Wie sich Oberösterreich auf die Verlagerung der globalen wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse
vorbereiten kann
Linz (academia superior) - Eine Verlagerung der globalen ökonomischen Kräfteverhältnisse
zeichnet sich deutlich ab: In vormaligen Schwellenländern – allen voran in Asien – herrscht enorme wirtschaftliche
Dynamik. Forschung und Innovation boomen und fast unbemerkt hat 2010 bereits ein wirtschaftlich bedeutsamer Wandel
begonnen, als der gemeinsame Anteil der EU und USA am Welt-Bruttoinlandsprodukt die 50% Marke unterschritt. Welche
Auswirkungen hat dieser – sich fortsetzende - „Global Shift“ auf den Wirtschaftsstandort Oberösterreich mit
seiner hohen Industrie- und Exportorientierung? Welche Maßnahmen können wir jetzt setzen, um vorausschauend
auf diese Veränderungen im globalen wirtschaftlichen Gefüge vorbereitet zu sein? Diese Fragen stellte
die ACADEMIA SUPERIOR in einer neuen Studie, die am 02.05. im Siemens Forum in Linz präsentiert wurde.
„Wir stehen vor einem immer intensiveren Innovationswettbewerb, den Oberösterreich gewinnen muss“, zeigt ACADEMIA
SUPERIOR-Obmann Wirtschaftslandesrat Dr. Michael Strugl, MBA überzeugt. Denn 60% der Wertschöpfung Oberösterreichs
wird auf internationalen Märkten verdient. Die Messlatte für den Standort OÖ sind deshalb schon
längst nicht mehr die anderen acht Bundesländer und auch nicht die 270 europäischen Regionen, sondern
die besten Wirtschaftsregionen der ganzen Welt. Wie Oberösterreich in diesem globalen Standortwettbewerb bestehen
kann, zeigt ein von ACADEMIA SUPERIOR erarbeiteter Maßnahmenkatalog, der den Standort OÖ auf den Global
Shift vorbereiten soll:
Masterplan Global Shift
Die zentrale Voraussetzung ist eine nachhaltige Strategie, erklärt Strugl: „Wir müssen wissen, was wir
wollen und intelligent, konsequent und energisch Chancen nutzen. Und trauen müssen wir uns!“ Denn die rasche
Umsetzung von Plänen und Strategien sieht er derzeit sowohl als größte Herausforderung als auch
zugleich größten Engpass der heimischen Politik: „Wenn sich das nicht ändert, werden wir vom Global
Shift beiseite geschoben,“ so der Obmann von ACADEMIA SUPERIOR.
Der „Masterplan Global Shift“, den er vorstellte, steht auf sechs Säulen:
- Bewusstseinsbildung, Sensibilisierung und Wissensaufbau für internationale
Entwicklungen
- Ausbau der globalen Wettbewerbsfähigkeit am Standort
- gezielte Fokussierung von Zukunftstechnologien und Wachstumsmärkte
- Positionierung des Forschungs- und Innovationsstandort in der globalen Welt und
Bildung strategischer Allianzen
- Attraktivierung der Region für internationale Fach- und Spitzenkräfte
und
- Stärkung der internationalen Vernetzung der Wirtschaft.
Darunter finden sich konkrete Maßnahmen wie Risk-Checks, Born-Global-Programme, Unterstützung von cross-sektoralen
Innovationen, der Ausbau interkultureller Kompetenzen, die Mobilisierung von privatem Kapital für Forschung,
die Förderung von außereuropäischen Forschungskooperationen, eine „Brain Gain“-Strategie für
Oberösterreich, ein durchgängiges englischsprachiges Bildungsangebot und Englisch als „zweite Alltagssprache“
und der Ausbau globaler Wertschöpfungsketten auf für kleine und mittlere Unternehmen aus Oberösterreich.
