Trotz steigender Unsicherheiten sorgte verbesserte Auslands- und Inlandsnachfrage für
Konjunkturerholung in Österreichs Bundesländern
Wien (bank austria) - Nach einem Plus von 0,4 Prozent im Jahr 2014 erhöhte sich das Wirtschaftswachstum
in Österreich 2015 auf 0,9 Prozent. Der stärkere Anstieg der Wirtschaftsleistung ist sowohl auf eine
verbesserte Auslands- als auch Inlandsnachfrage zurückzuführen. Einerseits führte die Fortsetzung
der Erholung in Europa, auch in den mittel- und osteuropäischen Ländern, sowie der solide Wachstumstrend
in den USA, unterstützt durch den schwächeren Euro, zu einer leichten Exportbelebung trotz Belastungen,
wie etwa die schwächere Konjunkturentwicklung in einigen Schwellenländern bzw. die negativen Folgen des
Ölpreisverfalls für einige rohstofforientierte Länder, wie z.B. Russland. Andererseits war der leichte
Aufwind in der österreichischen Wirtschaft 2015 auch von mehr Rückhalt durch die Inlandsnachfrage getragen.
Etwas verbesserte Aussichten trugen zu einer etwas stärkeren Investitionstätigkeit bei und die geringe
Inflation infolge des Rohstoffpreisrückgangs beeinflusste die Entwicklung des Konsums positiv. „Die Mehrzahl
der österreichischen Bundesländer konnte die positiven Vorgaben 2015 für ein zumindest geringfügig
höheres Wirtschaftswachstum nutzen. Darüber hinaus führte die ausgeglichene Entwicklung der einzelnen
Wachstumskomponenten zu geringeren Wachstumsunterschieden zwischen den Bundesländern als im Jahr davor“, meint
Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer.
Oberösterreich 2015 zurück an der Wachstumsspitze
Die bestehenden Rahmenbedingungen schafften 2015 für die stärker exportorientierten Industriebundesländer
leichte Vorteile gegenüber den klassischen Dienstleistungshochburgen. „2015 überholte Oberösterreich
das Burgenland als Wachstumssieger – mit einem Plus der Wirtschaftsleistung um geschätzte 1,4 Prozent nimmt
es die Spitzenposition im Dynamikranking in Österreich ein. Mit Vorarlberg und Tirol folgen in der Rangliste
zwei weitere Bundesländer, die von einer guten Industrieentwicklung profitieren konnten“, so Bruckbauer. Dank
kräftiger Unterstützung durch den Dienstleistungssektor hielt sich die Wachstumsdifferenz der weniger
industrieorientierten Bundesländer, wie Wien, Salzburg und Kärnten, zu den Spitzenreitern in Grenzen.
Das Schlusslicht im Bundesländerranking bildet mit der Steiermark sogar ein traditionelles Industriebundesland,
das dem exportgetriebenen Rückenwind aufgrund der bestehenden Branchenschwerpunkte sowie Sonderfaktoren nicht
nutzen konnte und sich am Rande der Stagnation bewegte.
Erholung in Europa stärkte die Industrie, Schwellenländer belasteten
Die Erholung in den Industrieländern und die stärkere Inlandsnachfrage brachten der heimischen Industrie
im Jahr 2015 positive Impulse. Mit real fast 2 Prozent stieg die Produktion stärker als im Jahr davor und
mehr Branchen konnten ein besseres Ergebnis abliefern. Eine überdurchschnittlich gute Entwicklung nahmen vor
allem die Metallerzeugung, der Maschinenbau, die Pharmaindustrie, die Holzverarbeitung und die Herstellung von
elektronischen und optischen Geräten. Dagegen mussten die Ölverarbeitung und die chemische Industrie,
aber auch die Glasindustrie und der sonstige Fahrzeugbau Einbußen hinnehmen. „Die österreichische Industrie,
die einen Anteil an der Wertschöpfung von nur knapp mehr als 20 Prozent aufweist, lieferte 2015 rund ein Drittel
des gesamtwirtschaftlichen Wachstums. In Oberösterreich, Vorarlberg und dem Burgenland sorgte eine unter den
bestehenden Rahmenbedingungen günstige regionale Ausrichtung der Exporte in Kombination mit der passenden
Branchenstruktur für eine überdurchschnittlich starke Unterstützung der Konjunkturentwicklung durch
die Industrie“, analysiert Stefan Bruckbauer. In diesen drei Bundesländern war die Industrie sogar der wichtigste
Wachstumsträger. In der Steiermark, Salzburg und in Kärnten dämpfte der Sektor dagegen die regionale
Konjunkturentwicklung.
