Bank Austria Volkswirtschaft Bundesländeranalyse 2015

 

erstellt am
09. 05. 16
11:00 MEZ

Trotz steigender Unsicherheiten sorgte verbesserte Auslands- und Inlandsnachfrage für Konjunkturerholung in Österreichs Bundesländern
Wien (bank austria) - Nach einem Plus von 0,4 Prozent im Jahr 2014 erhöhte sich das Wirtschaftswachstum in Österreich 2015 auf 0,9 Prozent. Der stärkere Anstieg der Wirtschaftsleistung ist sowohl auf eine verbesserte Auslands- als auch Inlandsnachfrage zurückzuführen. Einerseits führte die Fortsetzung der Erholung in Europa, auch in den mittel- und osteuropäischen Ländern, sowie der solide Wachstumstrend in den USA, unterstützt durch den schwächeren Euro, zu einer leichten Exportbelebung trotz Belastungen, wie etwa die schwächere Konjunkturentwicklung in einigen Schwellenländern bzw. die negativen Folgen des Ölpreisverfalls für einige rohstofforientierte Länder, wie z.B. Russland. Andererseits war der leichte Aufwind in der österreichischen Wirtschaft 2015 auch von mehr Rückhalt durch die Inlandsnachfrage getragen. Etwas verbesserte Aussichten trugen zu einer etwas stärkeren Investitionstätigkeit bei und die geringe Inflation infolge des Rohstoffpreisrückgangs beeinflusste die Entwicklung des Konsums positiv. „Die Mehrzahl der österreichischen Bundesländer konnte die positiven Vorgaben 2015 für ein zumindest geringfügig höheres Wirtschaftswachstum nutzen. Darüber hinaus führte die ausgeglichene Entwicklung der einzelnen Wachstumskomponenten zu geringeren Wachstumsunterschieden zwischen den Bundesländern als im Jahr davor“, meint Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer.

Oberösterreich 2015 zurück an der Wachstumsspitze
Die bestehenden Rahmenbedingungen schafften 2015 für die stärker exportorientierten Industriebundesländer leichte Vorteile gegenüber den klassischen Dienstleistungshochburgen. „2015 überholte Oberösterreich das Burgenland als Wachstumssieger – mit einem Plus der Wirtschaftsleistung um geschätzte 1,4 Prozent nimmt es die Spitzenposition im Dynamikranking in Österreich ein. Mit Vorarlberg und Tirol folgen in der Rangliste zwei weitere Bundesländer, die von einer guten Industrieentwicklung profitieren konnten“, so Bruckbauer. Dank kräftiger Unterstützung durch den Dienstleistungssektor hielt sich die Wachstumsdifferenz der weniger industrieorientierten Bundesländer, wie Wien, Salzburg und Kärnten, zu den Spitzenreitern in Grenzen. Das Schlusslicht im Bundesländerranking bildet mit der Steiermark sogar ein traditionelles Industriebundesland, das dem exportgetriebenen Rückenwind aufgrund der bestehenden Branchenschwerpunkte sowie Sonderfaktoren nicht nutzen konnte und sich am Rande der Stagnation bewegte.

Erholung in Europa stärkte die Industrie, Schwellenländer belasteten
Die Erholung in den Industrieländern und die stärkere Inlandsnachfrage brachten der heimischen Industrie im Jahr 2015 positive Impulse. Mit real fast 2 Prozent stieg die Produktion stärker als im Jahr davor und mehr Branchen konnten ein besseres Ergebnis abliefern. Eine überdurchschnittlich gute Entwicklung nahmen vor allem die Metallerzeugung, der Maschinenbau, die Pharmaindustrie, die Holzverarbeitung und die Herstellung von elektronischen und optischen Geräten. Dagegen mussten die Ölverarbeitung und die chemische Industrie, aber auch die Glasindustrie und der sonstige Fahrzeugbau Einbußen hinnehmen. „Die österreichische Industrie, die einen Anteil an der Wertschöpfung von nur knapp mehr als 20 Prozent aufweist, lieferte 2015 rund ein Drittel des gesamtwirtschaftlichen Wachstums. In Oberösterreich, Vorarlberg und dem Burgenland sorgte eine unter den bestehenden Rahmenbedingungen günstige regionale Ausrichtung der Exporte in Kombination mit der passenden Branchenstruktur für eine überdurchschnittlich starke Unterstützung der Konjunkturentwicklung durch die Industrie“, analysiert Stefan Bruckbauer. In diesen drei Bundesländern war die Industrie sogar der wichtigste Wachstumsträger. In der Steiermark, Salzburg und in Kärnten dämpfte der Sektor dagegen die regionale Konjunkturentwicklung.

