Fragestunde im Nationalrat: EU-Türkei-Deal, Russlandsanktionen, Grenzkontrollen, Deutschkurse
Wien (pk) - Der Umgang mit der Flüchtlingskrise, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler
Ebene, war am 28.04. das bestimmende Thema der Fragestunde im Nationalrat. Außenminister Sebastian Kurz nahm
dabei nicht nur zum EU-Türkei-Deal, den Kontrollen an der italienischen Grenze, den Problemen im Zusammenhang
mit dem Abschluss von Rückübernahmekommen, sondern auch zu Integrationsmaßnahmen in Österreich
Stellung. Weitere Fragen betrafen u.a. den Ukraine-Konflikt, die Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland
oder die konkrete Umsetzung der UN-Agenda 2030. Vor Eingang in die Debatte wurde Karl Öllinger, der bereits
von 1994 bis 2013 im Hohen Haus war, als neuer Abgeordneter der Grünen angelobt, nachdem Daniela Musiol gestern
ihr Mandat zurückgelegt hat.
Kurz: EU soll mehr Druck bei Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen ausüben
In der Frage der so genannten Rückführungsabkommen hielt Außenminister Sebastian Kurz grundsätzlich
ein gesamteuropäisches Vorgehen für zielführender, weil gemeinsam mehr Druck ausgeübt werden
kann. Leider gehe aber oft lange nichts weiter, bedauerte Kurz gegenüber dem SPÖ-Mandatar Josef Cap,
zwischen der EU und Marokko werde z.B. seit 14 Jahren verhandelt. Er plädiere daher dafür, unkooperativen
Ländern die Kürzung von Unterstützungsleistungen wie z.B. im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit
in Aussicht zu stellen, da allein durch die Androhung schon Dinge in Bewegung kommen würden.
Österreich habe derzeit 39 derartige Abkommen abgeschlossen, 22 bilaterale und 17 auf EU-Ebene. Außerdem
gebe es intensive Bemühungen, mit Staaten wie Afghanistan, Marokko oder Algerien weitere Verträge bzw.
zumindest Memoranda auszuverhandeln. Da man aber auch danach keine hundertprozentige Garantie habe, dass die Länder
ihre Staatsbürger zurücknehmen, müsse man vor allem danach trachten, den Zuzug von Menschen zu reduzieren.
Mit dem FPÖ-Abgeordneten Andreas Karlsböck stimmte er darin überein, dass Flüchtlinge, die
im Mittelmeer gerettet werden, in das Herkunftsland zurückgeführt werden sollen. Dadurch soll verhindert
werden, dass nicht noch mehr Menschen dazu motiviert werden, sich auf diese gefährliche Reise zu begeben.
Der Türkei-Deal biete seiner Meinung nach eine gewisse Chance, dieses Ziel – zumindest auf der Westbalkan-Griechenland-Route
– zu erreichen. Ähnliche Anstrengungen müssen natürlich auch bezüglich der Libyen-Italien-Route
unternommen werden, räumte er gegenüber FPÖ-Abgeordnetem Reinhard Eugen Bösch (F) ein. Dabei
gehe es nicht um das Schließen der Brenner-Grenze, sondern um verstärkte Kontrollen, die aus seiner
Sicht schon auf italienischer Seite stattfinden sollten, betonte der Minister. Negative Auswirkungen auf den Personen-
und Warenverkehr sollen dabei möglichst vermieden werden.
Um eine wirksame Flüchtlingshilfe vor Ort zu ermöglichen, werde Österreich die Türkei im Jahr
2016 mit 13,5 Mio. € unterstützen, merkte Kurz gegenüber Christoph Vavrik (N) an. Da es aber falsch sei,
sich nur auf die Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens zu verlassen, haben sich er und die Innenministerin intensiv
für die Schließung der Westbalkan-Route eingesetzt. Auch die Einrichtung von Schutzzonen sei eine richtige
Idee, entgegnete er dem Abgeordneten Christoph Hagen, in der Praxis aber nicht so leicht umsetzbar. Dazu bräuchte
man nämlich entweder ein UNO-Mandat oder die Zustimmung von Regierungen benachbarter Länder, gab der
Minister zu bedenken. Erfreulicherweise komme es auch zu einer deutlichen Aufstockung der Gelder für die bilaterale
Entwicklungszusammenarbeit, merkte er gegenüber der ÖVP-Mandatarin Claudia Durchschlag (V) an.
