Global Shift: Veränderungen als Chance

 

erstellt am
04. 05. 16
11:00 MEZ

Wie sich Oberösterreich auf die Verlagerung der globalen wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse vorbereiten kann
Linz (academia superior) - Eine Verlagerung der globalen ökonomischen Kräfteverhältnisse zeichnet sich deutlich ab: In vormaligen Schwellenländern – allen voran in Asien – herrscht enorme wirtschaftliche Dynamik. Forschung und Innovation boomen und fast unbemerkt hat 2010 bereits ein wirtschaftlich bedeutsamer Wandel begonnen, als der gemeinsame Anteil der EU und USA am Welt-Bruttoinlandsprodukt die 50% Marke unterschritt. Welche Auswirkungen hat dieser – sich fortsetzende - „Global Shift“ auf den Wirtschaftsstandort Oberösterreich mit seiner hohen Industrie- und Exportorientierung? Welche Maßnahmen können wir jetzt setzen, um vorausschauend auf diese Veränderungen im globalen wirtschaftlichen Gefüge vorbereitet zu sein? Diese Fragen stellte die ACADEMIA SUPERIOR in einer neuen Studie, die am 02.05. im Siemens Forum in Linz präsentiert wurde.

„Wir stehen vor einem immer intensiveren Innovationswettbewerb, den Oberösterreich gewinnen muss“, zeigt ACADEMIA SUPERIOR-Obmann Wirtschaftslandesrat Dr. Michael Strugl, MBA überzeugt. Denn 60% der Wertschöpfung Oberösterreichs wird auf internationalen Märkten verdient. Die Messlatte für den Standort OÖ sind deshalb schon längst nicht mehr die anderen acht Bundesländer und auch nicht die 270 europäischen Regionen, sondern die besten Wirtschaftsregionen der ganzen Welt. Wie Oberösterreich in diesem globalen Standortwettbewerb bestehen kann, zeigt ein von ACADEMIA SUPERIOR erarbeiteter Maßnahmenkatalog, der den Standort OÖ auf den Global Shift vorbereiten soll:

Masterplan Global Shift
Die zentrale Voraussetzung ist eine nachhaltige Strategie, erklärt Strugl: „Wir müssen wissen, was wir wollen und intelligent, konsequent und energisch Chancen nutzen. Und trauen müssen wir uns!“ Denn die rasche Umsetzung von Plänen und Strategien sieht er derzeit sowohl als größte Herausforderung als auch zugleich größten Engpass der heimischen Politik: „Wenn sich das nicht ändert, werden wir vom Global Shift beiseite geschoben,“ so der Obmann von ACADEMIA SUPERIOR.

Der „Masterplan Global Shift“, den er vorstellte, steht auf sechs Säulen:

  1. Bewusstseinsbildung, Sensibilisierung und Wissensaufbau für internationale Entwicklungen
  2. Ausbau der globalen Wettbewerbsfähigkeit am Standort
  3. gezielte Fokussierung von Zukunftstechnologien und Wachstumsmärkte
  4. Positionierung des Forschungs- und Innovationsstandort in der globalen Welt und Bildung strategischer Allianzen
  5. Attraktivierung der Region für internationale Fach- und Spitzenkräfte und
  6. Stärkung der internationalen Vernetzung der Wirtschaft.


Darunter finden sich konkrete Maßnahmen wie Risk-Checks, Born-Global-Programme, Unterstützung von cross-sektoralen Innovationen, der Ausbau interkultureller Kompetenzen, die Mobilisierung von privatem Kapital für Forschung, die Förderung von außereuropäischen Forschungskooperationen, eine „Brain Gain“-Strategie für Oberösterreich, ein durchgängiges englischsprachiges Bildungsangebot und Englisch als „zweite Alltagssprache“ und der Ausbau globaler Wertschöpfungsketten auf für kleine und mittlere Unternehmen aus Oberösterreich.

Prof. Gabriel Felbermayr, PhD, Leiter des ifo Zentrums für Außenwirtschaft der Ludwig Maximilians Universität München und Hauptredner des Abends, brachte es in seinem Statement auf den Punkt: „Es shiftet überall, wo wir hinsehen“ und verwies damit auf die großen tektonische Veränderungen der Weltwirtschaft. Dies hänge zusammen mit dem Aufstieg von China, der uns auch viele Vorteile gebracht habe: günstige Produktion und große Zukunftsmärkte. Das habe auch China verändert: „China ist schon lange kein Rule-Taker mehr, sondern Rule-Maker“, weiß der Wirtschaftsexperte und weist auf ein wachsendes Selbstbewusstsein Chinas hin. „Wir brauchen eine Chinapolitik“, ist der gebürtige Oberösterreich überzeugt und sieht die Uneinigkeit Europas als größte Hypothek, speziell für kleinere Länder und Standorte in Europa. „Wenn wir westliche Standards und Werte wie fairen Wettbewerb, Verbraucherschutz, Datenschutz, Umweltschutz und Menschenrechte wahren wollen, müssen wir die geostrategische Tragweite begreifen und China einbinden“, unterstreicht Felbermayr.

Andere Treiber und Shifts, auf die wir uns einstellen müssen, sieht der Volkswirt auch in der Bevölkerungsexplosion in der vom Klimawandel besonders betroffenen Region ums Mittelmeer oder im technologischen Wandel. „Stillstand in der Reformpolitik in Österreich und Europa in dieser Situation wäre die größte Gefahr im Global Shift“, so der Außenhandelsexperte.