Bauwirtschaft nur in drei Bundesländern eine spürbare Wachstumsstütze
Die Baukonjunktur entwickelte sich 2015 in Österreich abermals sehr zurückhaltend. Die Bruttowertschöpfung stagnierte im Jahresvergleich, da vor allem vom Tiefbau in Anbetracht knapper öffentlicher Budgets keine positiven Akzente ausgingen. Nur in den drei Bundesländern Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich leistete die Bauwirtschaft einen spürbar positiven Beitrag zum Gesamtwachstum. Dagegen dämpfte die Entwicklung am Bau die Wirtschaftsdynamik im Burgenland und in Wien klar, in Kärnten und Salzburg zumindest ein wenig.

Dienstleistungssektor mit mehr Schwung
Nach der nur schwachen Aufwärtsbewegung im Jahr 2014 konnte der Dienstleistungssektor 2015 deutlich mehr zulegen. Die Bruttowertschöpfung weist österreichweit ein Plus von 0,9 Prozent real auf. Angesichts eines Anteils an der gesamten Wertschöpfung in Österreich von fast 70 Prozent war der Sektor auch der mit Abstand größte Wachstumstreiber der Gesamtwirtschaft. Insgesamt sorgten die Dienstleistungen im Österreichdurchschnitt für etwa zwei Drittel des Wirtschaftswachstums. Wichtige Stütze des Aufwinds im Dienstleistungssektor war der Handel. Auch die Wertschöpfung aus dem Tourismus legte 2015 stärker zu. Darüber hinaus sorgten das Immobilienwesen sowie der Bereich Gesundheit und Sozialwesen und der Ausbau des Angebots im Bildungsbereich, etwa durch mehr Kindergartenplätze, für zusätzlichen Schwung. In allen österreichischen Bundesländern trugen die Dienstleistungen 2015 zum Wirtschaftswachstum bei. Insbesondere in Salzburg, aber auch in Wien, Kärnten und in Niederösterreich sorgte der Dienstleistungssektor für viel Auftrieb. Nur gering war der Wachstumsbeitrag des tertiären Sektors in der Industriehochburg Oberösterreich und in der Steiermark, für die er jedoch der einzige stützende Faktor war.

2016 etwas mehr Schwung für alle Bundesländer erwartet
Angetrieben vor allem von einer anziehenden Binnenkonjunktur wird das Wirtschaftswachstum in Österreich von 0,9 Prozent auf 1,5 Prozent im Jahr 2016 ansteigen. Einerseits dürfte die Investitionstätigkeit etwas stärker in Fahrt kommen.. Andererseits wird insbesondere der Konsum 2016 dank der Steuerreform spürbar positive Impulse liefern können. In einem unveränderten globalen Umfeld mit soliden Wachstumsaussichten für die wichtigsten Handelspartnerländer Österreichs – zum Teil begünstigt durch den anhaltend unterbewerteten Euro und die niedrigen Rohstoffpreise – werden nach Einschätzung der Ökonomen der Bank Austria alle Bundesländer ein zumindest geringfügig höheres Wirtschaftswachstum als im Jahr 2015 erreichen können. „Während die Wachstumsimpulse durch die Auslandsnachfrage, die vor allem auf die starken Industrieländer wirken, weitgehend unverändert anhalten werden, verstärken sich als Folge der Steuerreform die positiven Akzente für den Dienstleistungsbereich. Zudem sollte auch die Bauwirtschaft 2016 etwas besser in Schwung kommen“, erwartet Bruckbauer. Die Wachstumschancen für die stärker industrieorientierten Bundesländer und die Dienstleistungshochburgen sind 2016 recht ausgeglichen, so dass die Wachstumsunterschiede zwischen den Bundesländern sehr gering ausfallen dürften. „Oberösterreich wird seine Spitzenposition 2016 verteidigen können, der Abstand zu den anderen Bundesländern wird aber kleiner“, so Bruckbauer und ergänzt: “Die deutlichsten Verbesserungen gegenüber dem Vorjahr erwarten wir für die Steiermark, Kärnten und Wien, so dass zwischen dem Land mit dem höchsten erwarteten Wirtschaftswachstum im Jahr 2016 von 1,8 Prozent (Oberösterreich) und dem Wachstumsschlusslicht - nach unserer Schätzung das Burgenland – nur eine Differenz von 0,4 Prozentpunkten liegen dürfte.“

Regionale Unterschiede am Arbeitsmarkt nur teilweise konjunkturbedingt
Die Konjunkturbelebung im Jahr 2015 war zu schwach, um die Lage am Arbeitsmarkt zu entspannen. „Trotz Beschäftigungszuwächsen stieg die Arbeitslosenquote 2015 in allen Bundesländern an. Die Stärke des Anstiegs ist vor allem durch die unterschiedliche Entwicklung des Arbeitskräfteangebots bestimmt. Eine bessere regionale Konjunktur, wie etwa in den westlichen Bundesländern, konnte den Auftrieb dort zwar dämpfen, aber nicht verhindern“, fasst Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl zusammen.