Prof. Gabriel Felbermayr, PhD, Leiter des ifo Zentrums für Außenwirtschaft der Ludwig Maximilians Universität
München und Hauptredner des Abends, brachte es in seinem Statement auf den Punkt: „Es shiftet überall,
wo wir hinsehen“ und verwies damit auf die großen tektonische Veränderungen der Weltwirtschaft. Dies
hänge zusammen mit dem Aufstieg von China, der uns auch viele Vorteile gebracht habe: günstige Produktion
und große Zukunftsmärkte. Das habe auch China verändert: „China ist schon lange kein Rule-Taker
mehr, sondern Rule-Maker“, weiß der Wirtschaftsexperte und weist auf ein wachsendes Selbstbewusstsein Chinas
hin. „Wir brauchen eine Chinapolitik“, ist der gebürtige Oberösterreich überzeugt und sieht die
Uneinigkeit Europas als größte Hypothek, speziell für kleinere Länder und Standorte in Europa.
„Wenn wir westliche Standards und Werte wie fairen Wettbewerb, Verbraucherschutz, Datenschutz, Umweltschutz und
Menschenrechte wahren wollen, müssen wir die geostrategische Tragweite begreifen und China einbinden“, unterstreicht
Felbermayr.
Andere Treiber und Shifts, auf die wir uns einstellen müssen, sieht der Volkswirt auch in der Bevölkerungsexplosion
in der vom Klimawandel besonders betroffenen Region ums Mittelmeer oder im technologischen Wandel. „Stillstand
in der Reformpolitik in Österreich und Europa in dieser Situation wäre die größte Gefahr im
Global Shift“, so der Außenhandelsexperte.
Im Science Talk zeigt sich Assoz. Univ.-Prof. Dr. Katharina Hofer vom Institut für Handel, Absatz und Marketing
der JKU Linz überzeugt, dass der Global Shift speziell für Oberösterreich viele Chancen bereithält:
„Westliche und speziell österreichische Produkte werden in Märkten wie China gut angenommen.“ Auch innerhalb
Chinas gebe es große Unterschiede und man müsse die Märkte genau analysieren, Beziehungen in Emerging
Markets schaffen und erst Vertrauen aufbauen und pflegen, um dort reüssieren zu können. „Besonders bei
wissensintensiven und innovativen Produkten kann sich Oberösterreich profilieren“, ist die Marketingspezialistin
überzeugt.
Dekanin Prof. DI Dr. Margarethe Überwimmer, Studiengangsleiterin „Global Sales and Marketing“ an der FH OÖ,
unterstreicht die Bedeutung der Forschungskompetenz und sieht Zukunftsfelder speziell in hybriden Leistungsbündeln.
Wichtig für die Geschäfte im fernen Osten sei es, Unternehmen und Entscheidungen zu verstehen und die
Forschungslandschaft gut zu vernetzen. „Interkulturelle Kompetenz und interkulturelles Lernen sind enorm wichtig.
Wissen über die Politik, die Geschichte, die Philosophie und Religion – und wie Teamarbeit funktioniert.“
„Denn“, so ihr plakatives Beispiel, „ein Servicetechniker kann mit einem Chinesen nicht genau so reden wie mit
einem Mühlviertler.“
Im anschließenden Business Talk sprachen die Vorstände von oberösterreichischen Top-Unternehmen
über ihre Erfahrungen und Einschätzungen:
Für DI Michael Aschaber, Geschäftsführer von Steyr Motors, das seit 2012 in chinesischem Besitz
ist, sind die Rahmenbedingungen entscheidend. In seiner Branche steht die Technologie im Vordergrund und solange
Oberösterreich in einem gut funktionierenden, starken europäischen Netzwerk punktet, sieht er für
den Standort keine Gefahr, wenngleich zunehmender Druck spürbar ist. Auch auf ein vermeintlich triviales Phänomen
der Globalisierung macht er aufmerksam: „Die Auswirkungen der Zeitverschiebung wird unterschätzt.“
Dr. Stefan Doboczky, MBA, CEO der Lenzing AG, verbrachte selbst viele Jahre im fernen Osten und stimmt mit den
Grundzügen des Plans überein, sieht jedoch als große Messlatte die Frage der raschen Umsetzung.
