inneren Medizin und der Palliativmedizin.
Angelika Feichtner ist Pflegefachfrau und freiberufliche Dozentin und Trainerin im Bereich der Palliative Care
und der Hospizarbeit. Zudem ist sie freie Mitarbeiterin an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität
Salzburg und am Institut Palliative Care und Organisationsethik / IFF Wien der Alpen-Adria-Universität, wo
sie zum Leitungsteam des Internationalen Universitätslehrganges Palliative Care zählt. Feichtner war
beratend beim Aufbau der Hospizbewegung Liechtenstein und beim Start des Palliativzentrums Martinsbrunn, Südtirol
tätig. Sie ist Mitglied der Ethik-Gruppe der Österreichischen Palliativgesellschaft. Zu ihren Publikationen
und Co-Autorenschaften zählen unter anderem zwei Lehrbücher über Palliativpflege und das "Handbuch
Sterben und Menschenwürde".
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