Bauwirtschaft nur in drei Bundesländern eine spürbare Wachstumsstütze
Die Baukonjunktur entwickelte sich 2015 in Österreich abermals sehr zurückhaltend. Die Bruttowertschöpfung
stagnierte im Jahresvergleich, da vor allem vom Tiefbau in Anbetracht knapper öffentlicher Budgets keine positiven
Akzente ausgingen. Nur in den drei Bundesländern Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich leistete die Bauwirtschaft
einen spürbar positiven Beitrag zum Gesamtwachstum. Dagegen dämpfte die Entwicklung am Bau die Wirtschaftsdynamik
im Burgenland und in Wien klar, in Kärnten und Salzburg zumindest ein wenig.
Dienstleistungssektor mit mehr Schwung
Nach der nur schwachen Aufwärtsbewegung im Jahr 2014 konnte der Dienstleistungssektor 2015 deutlich mehr zulegen.
Die Bruttowertschöpfung weist österreichweit ein Plus von 0,9 Prozent real auf. Angesichts eines Anteils
an der gesamten Wertschöpfung in Österreich von fast 70 Prozent war der Sektor auch der mit Abstand größte
Wachstumstreiber der Gesamtwirtschaft. Insgesamt sorgten die Dienstleistungen im Österreichdurchschnitt für
etwa zwei Drittel des Wirtschaftswachstums. Wichtige Stütze des Aufwinds im Dienstleistungssektor war der
Handel. Auch die Wertschöpfung aus dem Tourismus legte 2015 stärker zu. Darüber hinaus sorgten das
Immobilienwesen sowie der Bereich Gesundheit und Sozialwesen und der Ausbau des Angebots im Bildungsbereich, etwa
durch mehr Kindergartenplätze, für zusätzlichen Schwung. In allen österreichischen Bundesländern
trugen die Dienstleistungen 2015 zum Wirtschaftswachstum bei. Insbesondere in Salzburg, aber auch in Wien, Kärnten
und in Niederösterreich sorgte der Dienstleistungssektor für viel Auftrieb. Nur gering war der Wachstumsbeitrag
des tertiären Sektors in der Industriehochburg Oberösterreich und in der Steiermark, für die er
jedoch der einzige stützende Faktor war.
2016 etwas mehr Schwung für alle Bundesländer erwartet
Angetrieben vor allem von einer anziehenden Binnenkonjunktur wird das Wirtschaftswachstum in Österreich von
0,9 Prozent auf 1,5 Prozent im Jahr 2016 ansteigen. Einerseits dürfte die Investitionstätigkeit etwas
stärker in Fahrt kommen.. Andererseits wird insbesondere der Konsum 2016 dank der Steuerreform spürbar
positive Impulse liefern können. In einem unveränderten globalen Umfeld mit soliden Wachstumsaussichten
für die wichtigsten Handelspartnerländer Österreichs – zum Teil begünstigt durch den anhaltend
unterbewerteten Euro und die niedrigen Rohstoffpreise – werden nach Einschätzung der Ökonomen der Bank
Austria alle Bundesländer ein zumindest geringfügig höheres Wirtschaftswachstum als im Jahr 2015
erreichen können. „Während die Wachstumsimpulse durch die Auslandsnachfrage, die vor allem auf die starken
Industrieländer wirken, weitgehend unverändert anhalten werden, verstärken sich als Folge der Steuerreform
die positiven Akzente für den Dienstleistungsbereich. Zudem sollte auch die Bauwirtschaft 2016 etwas besser
in Schwung kommen“, erwartet Bruckbauer. Die Wachstumschancen für die stärker industrieorientierten Bundesländer
und die Dienstleistungshochburgen sind 2016 recht ausgeglichen, so dass die Wachstumsunterschiede zwischen den
Bundesländern sehr gering ausfallen dürften. „Oberösterreich wird seine Spitzenposition 2016 verteidigen
können, der Abstand zu den anderen Bundesländern wird aber kleiner“, so Bruckbauer und ergänzt:
“Die deutlichsten Verbesserungen gegenüber dem Vorjahr erwarten wir für die Steiermark, Kärnten
und Wien, so dass zwischen dem Land mit dem höchsten erwarteten Wirtschaftswachstum im Jahr 2016 von 1,8 Prozent
(Oberösterreich) und dem Wachstumsschlusslicht - nach unserer Schätzung das Burgenland – nur eine Differenz
von 0,4 Prozentpunkten liegen dürfte.“
Regionale Unterschiede am Arbeitsmarkt nur teilweise konjunkturbedingt
Die Konjunkturbelebung im Jahr 2015 war zu schwach, um die Lage am Arbeitsmarkt zu entspannen. „Trotz Beschäftigungszuwächsen
stieg die Arbeitslosenquote 2015 in allen Bundesländern an. Die Stärke des Anstiegs ist vor allem durch
die unterschiedliche Entwicklung des Arbeitskräfteangebots bestimmt. Eine bessere regionale Konjunktur, wie
etwa in den westlichen Bundesländern, konnte den Auftrieb dort zwar dämpfen, aber nicht verhindern“,
fasst Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl zusammen.
