Mandatsaberkennung droht ab
einem halben Jahr Freiheitsstrafe
erstellt am
28. 04. 16
11:00 MEZNationalrat beschließt strengere Regeln für Amtsverlust von Abgeordneten und obersten Organen
Wien (pk) - Die Bestimmungen für den Mandatsverlust von Abgeordneten werden verschärft. Konnte bisher der Verfassungsgerichtshof bei einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe ein Mandat aberkennen, so droht in Hinkunft diese Konsequenz schon bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu mehr als einem halben Jahr Haft bzw. bei einer bedingten Freiheitsstrafe von mehr als zwölf Monaten. Eine entsprechende Gesetzesänderung wurde am 27.04. vom Nationalrat verabschiedet. Während SPÖ, ÖVP, FPÖ und Team Stronach die Gesetzesänderungen als ausgewogenen Kompromiss begrüßten, lehnten NEOS und Grüne die neuen Regeln als nach wie vor zu zahnlos ab.
Das Gesetzespaket, das auf einen gemeinsamen Antrag der Regierungsparteien und des Team Stronach zurückgeht, dehnt überdies die Amtsverlust-Regelungen auf Regierungsmitglieder, Landeshauptleute, den Bundespräsidenten, den Rechnungshofpräsidenten und die Mitglieder der Volksanwaltschaft aus und stellt zudem klar, dass die verschärften Bestimmungen auch für die Kandidatur bei Wahlen gelten. Über den Amtsverlust entscheidet letztlich der Verfassungsgerichtshof, wobei entsprechende Anträge vom Nationalrat bzw. vom zuständigen Landtag, im Fall des Bundespräsidenten von der Bundesversammlung, einzubringen sind.
Regierungsparteien, FPÖ und Team Stronach begrüßen Lösung als ausgewogenen Kompromiss
Ein großer Schritt, das Vertrauen der BürgerInnen in die Politik zu stärken, sei diese Lösung, zeigte sich ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker überzeugt, die zudem die breite Diskussion aller Fraktionen im Vorfeld der Beschlussfassung als Beispiel für gelebten Parlamentarismus würdigte. Von einem Fortschritt sprach auch Johannes Jarolim namens der SPÖ, dessen Fraktionskollege Klaus Uwe Feichtinger die Verschärfungen mit dem Hinweis auf eine in Österreich seiner Meinung nach nicht ausreichend ausgeprägte Rücktrittskultur begrüßte. "Ein wohl überlegter Schritt und ein guter Kompromiss", pflichtete Team Stronach-Justizsprecher Christoph Hagen bei. Aus Sicht der Freiheitlichen wiederum ist die Lösung ein maßvolles Korrektiv, wobei Harald Stefan zu bedenken gab, Abgeordnete würden auch einen gewissen Schutz – etwa vor Justizirrtümern oder politisch motivierten Urteilen – brauchen. Deshalb sollte nicht jede Verurteilung automatisch zum Mandatsverlust führen.
Grüne und NEOS wollen noch schärfere Bestimmungen
Der nunmehrige Beschluss sei nach wie vor zu zahm, urteilte hingegen Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser. Jede unbedingte Haftstrafe sowie jede bedingte Freiheitsstrafe von über sechs Monaten sollte zum Mandatsverlust führen, zumal es um das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik geht. Es könne doch nicht sein, dass jemand, der wegen Wahlbetrugs oder Wiederbetätigung verurteilt wurde, mit der Fußfessel aus dem Gefängnis ins Parlament marschiert und dort über Gesetze abstimmt, empörte sich Steinhauser. Als Justizsprecher stehe er zwar zur Resozialisierung, er habe aber Zweifel, ob das Parlament dafür der richtige Ort sei, fügte er an. Eigentlich sollte es unbestritten sein, dass jemand, der im Gefängnis sitzt, nicht mehr Abgeordneter sein darf, setzte Dieter Brosz (G) nach. Ähnlich kritisch äußerte sich auch Nikolaus Scherak von den NEOS, der die Zielrichtung des Antrags vor allem aufgrund der Vorbildwirkung von Politikern zwar durchaus begrüßte, beim Amtsverlust aber auch auf bestimmte Deliktsgruppen abstellen will. So sollten seiner Meinung nach Verurteilungen wegen Wahlfälschung unabhängig von der Höhe der Freiheitsstrafe jedenfalls zur Aberkennung des Mandats führen.
Grünen-Demokratiesprecherin Musiol nimmt Abschied
Daniela Musiol (G) nahm die Debatte zum Anlass, sich nach 15 Jahren in der Politik - siebeneinhalb Jahre davon als Parlamentarierin im Hohen Haus – von den KollegInnen zu verabschieden. Die Demokratie- und Verfassungssprecherin der Grünen blickte in ihrer letzten Rede auf eine ereignisreiche Zeit im Nationalrat zurück, die auch von vielen ungewöhnlichen Koalitionen bei einzelnen Abstimmungen gekennzeichnet war. Als Wermutstropfen empfindet es Musiol, dass es nicht gelungen ist, in Sachen Weiterentwicklung der Demokratie zu Fortschritten zu kommen. In Anspielung auf die bevorstehende Bundespräsidenten-Stichwahl drückte sie überdies ihre Hoffnung aus, "dass Norbert Hofer Präsident bleibt, aber in diesem Haus".
Für Daniela Musiol, die ihr Mandat zurücklegt, wird morgen Karl Öllinger angelobt. Der langjährige Sozialsprecher der Grünen kehrt damit wieder ins Parlament zurück.
Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at
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