Aus eigener Erfahrung kennt er die enorme Geschwindigkeit, die in Asien herrscht und wie rasch sich Kontexte ändern.
„In Asien ist ein Hunger nach Lernen und Verbesserung spürbar, es herrscht eine große Flexibilität
aufgrund des Bewusstseins, dass sich der Kontext ständig ändert und China selbst ist eine sehr komplexe,
riesige Freihandelszone. Hier sind wir als Führungskräfte gefordert, das Verständnis dafür
zu schaffen, wie extrem schnell und agil es dort zugeht“, weiß der Lenzing-Chef.
Auch Mag. Günter Kitzmüller, CFO von Rosenbauer, trägt die vorgestellten Punkte mit. Die Gestaltung
der Rahmenbedingungen sieht er als Zusammenspiel zwischen Politik und Unternehmen: „Beide müssen ihren Beitrag
leisten“, nimmt er alle mit in die Verantwortung. Als Global-Player weiß er, dass jeder Markt seine eigene
Sprache, sein System hat. „Gerade in unserem Bereich gibt es viele unterschiedliche Standards, da braucht man ein
Committent zu lokalem Content an neuen Standorten“, erklärte der Vertreter des größten Feuerwehrfahrzeug-Herstellers
mit Produktionsstandorten auf drei Kontinenten.
Für den Werksleiter der BMW Group Werk Steyr, DI (FH) Gerhard Wölfel, ist klar: „Es gibt nichts Gutes,
außer man tut es. Die dunkle Wolke geht nicht mehr weg und unser Regenschirm ist die Chance.“ Man wäre
schlecht beraten, sich auf einen Wachstumsmarkt zu beschränken, die Beteiligung an Investitionen in Schwellenländern
ist für ihn unumgänglich und langfristig setzt er, so wie es die BMW-Group praktiziert, auf internationale
Vernetzung und Wissensmanagement in allen Bereichen: „Wege, die uns für die Zukunft erfolgreich machen, müssen
wir gemeinsam gehen: Industrie, Politik und Sozialpartner.“ Was er in China beobachtet ist, dass sich Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter mit Verbesserungsvorschlägen einbringen: „Man ist stolz drauf und hat Lust am Gewinn und nicht
Angst zu verlieren.“ Diese Einstellung wünscht er sich auch für Österreich.
Mehr als 300 Personen waren der Einladung zur Diskussion zum Zukunftsthema Global Shift gefolgt und sorgten für
ein bis auf den letzten Platz gefülltes Siemens Forum in Linz. Siemens-Niederlassungsleiter Dr. Josef Kinast
war überwältigt vom großen Interesse und erklärte, weshalb Siemens der ideale Ort sei, um
dieses Thema zu diskutieren: in Oberösterreich beschäftige Siemens 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
die Exportquote liege bei 60%. Kaum ein anderes Unternehmen sei derart international aufgestellt und tätig
wie der Siemens Konzern. „Wir leben vom Export. Bei uns geht die ganze Welt rein und raus“, betonte Kinast und
forderte zugleich Respekt gegenüber Menschen anderer Kulturen. Er verwies auch darauf, dass wir Arbeitsplätze
nur sichern können, wenn wir beim Shift dabei sind: „Nicht kopieren, sondern kapieren, darum geht es“, so
Kinast.
ACADEMIA SUPERIOR hat die möglichen Auswirkungen des "Global Shift" sowie die damit verbundenen
Chancen und Herausforderungen im Rahmen einer Studie analysiert und konkrete Handlungsvorschläge für
die Politik in Oberösterreich erarbeitet, die nun als "Masterplan Global Shift" vorliegen.
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