In Österreich ist durch eine Zunahme der Bevölkerung und verstärkter Migration, insbesondere seit
der Öffnung des Arbeitsmarkts für die neuen EU-Länder im Jahr 2011, das Arbeitskräfteangebot
um fast 8 Prozent innerhalb von fünf Jahren gestiegen. Die höchsten Zuwächse – besonders stark durch
Migration verursacht – verzeichneten die östlichen Bundesländer Wien (+10,5 Prozent) und Burgenland
(+9,9 Prozent). Auch in den westlichen Bundesländer Tirol und Vorarlberg stieg das Arbeitskräfteangebot
in diesem Zeitraum überdurchschnittlich, jedoch vergleichsweise stärker durch eine steigende inländische
Erwerbsbevölkerung beeinflusst. Allerdings konnte in diesen beiden Bundesländern, die die höchste
Wirtschaftsdynamik und die damit verbundenen hohen Beschäftigungszuwächse verzeichneten, die Arbeitslosigkeit
konstant (Vorarlberg) oder der Anstieg gering (Tirol) gehalten werden. Eine gute Konjunkturentwicklung allein reicht
jedoch nicht aus: Im Burgenland, das in den vergangenen fünf Jahren zu den wachstumsstärksten Bundesländern
zählte und das zweitstärkste Beschäftigungsplus mit über 8 Prozent aufweist, stieg die Anzahl
der Arbeitslosen um über 30 Prozent an. Mit fast 70 Prozent ist der Anstieg der Arbeitslosen in Wien am höchsten,
da Wien neben einer unterdurchschnittlichen Wachstums- und Beschäftigungsperformance auch den stärksten
Anstieg des Arbeitskräfteangebots aufweist. Hätte sich die Wiener Wirtschaft so gut wie Vorarlberg (beste
regionale Konjunkturentwicklung seit 2010) entwickelt, wäre aufgrund des starken Anstiegs des Arbeitskräfteangebots
die Arbeitslosenquote in Wien von 8,8 Prozent im Jahr 2010 dennoch auf 10,5 Prozent im Jahr 2015 gestiegen, damit
jedoch klar unter dem tatsächlichen Wert von 13,5 Prozent geblieben.
Die Daten zeigen, dass es Regionen und Branchen gibt, wo ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit mit einem starken
Anstieg von Zuwanderung einhergeht (im Handel, Leiharbeit, Gebäudereinigung und vor allem in Wien). Andere
Branchen und Regionen zeigen trotz starker Zuwanderung keinen Anstieg von Arbeitslosigkeit, wie etwa der Tourismus
im Westen. Tendenziell erklärt sich die Arbeitslosigkeit bei Ausländern stärker als bei Inländern
durch Zuwanderung, wobei die Herkunft eine große Rolle spielt. Der Anstieg der ausländischen Arbeitslosen
aus wirtschaftlich schwächeren Ländern ist viel stärker als aus OECD-Ländern. „Offensichtlich
gibt es sowohl Verdrängung als auch die Beseitigung von Arbeitskräftemangel durch Zuwanderung in Österreich,
abhängig von der Region und der Branche“, meint Pudschedl.
Die in den ersten Monaten des Jahres 2016 zu beobachtende Stabilisierungstendenz am Arbeitsmarkt wird nach Ansicht
der Ökonomen der Bank Austria nicht anhalten und im Gesamtjahr wird in allen Bundesländern die Arbeitslosenquote
weiter ansteigen. „Angesichts recht ausgeglichener Konjunkturerwartungen wird 2016 in den einzelnen Bundesländern
fast ausschließlich die Entwicklung des Arbeitskräfteangebots über das Ausmaß des Anstiegs
der Arbeitslosenquoten entscheiden. Während wir für Gesamtösterreich eine Zunahme von 9,1 auf 9,5
Prozent erwarten, wird die Bandbreite zwischen knapp über 6 Prozent in den westlichen Bundesländern und
über 14 Prozent in Wien liegen“, erwartet Pudschedl.
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