Im Science Talk zeigt sich Assoz. Univ.-Prof. Dr. Katharina Hofer vom Institut für Handel, Absatz und Marketing der JKU Linz überzeugt, dass der Global Shift speziell für Oberösterreich viele Chancen bereithält: „Westliche und speziell österreichische Produkte werden in Märkten wie China gut angenommen.“ Auch innerhalb Chinas gebe es große Unterschiede und man müsse die Märkte genau analysieren, Beziehungen in Emerging Markets schaffen und erst Vertrauen aufbauen und pflegen, um dort reüssieren zu können. „Besonders bei wissensintensiven und innovativen Produkten kann sich Oberösterreich profilieren“, ist die Marketingspezialistin überzeugt.

Dekanin Prof. DI Dr. Margarethe Überwimmer, Studiengangsleiterin „Global Sales and Marketing“ an der FH OÖ, unterstreicht die Bedeutung der Forschungskompetenz und sieht Zukunftsfelder speziell in hybriden Leistungsbündeln. Wichtig für die Geschäfte im fernen Osten sei es, Unternehmen und Entscheidungen zu verstehen und die Forschungslandschaft gut zu vernetzen. „Interkulturelle Kompetenz und interkulturelles Lernen sind enorm wichtig. Wissen über die Politik, die Geschichte, die Philosophie und Religion – und wie Teamarbeit funktioniert.“ „Denn“, so ihr plakatives Beispiel, „ein Servicetechniker kann mit einem Chinesen nicht genau so reden wie mit einem Mühlviertler.“

Im anschließenden Business Talk sprachen die Vorstände von oberösterreichischen Top-Unternehmen über ihre Erfahrungen und Einschätzungen:
Für DI Michael Aschaber, Geschäftsführer von Steyr Motors, das seit 2012 in chinesischem Besitz ist, sind die Rahmenbedingungen entscheidend. In seiner Branche steht die Technologie im Vordergrund und solange Oberösterreich in einem gut funktionierenden, starken europäischen Netzwerk punktet, sieht er für den Standort keine Gefahr, wenngleich zunehmender Druck spürbar ist. Auch auf ein vermeintlich triviales Phänomen der Globalisierung macht er aufmerksam: „Die Auswirkungen der Zeitverschiebung wird unterschätzt.“

Dr. Stefan Doboczky, MBA, CEO der Lenzing AG, verbrachte selbst viele Jahre im fernen Osten und stimmt mit den Grundzügen des Plans überein, sieht jedoch als große Messlatte die Frage der raschen Umsetzung. Aus eigener Erfahrung kennt er die enorme Geschwindigkeit, die in Asien herrscht und wie rasch sich Kontexte ändern. „In Asien ist ein Hunger nach Lernen und Verbesserung spürbar, es herrscht eine große Flexibilität aufgrund des Bewusstseins, dass sich der Kontext ständig ändert und China selbst ist eine sehr komplexe, riesige Freihandelszone. Hier sind wir als Führungskräfte gefordert, das Verständnis dafür zu schaffen, wie extrem schnell und agil es dort zugeht“, weiß der Lenzing-Chef.

Auch Mag. Günter Kitzmüller, CFO von Rosenbauer, trägt die vorgestellten Punkte mit. Die Gestaltung der Rahmenbedingungen sieht er als Zusammenspiel zwischen Politik und Unternehmen: „Beide müssen ihren Beitrag leisten“, nimmt er alle mit in die Verantwortung. Als Global-Player weiß er, dass jeder Markt seine eigene Sprache, sein System hat. „Gerade in unserem Bereich gibt es viele unterschiedliche Standards, da braucht man ein Committent zu lokalem Content an neuen Standorten“, erklärte der Vertreter des größten Feuerwehrfahrzeug-Herstellers mit Produktionsstandorten auf drei Kontinenten.

Für den Werksleiter der BMW Group Werk Steyr, DI (FH) Gerhard Wölfel, ist klar: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Die dunkle Wolke geht nicht mehr weg und unser Regenschirm ist die Chance.“ Man wäre schlecht beraten, sich auf einen Wachstumsmarkt zu beschränken, die Beteiligung an Investitionen in Schwellenländern ist für ihn unumgänglich und langfristig setzt er, so wie es die BMW-Group praktiziert, auf internationale Vernetzung und Wissensmanagement in allen Bereichen: „Wege, die uns für die Zukunft erfolgreich machen, müssen wir gemeinsam gehen: Industrie, Politik und Sozialpartner.“ Was er in China beobachtet ist, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Verbesserungsvorschlägen einbringen: „Man ist stolz drauf und hat Lust am Gewinn und nicht Angst zu verlieren.“ Diese Einstellung wünscht er sich auch für Österreich.

Mehr als 300 Personen waren der Einladung zur Diskussion zum Zukunftsthema Global Shift gefolgt und sorgten für ein bis auf den letzten Platz gefülltes Siemens Forum in Linz. Siemens-Niederlassungsleiter Dr. Josef Kinast war überwältigt vom großen Interesse und erklärte, weshalb Siemens der ideale Ort sei, um dieses Thema zu diskutieren: in Oberösterreich beschäftige Siemens 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Exportquote liege bei 60%. Kaum ein anderes Unternehmen sei derart international aufgestellt und tätig wie der Siemens Konzern. „Wir leben vom Export. Bei uns geht die ganze Welt rein und raus“, betonte Kinast und forderte zugleich Respekt gegenüber Menschen anderer Kulturen. Er verwies auch darauf, dass wir Arbeitsplätze nur sichern können, wenn wir beim Shift dabei sind: „Nicht kopieren, sondern kapieren, darum geht es“, so Kinast.

ACADEMIA SUPERIOR hat die möglichen Auswirkungen des "Global Shift" sowie die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen im Rahmen einer Studie analysiert und konkrete Handlungsvorschläge für die Politik in Oberösterreich erarbeitet, die nun als "Masterplan Global Shift" vorliegen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.academia-superior.at

 

 

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at