In Österreich ist durch eine Zunahme der Bevölkerung und verstärkter Migration, insbesondere seit der Öffnung des Arbeitsmarkts für die neuen EU-Länder im Jahr 2011, das Arbeitskräfteangebot um fast 8 Prozent innerhalb von fünf Jahren gestiegen. Die höchsten Zuwächse – besonders stark durch Migration verursacht – verzeichneten die östlichen Bundesländer Wien (+10,5 Prozent) und Burgenland (+9,9 Prozent). Auch in den westlichen Bundesländer Tirol und Vorarlberg stieg das Arbeitskräfteangebot in diesem Zeitraum überdurchschnittlich, jedoch vergleichsweise stärker durch eine steigende inländische Erwerbsbevölkerung beeinflusst. Allerdings konnte in diesen beiden Bundesländern, die die höchste Wirtschaftsdynamik und die damit verbundenen hohen Beschäftigungszuwächse verzeichneten, die Arbeitslosigkeit konstant (Vorarlberg) oder der Anstieg gering (Tirol) gehalten werden. Eine gute Konjunkturentwicklung allein reicht jedoch nicht aus: Im Burgenland, das in den vergangenen fünf Jahren zu den wachstumsstärksten Bundesländern zählte und das zweitstärkste Beschäftigungsplus mit über 8 Prozent aufweist, stieg die Anzahl der Arbeitslosen um über 30 Prozent an. Mit fast 70 Prozent ist der Anstieg der Arbeitslosen in Wien am höchsten, da Wien neben einer unterdurchschnittlichen Wachstums- und Beschäftigungsperformance auch den stärksten Anstieg des Arbeitskräfteangebots aufweist. Hätte sich die Wiener Wirtschaft so gut wie Vorarlberg (beste regionale Konjunkturentwicklung seit 2010) entwickelt, wäre aufgrund des starken Anstiegs des Arbeitskräfteangebots die Arbeitslosenquote in Wien von 8,8 Prozent im Jahr 2010 dennoch auf 10,5 Prozent im Jahr 2015 gestiegen, damit jedoch klar unter dem tatsächlichen Wert von 13,5 Prozent geblieben.

Die Daten zeigen, dass es Regionen und Branchen gibt, wo ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit mit einem starken Anstieg von Zuwanderung einhergeht (im Handel, Leiharbeit, Gebäudereinigung und vor allem in Wien). Andere Branchen und Regionen zeigen trotz starker Zuwanderung keinen Anstieg von Arbeitslosigkeit, wie etwa der Tourismus im Westen. Tendenziell erklärt sich die Arbeitslosigkeit bei Ausländern stärker als bei Inländern durch Zuwanderung, wobei die Herkunft eine große Rolle spielt. Der Anstieg der ausländischen Arbeitslosen aus wirtschaftlich schwächeren Ländern ist viel stärker als aus OECD-Ländern. „Offensichtlich gibt es sowohl Verdrängung als auch die Beseitigung von Arbeitskräftemangel durch Zuwanderung in Österreich, abhängig von der Region und der Branche“, meint Pudschedl.

Die in den ersten Monaten des Jahres 2016 zu beobachtende Stabilisierungstendenz am Arbeitsmarkt wird nach Ansicht der Ökonomen der Bank Austria nicht anhalten und im Gesamtjahr wird in allen Bundesländern die Arbeitslosenquote weiter ansteigen. „Angesichts recht ausgeglichener Konjunkturerwartungen wird 2016 in den einzelnen Bundesländern fast ausschließlich die Entwicklung des Arbeitskräfteangebots über das Ausmaß des Anstiegs der Arbeitslosenquoten entscheiden. Während wir für Gesamtösterreich eine Zunahme von 9,1 auf 9,5 Prozent erwarten, wird die Bandbreite zwischen knapp über 6 Prozent in den westlichen Bundesländern und über 14 Prozent in Wien liegen“, erwartet Pudschedl.

 

 

 

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