Im KUNST:WERK St. Pölten von 11. bis 22. Mai 2016
St. Pölten (künstlerbund) - In seiner Einzelausstellung signs and figures im KUNST:WERK St. Pölten
zeigt Ernest A. Kienzl neuere Arbeiten aus dem Werkzyklus Tangentialkurvenfiguren und stellt sie den, dem vorangegangenen
Werkzyklus Mehrfeldzeichen zugrundeliegenden Grundzeichen gegenüber, um durch die Konfrontation von Gemeinsamkeiten
und Unterschieden in den beiden Zyklen Einblick in seine künstlerische Denk- und Arbeitsweise zu geben und
auch die ihm oft gestellte Frage zu beantworten, wie denn die Formen in seinen Bildern entstehen.
Ausgangspunkt für die Mehrfeldzeichen ist Ernest A. Kienzls Interesse für Kommunikation und vor allem
für die visuellen Zeichen, die zur Kommunikation verwendet werden. Seine Intention war zunächst, ein
einfaches „leeres“ Zeichensystem zu erstellen, das eine breite Palette von Codierungsmöglichkeiten bereitstellt.
Ausgehend vom Quadrat, das gefüllt oder leer auftreten kann, definiert er das durch die Diagonale und das
durch einen Bogen (Viertelkreis) geteilte Quadrat als weitere Grundmodule. Durch Rotation der geteilten Quadrate
in 90°-Schritten entstehen weitere sechs Elemente, durch Umkehrung der Flächen weitere vier – insgesamt
also 14 unterschiedliche Zeichen, die er Grundzeichen nennt und als Module für die Erstellung von Zeichenfeldern
– von ihm Mehrfeldzeichen genannt, verwendet. Durch Aneinanderfügen mehrerer dieser Grundzeichen entstehen
in einem 2x2-Raster dann Vierfeldzeichen, in einem 3x3-Raster Neunfeldzeichen, in einem 4x4-Raster Sechzehnfeldzeichen,
usw. Als Regel für die Kombination gibt er vor, dass dabei nur gefüllte oder leere Flächen aneinanderstoßen
dürfen.
Anders die Tangentialkurvenfiguren: Sie werden über einem Grundraster entwickelt, das ebenfalls auf einem
Quadrat beruht. In dieses Quadrat werden der größtmögliche Kreis sowie die Diagonalen eingeschrieben
und anschließend das größtmögliche auf die Spitze gestellte Quadrat. In dieses wird ein weiteres
größtmögliches Quadrat mit eingeschriebenem Kreis, das zum ursprünglichen Ausgangsquadrat
parallel liegt, eingefügt. Die Konturen der Tangentialkurvenfiguren entstehen schließlich entlang der
im Grundraster vorgegebenen Quadratseiten und Kreissegmente und aus freien, kurvigen Verbindungslinien, die tangential
an diese Elemente anstoßen. Diese Kurven sind eine persönliche Setzung und nicht geometrisch konstruierbar.
Sowohl die Mehrfeldzeichen als auch die Tangentialkurvenfiguren sind also Figuren, die in Beziehung zu dem sie
umschreibenden Quadrat (bzw. Rechteck) stehen und so den Figur-Grund-Bezug thematisieren. Diese Beziehung ist das,
was Ernest A. Kienzl im Besonderen interessiert. Er thematisiert sie durch unterschiedliche bildnerische Formulierungen:
durch Kontraste in der Farbigkeit, durch unterschiedliche Mal- und Zeichentechniken, durch unterschiedliches Material,
durch unterschiedliche Texturen, durch räumliche Akzentuierung, … und untersucht die Wirkungen, die dadurch
entstehen. Die persönliche „Handschrift“ als Kontrast zum Konstruktiven ist ihm dabei sehr wichtig und gewinnt
bei den Tangentialkurvenfiguren auch durch die Verwendung von „persönlichen“ nichtgeometrischen Kurven immer
mehr an Bedeutung. Deshalb lehnt er auch die Verwendung des Computers als Hilfsmittel für die Erstellung der
Zeichen und Figuren ab und verwendet dafür lediglich Lineal und Zirkel.
In vielen Fällen ist es sowohl bei den Mehrfeldzeichen als auch bei den Tangentialkurvenfiguren möglich,
die Figuren auch gegenständlich zu deuten – auch wenn das bei der Entstehung nicht so geplant war. Assoziationen
sind schließlich nie auszuschließen. Sie erweitern überdies auch die Möglichkeiten der Betrachtung.
Gemeinsam haben die beiden Zyklen ihre Rückführbarkeit auf geometrische Grundlagen und die gestalterische
Reduktion auf zwei abstrakte Elemente – Figur und Grund. Eine gegenständliche Deutung der Figur lassen sie
allerdings zu.
Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass die Mehrfeldzeichen durch die Addition von grundsätzlich codierbaren
Modulen, den Grundzeichen, gebildet werden, die Tangentialkurvenfiguren aber über einem – oft sichtbar gelassenem
- Grundraster entstehen und aus diesem gleichsam herausgeschnitten, sozusagen subtrahiert, werden. Einer möglichen
Codierbarkeit entziehen sie sich ob ihrer Komplexität.
Das, worauf es Kienzl aber vor allem ankommt, ist der sinnliche Reiz, der durch diese Arbeiten bei den Betrachtenden
ausgelöst wird. Das starre (geometrische) Korsett dient ihm lediglich dazu, diesen Reiz zu fokussieren, wie
dies beispielsweise auch in der Musik durch die Zwölftontechnik geschieht oder als literarisches Beispiel
beim Haiku durch die Vorgabe von drei Wortgruppen mit einer bestimmten Anzahl von Lauteinheiten.
|