Deutschkurse für Flüchtlinge werden weiter ausgebaut
Da Abgeordnete Alev Korun (G) davon ausging, dass heute etwa 45.000 Personen Deutschkurse benötigen, erkundigte
sie sich beim Minister danach, welche Vorkehrungen getroffen wurde. Allein von seinem Ressort werden heuer 10.000
Plätze für Deutschkurse bereitgestellt, informierte Kurz, wobei die Anträge innerhalb von maximal
15 Tagen bearbeitet werden. Daneben werden auch von anderen Ministerien sowie den Ländern und Gemeinden große
Anstrengungen in diesem Bereich unternommen. Da der Finanzminister zusätzliche Mittel in der Höhe von
75 Mio. € bewilligt hat, könne das Angebot noch stark ausgebaut werden. Darüber hinaus gebe es ein sehr
gutes Online-Portal, das intensiv genutzt wird. Wichtig wäre es auch, im Bildungssektor – Stichwort "Deutsch
vor Schuleintritt" - noch schneller voranzukommen, damit Kinder und Jugendliche vom Unterricht profitieren
können. Bezüglich eines möglichen Ausbaus der Wertekurse, die derzeit aus einem 8-Stunden-Modul
bestehen, gab Kurz zu bedenken, dass aufgrund der unterschiedlichen Bedürfnisse individuelle Lösungen
gefragt sind.
Kein EU-Beitritt der Türkei ohne Volksabstimmung in Österreich
Anlässlich einer Frage des Abgeordneten Johannes Hübner (F), der der einem EU-Beitritt der Türkei
ablehnend gegenüber stand, skizzierte Außenminister Sebastian Kurz seine grundsätzliche Einstellung
zur Europapolitik. Wenn man EU-Politik mitgestalten möchte, dann müsse man auch zur Kenntnis nehmen,
dass es andere Meinungen gibt. Er halte es für nicht zielführend, bei jeder Frage, sofort mit der Vetodrohung
in die Diskussion einzusteigen, weil damit das europäische Projekt zerstört werde. Außerdem habe
er immer klar gesagt, dass Verhandlungen mit der Türkei nicht zwingend einen Beitritt nach sich ziehen müssen.
Sollte man dennoch einmal vor dieser Entscheidung stehen, müsse vorher eine Volksabstimmung in Österreich
abgehalten werden.
Internationale Politik: OSZE-Vorsitz, Ukraine-Konflikt, Russland-Sanktionen, UN-Agenda 2030
Bei den jüngsten Gesprächen mit Außenministern Kerry, Lawrow und Steinmeier standen nicht nur der
Konflikt in Syrien und die Flüchtlingsproblematik auf der Agenda, sondern auch die Vorbereitung des österreichischen
OSZE-Vorsitzes im Jahr 2017, teilte Kurz den Abgeordneten Nikolaus Berlakovich (V) und Christine Muttonen (S) mit.
Aus aktuellen Gründen wolle Österreich vor allem die Fragen der Sicherheit in Europa sowie den Kampf
gegen Terrorismus und Radikalisierung auf OSZE-Ebene behandeln. Aufs Tapet gebracht werde auch das Thema Abrüstung,
das für Österreich ein großes Anliegen ist.
Was den Ukraine-Konflikt angeht, könne man wenig Positives berichten, bedauerte Kurz, zumal der Waffenstillstand
nicht zu 100% eingehalten wird und Russland die Sichtweise vertritt, dass es eine Bedrohung durch den ganzen Westen
gibt. Österreich stehe jedoch den Sanktionen gegenüber Russland "sehr skeptisch" gegenüber,
da man einen gemeinsamen Weg finden müsse. Es sei seiner Ansicht nach notwendig, wieder aufeinander zuzugehen,
da es am Ende des Tages Frieden nicht gegen, sondern nur mit Russland geben kann.
SPÖ-Abgeordneter Petra Bayr pflichtete Kurz bei, dass sein Ressort bei der Umsetzung der UN-Ziele für
eine bessere Welt, der sogenannten "Agenda 2030", eine ganz entscheidende Rolle spielen wird. Man habe
sich aber dazu entschieden, noch weitere wichtige Player (Parlament, Rechnungshof und Zivilgesellschaft) einzubinden.
An einem konkreten Konzept werde gerade gearbeitet.
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